„Räder sind das neue Klopapier“

von Redaktion

Fahrradhändler in der Region erfahren nach Corona-Lockerungen großen Zulauf an Kunden

Rosenheim – Egal ob mit dem Mountainbike auf den Berg, mit dem Rennrad um den See oder auf dem E-Bike durch den Wald: Radfahren erfreut sich in der Corona-Krise neuer Beliebtheit. Das Virus verändert im Moment das Freizeitverhalten der Menschen. Ob wegen des schönen Wetters in letzter Zeit oder Urlaubsausfällen durch Corona: Alle wollen aufs Rad.

Das können auch die Fahrradhändler in der Region bestätigen. „Das Interesse an Fahrrädern ist bemerkenswert gestiegen“, sagt Tessa Irlbacher. Sie ist die Geschäftsführerin der beiden Iko-Einzelhandelsgeschäfte am Firmensitz in Raubling und in Salzburg. Nach wie vor seien E-Bikes stark nachgefragt, außerdem die relativ neue Produktkategorie „Allroad“. Das ist ein Rennrand mit etwas breiteren Reifen und gröberem Profil, wie Irlbacher erklärt: „Ideal für die Leute, die gerade in den Radsport einsteigen und ein komfortables Sporterlebnis möchten.“

Warteschlangen
vor dem Geschäft

Getrübt wird die Freude über die Wiedereröffnung ein wenig durch die noch währenden Corona-Beschränkungen: Nur 800 Quadratmeter der Ladenfläche dürfen genutzt werden, außerdem sind höchstens 40 Kunden auf einmal im Geschäft erlaubt. „So haben wir innen viel weniger Platz und die Leute müssen draußen vor der Tür warten und anstehen“, sagt Irlbacher. Deshalb kommt die Aufhebung der 800 Quadratmeter-Regelung am kommenden Montag gerade recht. „Das ist eine riesengroße Erleichterung. Endlich können wir wieder uneingeschränkt arbeiten“, freut sie sich. Die Kunden werden sich nach Belieben frei bewegen und sich in allen Abteilungen, die vorher abgesperrt werden mussten, umsehen können.

In der Iko-Filiale in Salzburg ist dies bereits der Fall. „Dort haben wir konstant 200 Kunden im Laden“, berichtet Irlbacher. Auch hier sei ein großer Ansturm auf Fahrräder, aber auch auf Bergschuhe und Wanderutensilien zu verzeichnen. Am vergangenen Samstag war laut Irlbacher der verkaufsstärkste Tag im ganzen Sommer im Vergleich zum letzten Jahr.

Mit der von Firmengründer Konrad Irlbacher entwickelten Radmarke corratec beliefert Iko Händler auf der ganzen Welt. In der Corona-Krise wurde der Export komplett heruntergefahren. Nichtsdestotrotz: „Wir haben voll weiterproduziert, damit wir unsere Händler gleich wieder versorgen können, wenn es weitergeht“, betont Geschäftsführerin Irlbacher.

Nachfrage nach E-Bikes ist groß

Auch Stefan Sewald, Leiter der Lucky-Bike-Filiale Radl Bauer in Kolbermoor, und Johannes Berner, Marketingchef des Priener Fahrradgeschäfts Cube Store, bestätigen den Rad-Trend. „Wir haben mit dem Ansturm gerechnet, da Filialen in anderen Bundesländern schon früher öffnen durften. Da hat sich das abgezeichnet“, erklärt Sewald. Er hält das Fahrrad für das richtige Freizeit- und Sportprodukt, gerade weil momentan Gruppensportarten verboten und Fitnessstudios geschlossen sind. Berner ergänzt: „Die Leute wollen sich bei dem schönen Wetter draußen bewegen.“ Auch er verzeichnet in seinem Priener Geschäft eine große Nachfrage nach E-Bikes.

„Räder sind das neue Klopapier“, scherzt Stephanie Schröck von Zweirad Schröck in Ampfing. „Man merkt, dass die Leute über Pfingsten nicht wegfahren können und dass der Sommerurlaub auch noch unsicher ist“, sagt Schröck: „Die Nachfrage ist riesig.“ Sie und ihr Mann, die zusammen den Fahrradladen führen, hätten wegen der vielen Arbeit die letzten zwei Wochen 14 bis 16 Stunden pro Tag gearbeitet.

Auf ein ähnliches Arbeitspensum kommt auch Walter Seidinger, Inhaber von Zweirad Seidinger in Wasserburg. Am ersten Tag der Wiedereröffnung habe er innerhalb von kurzer Zeit um die 100 Fahrräder zur Reparatur bekommen. Kürzlich hat Seidinger einen weiteren Mitarbeiter eingestellt. „Sonst könnte ich die Arbeit momentan nicht schaffen“, sagt er.

„Rücksicht aufeinander nehmen“

Auch der Rosenheimer Kreisverbandsvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Mario Stürzl, bestätigt den Trend zum Fahrrad. „Wir haben festgestellt, dass deutlich mehr Fahrradfahrer als vor der Corona-Krise unterwegs sind“, sagt Stürzl, „aber auch mehr Fußgänger“. Dadurch steige die Unfallgefahr, gerade auf kombinierten Strecken, auf denen Radler und Fußgänger gemeinsam unterwegs sind. „Hier sind alle gefordert, Rücksicht zu nehmen und sich vorausschauend zu bewegen“, betont er.

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