Staudach-Egerndach – Stephanie Thatenhorst (43) richtet als Innenarchitektin weltweit Räumlichkeiten ein. Selbst während der Corona-Krise ist die 43-Jährige so gefragt, dass sie ihren Mitarbeiterstamm ausbauen konnte. Ursprünglich stammt sie von einem Bauernhof in einem kleinen Weiler. In ihrem Heimatort hat sie eine Scheune am Hof ihrer Eltern renoviert. Ein Projekt, mit dem sie international viel Anerkennung erfahren hat.
Nach dem Abi
nach Australien
Nach dem Abitur geht es für Thatenhorst als Au-Pair nach Australien. Dort entdeckt sie über ihren Gastvater die Architektur als Leidenschaft. Nach ihrer Rückkehr studiert sie das Fach in München, lernt dort auch ihren Mann, der Gastronom ist, kennen. Da lag es natürlich nahe, dass sie seine Restaurants gestaltet.
Mit Erfolg: Ihr Design spricht sich rum und macht Thatenhorst als Innenarchitektin immer bekannter. Heute arbeitet sie in der ganzen Welt, gestaltet Privathäuser, aber auch Arztpraxen und Hotels. Derzeit hat sie 16 Beschäftigte.
Als der Suche nach einem Wochenenddomizil kommt die alte Scheune auf dem Hof ihrer Eltern im Chiemgau ins Spiel und wird ihr neues Projekt. Unscheinbar mutet das Gebäude an, doch dahinter verbirgt sich eine Wohnung, die schon in zahlreichen Einrichtungs-Magazinen zu sehen war.
Statt eines sterilen Design-Tempels lebt dort eine Familie – und das sieht man auch: von den Turnschuhen an der Tür bis zu den Notizen und Kochbüchern auf dem Tresen. „Tatsächlich nutze ich die Scheune für Kundengespräche und als Showroom. Dass wir hier leben, will ich gar nicht verheimlichen. Im Gegenteil.“
In den Details steckt moderne Schlichtheit: Türen ohne Rahmen, unaufdringliche schwarze Lichtschalter. Kontrastiert werden diese durch üppige und raumgreifende Objekte.
Eine gläserne Lampe, selbst schon fast ein Kunstwerk, beleuchtet den einfachen Estrichboden.
Mit Gegensätzen zu spielen und Tradition und Moderne zu verbinden, ist Ansatz vieler Architekten. Thatenhorst gelingt dies laut Branchenkennern auf stimmige und sanfte Weise.
Professorin Karin Sander vom Fachbereich für Innenarchitektur an der TH Rosenheim beschreibt das so: „Die Räume wirken konträr und harmonisch zugleich.“ Ohne perfektionistisch zu sein, aber dennoch „richtig.“ Kein Wunder, dass Thatenhorst für ihre Scheune mehrere Preise gewonnen hat, darunter den „German Design Award“.
Dass Thatenhorst keinen Mainstream machen will, führt auch zu Details, die viele vielleicht etwas unpraktisch finden könnten. Die Treppe ist luftig und wirkt wie eine Leiter. Aber eben ohne Handlauf. „Auch wenn ich das im Alter vielleicht bereue.“
Noch so eine Besonderheit ist die freistehende Badewanne im Schlafzimmer: Der Zulauf lässt sich nicht aus der Wanne heraus regulieren, sondern ist an der Wand montiert. Wenn gebadet wird, muss jemand anderes das Wasser aufdrehen. Manch einer mag das exzentrisch finden.
Ästhetisches
Störgefühl
Dabei gehe es ihr gar nicht so sehr um Luxus, eher um ein ästhetisches Störgefühl: „Auch eine einfache Berghütte kann stimmig sein“, sagt Thatenhorst.
Mitunter ist ihr Anspruch nach eigenen Angaben zwar eine Herausforderung für die Handwerker, mit denen sie zusammenarbeitet. Aber: „Das funktioniert nur, wenn man mit den Menschen vernünftig und auf Augenhöhe spricht. Und wenn man Ahnung hat.“
Auch Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer, plädiert für den Ausbau von bestehenden Immobilien. Thatenhorst sieht täglich Möglichkeiten dazu auf ihrer Joggingstrecke: „Da gibt es noch einige Scheunen mit Potenzial!“ Heidi Geyer