Insgesamt 7200 Sparer in der Region betroffen

von Redaktion

Auch Sparkasse Mühldorf-Altötting kündigt rund 1500 Prämiensparkonten

Mühldorf – Prämiensparverträge waren ein Sparkassen-Bestseller: Zusätzlich zum Zins für den Kunden wurde eine Prämie vereinbart, die umso höher war, je länger der Vertrag läuft. In Niedrigzins-Zeiten ist das für Sparkassen ein Problem: Sie kündigen alte Sparverträge – und Kunden fühlen sich betrogen. Auch die Sparkasse Mühldorf-Altötting kündigt aktuell Verträge. „Betroffen von der Kündigung sind insgesamt circa 1500 Verträge“, so Vorstandsvorsitzender Markus Putz gegenüber unserer Zeitung.

Die Banken und Sparkassen in Deutschland leiden ihm zufolge seit Jahren unter der Negativzinspolitik der EZB. Derzeit zahlen Kreditinstitute 0,5 Prozent Zinsaufwand, wenn sie Geld bei der EZB parken. Kosten, die die Sparkasse Altötting-Mühldorf für ihre Privatkunden vollumfänglich übernimmt. Jährlich trägt die Sparkasse Altötting-Mühldorf insgesamt einen Aufwand in Millionenhöhe.

„Die erneuten zinspolitischen Maßnahmen der EZB vom September 2019 verschärften die Situation zusätzlich und zwingen die Sparkasse Altötting-Mühldorf dazu, rechtlich mögliche Kündigungen von S-Prämiensparverträgen-flexibel vorzunehmen“, erläutert Putz. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe sehe die Sparkasse Mühldorf-Altötting keine andere Möglichkeit, als zu reagieren und langjährige, unbefristete Prämiensparverträge nach dem Erreichen der Bonusstaffeln zum Jahresende zu kündigen.

Die Einzahlungen, Prämien und Zinsen aus der Vergangenheit seien aber gesichert. Insgesamt reagieren die informierten Kunden nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden verständnisvoll. „In Beratungsgesprächen stehen unsere Berater den Kunden zur Seite und zeigen individuelle, sowohl auf das Niedrigzinsumfeld, als auch auf die persönliche Situation des Kunden abgestimmte Anlagemöglichkeiten auf.“

Die Verbraucherzentrale und die Stiftung Warentest fordern die Sparer auf, ihre Verträge prüfen zu lassen. Laut Bundesgerichtshof ist eine Kündigung von Prämien-Sparverträgen erlaubt, wenn die höchste Prämienstufe erreicht ist. Mit Verweis auf das BGH-Urteil haben zahlreiche weitere Institute bundesweit Verträge gekündigt.

Zwei besondere Fälle gab es in Bayern: Die Sparkasse Nürnberg beendete zu Ende September 2019 etwa 21000 Verträge, die Stadtsparkasse München verschickte im selben Monat rund 28000 Kündigungsschreiben. In der Region sind aktuell rund 7200 Sparer der Sparkassen Rosenheim-Bad Aibling, Wasserburg und Mühldorf-Altötting betroffen. Zur Erklärung: Laut dem Urteil sind Kündigungen nach Erreichen der höchsten Prämienstufe wirksam. Das ist oft nach 15 Jahren der Fall.

Gemäß der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) dürfe die Sparkasse bei Vorliegen eines „sachgerechten Grundes“ den Vertrag kündigen. Ein solcher Grund könne das niedrige Zinsniveau sein. Zwar fanden sich in den Werbeprospekten von Sparkassen oft Musterrechnungen über sehr lange Zeiträume – meist 25 Jahre. In den Worten des BGH ist solch eine Berechnung aber nur ein „Rechenbeispiel, mit dem keine verbindliche Aussage zur tatsächlichen Laufzeit des Vertrags verbunden ist“.

Beim Prämiensparen zahlen Kunden in der Regel monatlich einen konstanten Betrag ein und erhalten ab einer festgelegten Frist jährliche Prämien, die im Laufe der Zeit steigen. Üblich ist in der Höchststufe eine Prämie in Höhe von 50 Prozent der Einzahlungen, die der Kunde im Jahr leistet.

Silvia Mischi

Wann ist ein Widerspruch sinnvoll?

Eines ist wichtig: Der BGH hat hier nur in einer ganz bestimmten Fallgruppe entschieden, dass die Verträge gekündigt werden dürfen und zwar, wenn die Prämienstaffel bis 15 Jahre läuft“, erklärt Sascha Straub, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Bayern. Es gebe bei der Vertragsgestaltung jedoch mehrere Varianten. Zum Beispiel solche mit einer Laufzeit von bis zu 25 Jahren, oder solche, die gar 99 Jahre laufen. „Und da kann man nicht unmittelbar das BGH Urteil darauf anwenden. Von daher sollte man da grundsätzlich widersprechen.“ Ein Widerspruch kann sogar dann sinnvoll sein, wenn der Vertrag tatsächlich auf 15 Jahre ausgelegt ist.

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