Neubeuern/Edling/Schnaitsee – Sand und Kies: Zwei Rohstoffe, mit denen Verbraucher täglich in Berührung kommen. Beide stecken zum Beispiel im Straßenasphalt, in Baustoffen, und nicht zuletzt im Sandkasten. Die Sand- und Kiesindustrie ist mit rund 1600 Abbau-Betrieben einer der bedeutendsten Zweige der bayerischen Rohstoffgewinnung; jährlich werden etwa 85 Millionen Tonnen Sand und Kies gefördert. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen stützen die Branche. Doch ihnen werden die Rohstoffe knapp. Und sie werden teurer: Seit 2018 um knapp fünf Prozent, seit dem Jahr 2000 waren es weit über 30 Prozent.
Werke halten
Material zurück
Laut DIHK-Rohstoffreport melden zahlreiche Unternehmen Versorgungsengpässe etwa bei Tonerde, Granit, speziell Sand und Kies, obwohl Südostoberbayern besonders reich an diesen Rohstoffen ist. Die gestiegenen Preise treffen vor allem die Bauindustrie und damit Bauherren und Hauskäufer.
„Die hohen Grundstückpreise sind vor allem Schuld an der Rohstoffknappheit und an steigenden Preisen dafür.“ Konrad Eder vom gleichnamigen Kieswerk in Schnaitsee im Kreis Traunstein sorgt sich um die Zukunft seines Familienunternehmens. Wie andere Kieswerksbetreiber muss auch er an neue Abbauflächen kommen, doch bei rund zwölf Euro je Quadratmeter stoße er ob des sechsstelligen Betrags an seine Grenzen. Je Kubikmeter Kies müsse er selbst Kosten von bis zu zwei Euro kalkulieren; eine Tonne unbehandelter Kies geht an den Abnehmer für derzeit rund fünf Euro; veredelte Sorten kosten bis zu elf Euro. Vier bis neun Euro seien es noch vor einigen Jahren gewesen. Der Bauunternehmer, der im Schnitt zwischen 300 und 500 Tonnen Kies kauft, bekommt die Preissteigerung stark zu spüren. „Früher haben wir auch an Asphaltmischanlagen verkauft“, erzählt Eder, heute mache er, trotz B304-Ausbau vor der Haustür, keine solchen Ausschreibungen mehr mit: „Wir können die erforderliche Rohstoffmenge nicht mehr guten Gewissens abgeben, heben unser Material für Privatkunden und die heimische Bauwirtschaft auf.“ Seit gut fünf Jahren ginge das so, etwa 25 Prozent büße sein Betrieb deshalb pro Jahr ein. „Wir können am Standort nur noch bis Ende des Jahres abbauen, dann müssen wir auf unsere Reservefläche ausweichen.“ Zwar hätte er zwei weitere Flächen in Aussicht, die den Fortbestand seines Betriebs die nächsten 20 Jahre sichern würden – nur warte er seit 2015 auf eine Genehmigung seitens Gemeinde und Landratsamt.
Dass diese mehrstufigen Verfahren immer länger dauern, bestätigt auch Josef Neuner, Geschäftsführer von Inntal Beton aus Neubeuern. Seit 50 Jahren gibt es den Familienbetrieb, und noch nie sei es so langwierig gewesen wie heute, den Abbau für Kies zu sichern. „Man muss zehn Jahre vorplanen“, ist seine Erfahrung. Für ein Jahrzehnt sei sein Betrieb noch gesichert, aber von Jahrzehnten wagt Neuner nicht zu sprechen.
Ungewisse Zukunft für Unternehmer
In Prutting betreibt Neuner eine Grube, wo man aber aus Wasserschutzgründen rund ein Drittel weniger abbauen dürfe als vorhanden sei.
Ähnliche Probleme treiben auch Rudolf Adler, Geschäftsführer des Kies- und Betonwerks Adler in der Gemeinde Edling, um. Wenn er daran denke, wie aufwendig es inzwischen sei, eine neue Kiesgrube zu eröffnen, graue es ihm. Er erklärt, warum es so wichtig ist, vor Ort an Abbauflächen zu kommen: „Sand und Kies sind schwer, sie weiter als über die eigene Region hinaus zu transportieren, ist unrentabel.“
Das Edlinger Kieswerk konkurriert mit anderen Flächeninteressenten, etwa Betreibern von Biogasanlagen – trotz eines Regionalplans. Auch Adler verkauft nicht mehr jede angefragte Menge, hält Material zum Veredeln zurück. Denn während er für Wand- oder Grobkies je Tonne zwischen 6,50 und 8,80 Euro verlangt, kann er für gewaschenen Kies je nach gewünschter Größe der Steine zwischen 9,30 Euro und 10,50 Euro verlangen, für Mischkies oder Splitt bis zu 14,50 Euro. Große Kiesel und Splitt benötigen Baufirmen etwa für Drainagen und zum Pflastern.
Für die Zukunft mache er sich „auf einiges gefasst“. Er würde sein Kieswerk gern in der Familie übergeben. „Aber geht es so weiter, weiß ich nicht, wo wir in zehn Jahren sind.“
Was die Flächenknappheit betrifft, hat die Rohstoffbranche in den Bauunternehmern einen Leidensgenossen. Vergangenes Wochenende tagte das bayerische Baugewerbe und machte die Ressourcenknappheit zum Thema. Zwar habe Bayern große Sand- und Kiesvorkommen, so Wolfgang Schubert-Raab, Präsident der Bayerischen Baugewerbeverbände. „Doch immer mehr Anwohner wehren sich gegen neue Abbaugruben“, spricht er einen weiteren, erschwerenden Aspekt an. Dazu kämen immer höhere Umweltauflagen, die es kaum noch möglich machten, ausgehobene Gruben mit Bodenmaterial zu verfüllen.
Letzte Wahl: Import von Rohstoffen
Er appelliert an Politik und Branche, gemeinsam daran zu arbeiten, „dass weiter ausreichend Rohstoffe für das Bauen zur Verfügung stehen“. Etwa, indem man mehr als bisher auf recycelte Baustoffe setze.
Geht es weiter mit der Preisentwicklung bei den heimischen Rohstoffen, warnt Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), müsse man sogar über einen Import nachdenken. Eine Alternative sei das angesichts des Transportgewichts nicht.
Rudolf Adler erinnert an die Akteure, die in der Diskussion um knappe Rohstoffe, steigende Preise, Fläche und Genehmigungen keine Stimme haben: Bedrohte Vogelarten wie die Uferschwalbe oder den Flurregenpfeifer, Amphibien, Wildkräuter und seltene Gräser: „Man darf nicht vergessen, dass Kiesgruben für zahlreiche heimische Tier- und Pflanzenarten der letzte, verbleibende Lebensraum ist.“