Prien – Sie arbeiten zum Beispiel als Elektronikerin, Fachinformatikerin oder Mikrotechnologin: Frauen in MINT-Berufen, also solchen, die einen mathematischen, ingenieur- und naturwissenschaftlichen oder technischen Schwerpunkt haben. Ihr Anteil ist in den vergangenen 15 Jahren stetig gesunken. Zur Zeit arbeiten rund eine Million Frauen im MINT-Bereich, so das Institut der Deutschen Wirtschaft, das jährlich den MINT-Herbstreport veröffentlicht. Den Fachfrauen stehen mehr als acht Millionen Männer gegenüber.
120 Stunden neben Schule und Hobbys
Girls Days, Technik-Tage an Schulen, sollen daher schon früh bei Mädchen das Interesse an MINT-Berufen wecken. Vor 20 Jahren hat der Verband der Metall- und Elektroarbeitgeber vbm mit solchen Aktionen begonnen und immer noch finden sie regelmäßig an Schulen in der Region statt. So auch am Priener Ludwig-Thoma-Gymnasium, wo dem Tag ein ganzes Jahr lang die Girls Day Akademie vorausging. Neun Schülerinnen der achten und neunten Jahrgangsstufe lernten in 120 Stunden außerhalb des regulären Schulalltags verschiedene MINT-Arbeitsbereiche praxisnah kennen.
Die Mädchen schweißten, frästen, arbeiteten am Computer, mit Holz und Heilkräutern und hatten die Gelegenheit, sich mit Studierenden auszutauschen.
„Eine tolle Erfahrung“, ist zum Beispiel das Resümee von Schülerin Carla Steiner, 15 Jahre, als nun zum Ende der Projektlaufzeit Zertifikate an die Mädchen vergeben wurden. Carla hat am besten das Erstellen einer Website gefallen – nur eine von vielen Aktivitäten, in welchen die Schülerinnen ausprobieren durften. Der Besuch der Technischen Hochschule, erzählt Carla, sei für sie besonders interessant gewesen. Nicht nur dort, sondern auch bei Firmen der M+E- sowie der IT-Branche standen auf dem „Stundenplan“ der Girls Day Akademie.
Etwa beim Priener Maschinenbauer Hefter und der Kolbermoorer ACP IT Solutions AG. Hans Scheck, Ausbildungsleiter bei Hefter, war mit den Mädchen rundum zufrieden. In beiden Unternehmen ist man sich einig, dass es mehr als wichtig sei, Mädchen für MINT zu begeistern – Stichwort Fachkräftemangel. So erhoffen sich die Organisatoren, mit dem Bildungsprojekt Nachwuchsfachkräfte sichern zu können. „2025 fehlen in Bayern 300000 Fachkräfte, allein in Oberbayern gut 70000“, rechnet Marc Hilgenfeld, Geschäftsführer von bayme vbm München-Oberbayern, vor.
Unter Top-5-Berufen ist kein technischer
„Man muss mit den Traditionen brechen“, ist er daher überzeugt. Er erzählt, dass unter den fünf beliebtesten Ausbildungsberufen, die Mädchen gerne nennen, kein einziger technischer sei. Nach wie vor werden Schulabgängerinnen in Deutschland am liebsten Kauffrau für Büromanagement, Medizinische oder Zahnmedizinische Fachangestellte, Kauffrau im Einzelhandel und Verkäuferin.
„Derzeit sind rund 26 Prozent der Beschäftigten in der bayerischen M+E Industrie weiblich. Wir wollen, dass noch mehr Frauen den Weg in technische Berufe und damit in die bayerischen M+E Unternehmen finden“, so bayme vbm Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Ob das gelingen wird, steht noch in den Sternen. Selbst bei den LTG-Schülerinnen, die sich alle positiv zum Projekt äußerten, ist unklar, ob sie sich allein wegen ihrer Teilnahme nun für einen MINT-Beruf entscheiden. Die 15-jährige Hanna Feichnter zum Beispiel sagt, ihr habe die Akademie grundsätzlich gut gefallen, „besonders der Besuch bei der Firma Hefter, wo wir in jede Abteilung reinschnuppern durften“. Aber was sie später einmal beruflich machen will, wisse sie noch nicht. Und Carla Steiner ist sich sicher: „Ich mag eher was mit Tieren machen, oder etwas in Richtung Bewegung und Sport.“
Vertrauen in die eigenen Stärken
Entsprechend realistisch sehen die Beteiligten das Projektergebnis: Barbara Biewald von der Rosenheimer Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) war die Projektbetreuerin der Mädchen. Sie sagt, es gehe in erster Linie darum, Interessen zu fördern, Begeisterung zu wecken. Die praktische Berufsorientierung im MINT-Bereich sei das andere. Wichtiger aber sei, das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken.
Dass das geklappt hat, bestätigt Gymnasiastin Alisa Eirich: „Wir haben in viele technische Berufe Einblicke bekommen, von denen wir eigentlich dachten, dass wir dort schlechte Chancen hätten.“ Sie möchte die Zeit bei der Girls Day Akademie nicht missen. Ihre Mitschülerin Elisa Unterseer, 15 Jahre, ergänzt: „Es war schon zeitaufwendig, neben der Schule und meinem Hobby, dem Singen, an der Akademie teilzunehmen.“ Aber: „Die Erfahrung war es wert.“