Dr. Thomas Geppert
Geschäftsführer DEHOGA Bayern
Rechtmehring/Albaching – Ein Dorf ohne Wirt: Seit Mai gilt dies auch für Rechtmehring. Der Postwirt hat schon seit vielen Jahren zu, Ende April hat die Pächterin des Kirchenwirts aufgehört, bedauert die Brauerei Unertl aus Haag. Warum es so schwer ist, Wirte aufs Land zu holen.
Eigentümer Lois Unertl, Junior-Chef der Brauerei Unertl, sucht verzweifelt eine Nachfolge für sein Wirtshaus. Bisher erfolglos – dabei ist Unertl sogar bereit, das Haus nach den Wünschen des neuen Pächters umzugestalten. Stehtische, ein anderer Stammtisch, ein kleiner Biergarten: All das wäre denkbar, ergänzt Senior-Firmenchefin Betti Unertl. Am liebsten wäre den Eigentümern ein Wirtshaus bayerischer Art, aber wir sind für alles offen, so einhellig die Familie. „Denn wir sind ja Bräu und kein Wirt“.
Problem: kein
40-Stunden-Job
Ihr Wunsch: dass die Gaststätte nicht nur am Wochenende offen ist, „wir wollen für die Dorfkultur einen Beitrag leisten, denn Rechtmehring hat ein Wirtshaus verdient“. Lieber seien es ein paar Euro weniger Pacht – und „Pächter und Dorf sind zufrieden“, so der Gedanke.
Doch der Gastraum mit seinen 50 Sitzplätzen und der Saal stehen leer. Etwa 200 Gäste haben hier früher gefeiert und getanzt – etwa beim Landjugendball. Auch Hochzeiten fanden statt. Die Vereine führten hier ihre Versammlungen durch.
Warum ist es so schwierig, einen Pächter zu finden? „Wirt sein ist halt nicht jedermanns Sache“, ist sich die Familie Unertl einig. In der Gastronomie gebe es für einen Pächter keine 40 Stunden-Woche. „Den Leuten ist es lieber, am Freitagnachmittag ins Wochenende zu gehen und nicht für ein paar Gäste da sein zu müssen.“
Früher, weiß Alois Unertl senior, war der Kirchenwirt oft rappelvoll. Sein Vater kaufte das Anwesen Anfang der 1970er-Jahre. „Er sah darin eine gute Möglichkeit zur Sicherung des Absatzes unserer Biere, denn zu dieser Zeit war bereits nachmittags die Gaststube gut besucht, am Abend war sie voll und die Bierkühlung war oft schneller leer als gedacht.“ Nach einigen Pächterwechseln wurden die Umsätze in den vergangenen Jahren immer geringer. Die Unertls führen dies vor allem auf die „gewaltigen Veränderungen im Ausgeh- und Trinkverhalten der Bevölkerung“ zurück. Jetzt kam noch der Lockdown dazu, die Gasthäuser leiden noch immer unter den Hygieneauflagen. Es ist ungewiss, wie es weitergeht.
„Wir werden in dieser sehr schwachen Zeit nichts übereilen, das Gebäude sanieren und reparieren und weitere Veränderungs- oder Verbesserungsmaßnahmen in Absprache mit dem neuen Betreiber durchführen“, sagt der Seniorchef der Brauerei Unertl. Und hofft weiterhin, dass der alte Gasthof wieder ein Treffpunkt mit guter Küche für Veranstaltungen, Feiern und eventuell Kleinkunst wird.
Die Ausgehkultur
hat sich verändert
So wie Unertl kämpft auch die Privatbrauerei Gut Forsting um den Erhalt der eigenen Gasthöfe. Vier sind im Bestand, der Kreuzwirt in Albaching wird nun aufgegeben. Das sanierungsbedürftige Gebäude soll abgerissen werden und einem neuen Mehrfamilienhaus weichen. Brauereichef und Vorstandsmitglied Georg Lettl spricht von einem „traurigen“ Vorgang. Doch die auch dem Brandschutz geschuldeten notwendigen hohen Investitionen in das alte Haus in Höhe von bis zu einer halben Million Euro hätten eine Pachterhöhung zur Folge gehabt. Das gebe die Gastronomie mittlerweile leider nicht mehr her, so Lettl.
Gut Forsting hat noch eine Gaststätte, die an einen Motorradclub als Vereinsheim verpachtet wurde, den gut laufenden Brauereigasthof in Forsting und ein Bierstüberl in Steinhöring. Als Grund für die Probleme der Brauereien, Pächter für ihre Häuser zu finden, nennt Lettl die Tatsache, dass sich die Wirtshauskultur verändert habe. „Früher waren die Stammtische ständig besetzt, die Leute haben abends ihr Bier getrunken und geratscht. Heute gehen die Leute noch ab und an zum Essen, aber den abendlichen Wirtshausbesuch gibt es so nicht mehr.“