Kirchdorf – Schlechte Nachrichten für die Produktionsmitarbeiter der Schletter Group: Der Solar-Zulieferer plant, seine Produktion vollständig ins Ausland zu verlagern. Rund 50 Arbeitsplätze fallen damit weg. Man wolle mit diesem Schritt die internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter ausbauen, teilte das Unternehmen mit.
Bereits jetzt produziert Schletter über 90 Prozent der Produkte in seinem eigenen Werk in Shanghai sowie bei spezialisierten Partnerunternehmen in Deutschland, den Niederlanden, der Türkei oder Bulgarien. Zu diesen Firmen zählen auch mehrere Betriebe in der Region Rosenheim.
„International nicht
wettbewerbsfähig“
Die Produktion, die in Kirchdorf noch mit einer kleinen Mannschaft stattfindet, soll bis Ende des ersten Halbjahrs 2020 auslaufen. „Wir produzieren in Kirchdorf auf relativ kleiner Flamme und zu Konditionen, die international nicht mehr wettbewerbsfähig sind“, so der Geschäftsführer der Schletter Group, Florian Roos. Die Beschäftigten und der Betriebsrat wurden am Donnerstagvormittag über den Schritt informiert.
Noch im Juni 2018 hatte der damalige Geschäftsführer Tom Graf gesagt, der Produktionsstandort am Unternehmenssitz in Kirchdorf sei wichtig, „damit wir in Europa weiterhin nah am Kunden produzieren können.“ Darauf angesprochen, entgegnete Dr. Cedric Zapfe, Chief Technology Officer (CTO) und Mitglied der Geschäftsleitung: „Die Nähe zum Kunden ist durch unsere Partnerunternehmen weiterhin gegeben. Wir profitieren davon, dass wir die Stillstandszeiten, die in unserem Projektgeschäft unausweichlich sind, nicht selbst überbrücken müssen.“ Die Partner könnten diese Schwankungen in der Auslastung durch die Fertigung für verschiedene Auftraggeber aus unterschiedlichen Branchen viel leichter abfedern, so Zapfe weiter.
Die Produktion in Kirchdorf zu beenden, sei „ein strategisch richtiger und konsequenter Schritt“, ergänzte Roos. Bislang werden am Firmensitz noch Edelstahl-Dachhaken und Gestelle für Freiland-Solarmodule produziert, außerdem erledigen die Mitarbeiter dort Vormontage-Arbeiten.
Nach Angaben des Unternehmens sollen in Kürze Gespräche mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich aufgenommen werden. Für einzelne Mitarbeiter gebe es die Möglichkeit, in einer anderen Position bei der Schletter Group tätig zu bleiben, so Zapfe im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen. Betriebsbedingte Kündigungen im Rahmen eines Interessenausgleichs würden sich aber nicht vermeiden lassen.
Vom Betriebsrat war bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme zum bevorstehenden Stellenabbau zu erhalten. Kirchdorfs Bürgermeister Alfons Linner (Freie Wählergemeinschaft Berg) bedauerte das Ende der Produktion, das aber „nicht völlig überraschend gekommen“ sei. Er hoffe, dass möglichst viele der betroffenen Mitarbeiter einen Arbeitsplatz bei einem anderen Betrieb im Ort finden können. „Es sind ja viele Leute nach Kirchdorf gezogen, um bei Schletter arbeiten zu können.“
Die Industrie- und Handelskammer erklärte auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen: „Wir bedauern diesen Schritt sehr, vor allem für die Mitarbeiter und den Standort Kirchdorf, zu dessen positiver Entwicklung die Firma Schletter ganz wesentlich beigetragen hat“, sagte Herbert Prost, Leiter der IHK-Geschäftsstelle in Mühldorf. Man wisse um den hohen Druck, der auf der gesamten Fotovoltaikbranche lastet. „Leider können Unternehmen Marktentwicklungen und politische Entscheidungen nicht unbegrenzt auffangen“.
Unruhige Zeiten
bei Schletter
Die Schletter Group befand sich in den vergangenen Jahren in unruhigem Fahrwasser. Das Unternehmen durchlief eine tief greifende Restrukturierung inklusive Insolvenz in Selbstverwaltung und mehrfachen Wechseln an der Führungsspitze. Mitte 2018 stieg der Finanzinvestor Golden Square Capital ein und wurde neuer Eigentümer. Das 18 Hektar große Firmengelände samt Bauten der Schletter-Gruppe wurde an den Agrarmaschinen-Spezialisten Fliegl aus Mühldorf verkauft, Schletter ist jetzt nur noch Mieter. Bereits in der Vergangenheit wurden mehrfach Stellen abgebaut. Von einst rund 600 Arbeitsplätzen in Kirchdorf sind noch etwa 150 übrig. Künftig soll sich der Standort auf Entwicklung, Strategie und administrative Aufgaben konzentrieren.
Seit dem Verkauf an den Investor und der damit abgeschlossenen finanziellen Sanierung befindet sich das Unternehmen nach eigenen Angaben auf Erfolgskurs, das Geschäft entwickle sich positiv. Erst kürzlich hatte das Unternehmen den Zuschlag für drei Großprojekte in Nepal, Brasilien und Honduras bekommen, weitere seien in Planung.
Man rechne damit, dass die Nachfrage nach Großprojekten weiter steigen werde, zugleich aber auch der Preisdruck im Markt. „Projektentwickler und Investoren müssen ihre Projekte heute so planen, dass sie sich mit wenig oder ganz ohne Förderung rechnen“, betonte Roos. Darauf wolle man sich mit einer kostenoptimierten Lieferstrategie und innovativen Produkten einstellen. „Dazu gehören neue Dach- und Freilandsysteme, die mit weniger Material und Montagezeit auskommen.“