Amerang/Bad Feilnbach/Bernau – Sie waren das Backup in der Corona-Krise: Reha-Kliniken stellten ihre Betten und Personal zur Verfügung, als die Akutkrankenhäuser Entlastung bei der Versorgung von leichter bis mittelschwer erkrankten Covid-19-Patienten benötigten. Auch die zur Ameranger Unternehmensgruppe Freiberger gehörenden Medical- Park-Kliniken sprangen ein. Der geschäftsführende Direktor von Medical Park, Ulf Ludwig, ist überzeugt: „Die Krise hat gezeigt, wie wichtig Reha-Kliniken für die Stabilität unseres Gesundheitssystems sind.“ Trotzdem fehle eine zeitnahe Unterstützung der finanziell belasteten Reha-Kliniken. „Von den angekündigten Rettungsschirmen ist bisher noch nicht viel in den Kliniken angekommen“, ärgert sich Ludwig.
Bad Feilnbacher Häuser sprangen helfend ein
Am 1. April, als die Pandemie die Region Rosenheim fest im Griff hatte, sprangen die Medical-Park-Kliniken „Reithofpark“ und „Blumenhof“ in Bad Feilnbach als Rettungsanker ein: Sie nahmen 21 Bewohner eines evakuierten Senioren- und Pflegeheimes auf, in dem es verstärkt zu Erkrankungen am Coronavirus gekommen war. Innerhalb weniger Tage hatte die Klinikleitung in Bad Feilnbach eine Isolierstation aufgebaut, die Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung der älteren Corona-Patienten geschult – und Therapeuten zu Hilfspflegekräften weitergebildet. Auch die Medical-Park-Kliniken Chiemseeblick und Chiemsee in Bernau nahmen Akutpatienten auf: Menschen, die eine stationäre Behandlung und Betreuung benötigten, jedoch nicht beatmet oder intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Mitte April gab es in mehr als der Hälfte der Kliniken von Medical Park Isolierstationen für Covid-19-Patienten aus Akutkrankenhäusern.
Keine schnelle
Erholung vom
Einnahmeeinbruch
Die Reha-Kliniken der Unternehmensgruppe Medical Park sind, so Ludwig, grundsätzlich vorbereitet auf schwer kranke Menschen: Schließlich verlassen die Regelpatienten heute in Zeiten der an Fallpauschalen ausgerichteten Vergütung der Behandlung aus wirtschaftlichen Gründen sehr früh nach einer Operation oder Akutbehandlung das Krankenhaus, um eine Anschlussheilbehandlung zu beginnen. Der typische Rehapatient benötige deshalb meist eine medizinisch anspruchsvolle Therapie und Pflege. „Wir können Akutmedizin“, sagt CEO Ludwig, „wir haben uns auch schnell inhaltlich auf diese Aufgabe eingestellt, sehen wir uns doch als integralen Bestandteil der stationären Versorgungsstrukturen in Deutschland.“
In der gesamten Unternehmensgruppe mit 13 Fachkliniken in Bayern, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen wurden rund um den Höhepunkt der Corona-Fallzahlen im April bis zu 70 Patienten aus Akutkliniken und Pflegeheimen betreut. Gleichzeitig galt es, für die wenigen noch verbliebenen Reha-Patienten eine sichere Versorgung ohne Ansteckungsgefahr aufzubauen und die Mitarbeiter möglichst gut zu schützen. Auch dies sei gelungen – unter anderem, weil die Medical- Park-Kliniken frühzeitig vorbereitet gewesen seien.
Trotz Aufnahme von Covid-19-Patienten aus den Akutkrankenhäusern waren auch die Reha-Kliniken in der Medical-Park-Gruppe nur unter 50 Prozent belegt. Der Normalbetrieb mit Konzentration auf Anschlussheilbehandlungen läuft jetzt sehr steil wieder an, berichtet Ludwig. Planbare Operationen fänden wieder statt. Und trotzdem würden sich die Reha-Kliniken so schnell vom Einnahmeeinbruch nicht erholen, warnt Ludwig. „Denn das Virus wird uns noch mindestens zwölf Monate in unserer Arbeit tangieren.“
15 bis 30 Prozent
der Kapazitäten
sind blockiert
Trotzdem warten die privaten Reha-Kliniken noch immer auf finanzielle Ausgleichszahlungen für die geleistete Arbeit in der Krise. Sie war bei Medical Park gestartet, obwohl Regelungen zur Abrechnung fehlten und teilweise noch unklar war, ob die geleisteten Arbeiten überhaupt vergütet werden. Der Medical-Park-Eigentümer, der Ameranger Unternehmer Ernst Freiberger, sah sein Unternehmen in der Pflicht, in der Krise zu helfen. Und sicherte den 3500 Mitarbeitern im gesamten Unternehmen im Vertrauen auf eine Lösung durch den Gesetzgeber eine Arbeitsplatzgarantie zu. In einem Familienunternehmen müsse man auch in schlechten Zeiten zusammenstehen, so das Motto des Eigentümers.
Trotzdem ist die Situation der Rehabilitationskliniken nach wie vor schwierig: Die geplanten gesetzlichen Regelungen der Bundesregierung und das bayerische Rettungsprogramm, das weitere 63 Millionen Euro bereitstellen will, reichen nicht aus, um die wirtschaftlichen Probleme der Branche infolge des Shutdowns zu lösen. Die Medical-Park-Gruppe hat bis jetzt nur etwa 60 Prozent des Vorjahresumsatzes in dieser Zeitspanne erreicht, nennt Ludwig als Beispiel.
Tatsache ist auch: Der Aufwand für eine Anschlussheilbehandlung hat sich durch die Notwendigkeit, umfangreiche Schutzmaßnahmen aufzustellen, drastisch erhöht. Medical Park setzt auf ein Drei-Stufen-Programm mit coronasicherem Aufnahmemanagement, speziellen Therapiekonzepten und Infektionsschutzmaßnahmen für alle Klinik-Abläufe. Mit Erfolg: Keine Infektion wurde mehr in ein Haus hineingetragen. Die Umsetzung dieses Konzeptes koste jedoch viel Geld. „Die monatlichen Kosten für den medizinischen Bedarf haben sich verfünffacht“, nennt Ludwig als Beispiel. Hinzu komme ein höherer Zeitaufwand bei der Aufnahme, der Pflege und Therapie und im Service. Isolationsbereiche müssten weiter vorgehalten werden, was 15 bis 30 Prozent der Kapazitäten blockiere. „Die Finanzierung dieser Mehrkosten ist noch offen“, bedauert der CEO. Er erinnert auch daran, dass das Testen der Mitarbeiter nicht über den Pflegesatz bezahlt wird. Ein Test koste etwa 50 Euro.
Bundesverband
fordert
Nachbesserungen
„Der bayerische Rettungsschirm, beschlossen Ende April, wird uns sehr helfen, wenn das Geld mal bei uns ankommt. Jetzt sind aber die Kostenträger gefordert, die dauerhaft höheren Kosten für eine sichere Rehabilitation in Form eines Corona-Zuschlags in Höhe von 25 bis 30 Euro pro Belegungstag sachgerecht zu finanzieren“, findet er.
Solange kein Impfstoff bereitstehe, wird in den Reha-Kliniken weiter unter aufwendigen Schutzkonzepten gearbeitet. Der Bundesverband der Privatkliniken fordert deshalb Nachbesserungen. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Corona-Krise die Bedeutung der Rehabilitationseinrichtungen für die Stabilität der medizinischen Strukturen gezeigt hätte. „Anders als in vielen Ländern der Welt, haben in Deutschland – auch dank der Reha-Einrichtungen – keine Corona-Patienten in der Turnhalle liegen müssen“, betont Ludwig. Innerhalb weniger Wochen seien bis zu 200000 Reha-Betten für die Versorgung von Corona-Patienten bereitgestellt worden – ein Teil davon auch als Beatmungs- und Intensivbetten. „Ich denke, dass die Krise aufgezeigt hat, dass das Thema Bettenabbau im deutschen Gesundheitssystem vom Tisch sein muss“, findet er.