Rosenheim/Mühldorf – Die gesetzlichen Anforderungen an landwirtschaftliche Betriebe in Bayern steigen ständig. „Wie einen Schlag ins Gesicht der Rosenheimer Bauern“ empfindet Josef Bodmaier, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), dass durch das geplante Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten in Südamerika mehr Rindfleisch, Geflügel, Zucker und Ethanol in die EU eingeführt werden soll.
„Bei den bayerischen Bauern werden die Standards fast täglich nach oben geschraubt, wohingegen die Art und Weise der Produktion bei dem Handelsabkommen mit Südamerika keine Rolle spielt“, kritisiert Bodmaier die Vorgehensweise der EU in der Handelspolitik. Die Produktion aus Übersee sei von den Umwelt- und Sozialstandards der bayerischen Produkte meilenweit entfernt, was die bayerischen Bauern unter einen erheblichen Marktdruck setzen werde. Geringe Standards bedeuteten „einen erheblichen Kostenvorteil“.
Das Nachsehen bei diesem Kuhhandel haben die europäische Landwirtschaft, die Verbraucher sowie die Umwelt und das globale Klima. Dem schließt sich Mühldorfs Kreisobmann Ulrich Niederschweiberer an: Er bemängelt vor allem, dass Landwirte und Produzenten in der EU und speziell in Deutschland strengsten Auflagen unterworfen sind, was etwa Tier- und Umweltschutz angehe und erinnert an die Diskussion um den Methangasausstoß in der Rinderzucht. „In zahlreichen Ländern Südamerikas ist das alles kein Thema – wir hebeln damit indirekt unsere eigenen Standards aus.“ Ein weiterer Aufreger für den Vertreter der Mühldorfer Bauern: Während Bayern sich den Erhalt der kleinteiligen Landwirtschaft auf die Fahnen geschrieben habe, „machen sie solche Abkommen nach und nach zunichte.“
Denn die breite Masse der Verbraucher greife tendenziell doch eher zum günstigen Fleisch, das dann auch aus Argentinien oder Brasilien kommen könne – zu wenig Lobby hätten da die regionalen Vermarkter mit ihren vergleichsweise höheren Preisen, aber auch höheren Herstellungskosten. Beide Obmänner sind sich einig: „Wenn Bayern und die EU es mit dem Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft ernst meinen, muss das Inkrafttreten des neuen Handelsabkommens unbedingt in der jetzigen Form verhindert werden“, wie Bodmaier fordert. „Spätestens die verheerenden Brände im Amazonasgebiet haben klargemacht: Es muss endlich Schluss sein mit der Doppelmoral bei Handelspolitik und Klimaschutz“, so der Rosenheimer Kreisobmann. Das unterstrich auch Niederschweiberer.
20 Jahre verhandelte die EU mit Südamerika, entstehen soll die größte Freihandelszone der Welt. Vor Kurzem sah es so aus, als käme es zu einer Einigung, im Moment stocken die Verhandlungen. Das Abkommen muss noch von den EU-Staaten und EU-Parlament ratifiziert werden.
Mercosur ist die abgekürzte Bezeichnung für den „Gemeinsamen Markt Südamerikas“. Mitglieder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Assoziierte Mitglieder sind Bolivien, Chile, Peru, Kolumbien und Ecuador. Die Organisation konstituierte sich 1991 und erwirtschaftet im Außenhandel Exporte im Wert von mehreren 100 Milliarden US-Dollar.
Elisabeth Sennhenn