Firmengeschichte

Endgültiges Ende der Ära Systemform

von Redaktion

Swiss Post Solutions (SPS) stellt Produktionsbetrieb in Prien Ende August ein

Prien – Nächste Hiobsbotschaft für den Gewerbestandort Prien: Nach dem Verkauf der Maschinenbaufirma Hefter und der Ankündigung der Schön-Klinik-Gruppe, ihre Zentralverwaltung aus Prien abzuziehen, beendet die Swiss Post Solutions (SPS) die Produktion am Standort Prien. Die Nachricht ist gleichbedeutend mit dem Aus für die „Systemform“ – ein Unternehmen, das in Prien unter diesem Namen die wirtschaftliche Entwicklung seit der Nachkriegszeit maßgeblich mitgeprägt hat. Die OVB-Heimatzeitungen sprachen mit Michael Auerbach, CEO des SPS-Konzerns.

Welche Gründe sind für die Schließung des Standorts Prien maßgeblich?

Der Bereich Document Output (DOP) von Swiss Post Solutions (SPS) konnte sich in den letzten Jahren durch Standardisierungen und Prozessverbesserungen weiterentwickeln und so die Servicequalität gegenüber den Kunden stetig verbessern. Der digitale Wandel führt jedoch zu einem signifikanten Rückgang des physischen Outputs in Deutschland und somit auch bei SPS.

Zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist es daher notwendig, die Kapazitäten zu konsolidieren. Hierzu zählt unter anderem die strategische Entscheidung, den SPS-Standort in Dettingen zu stärken und bis Ende August die Druck- und die Kuvertierungs-Aktivitäten aus Prien in Dettingen zu konsolidieren.

Ist Prien zugunsten anderer SPS-Standorte quasi geopfert worden?

Im Zuge der notwendigen Konsolidierung haben wir uns für den Standort in Dettingen entschieden. Diese Entscheidung haben wir getroffen, da der Standort in Dettingen sowohl bezüglich der infrastrukturellen Anbindung als auch der baulichen Ausstattung über bessere Voraussetzungen verfügt.

Wir sind uns bewusst, dass es sich hierbei um eine einschneidende Maßnahme handelt, mit der wir jedoch den Geschäftsbereich DOP´gezielt stärken und uns bei SPS für die Zukunft rüsten.

Wesentliche Pfeiler des Geschäfts am Standort Prien waren die elektronische Gesundheitskarte und Mailings für Kunden, vornehmlich aus der Gesundheitsbranche. Warum hat sich die Auftragslage in diesem Bereich in jüngerer Vergangenheit offenbar deutlich verschlechtert?

Am Standort in Prien zählte unter anderem die Produktion der Gesundheitskarte zum Hauptgeschäft. Mit der Einführung der chipbasierten Karte und der dazu notwendigen Software haben sich die Voraussetzungen am Markt jedoch grundlegend geändert. Als lokaler Anbieter ist es auf dem Weltmarkt nicht möglich die notwendigen Mengen an Chips wirtschaftlich abzurufen. Hinzu kommt der Wettbewerb über die verschiedenen Ausschreibungszyklen, die zu einem Preisverfall geführt haben, sodass mittlerweile nur noch zwei Kartenhersteller und zwei Personalisierer am Markt sind. Bereits 2015 wurde der Branchenfokus Gesundheitswesen für den Standort Prien aufgegeben und Prien wurde zum Produktionsstandort für DOP Deutschland. Neben dem Preisdruck bei Ausschreibungen führte der strategische Fokus von SPS Deutschland dazu, dass 2018 die Entscheidung getroffen wurde, die Kartenproduktion einzustellen.

Gab oder gibt es keine alternativen Arbeitsbereiche, mit denen der Standort Prien diesen Rückgang kompensieren konnte?

Nein, der Standort in Prien ist für den spezifischen Bereich Transaktionsdruck ausgelegt.

Was passiert mit den Mitarbeitern, wie viele sind es, gibt es einen Sozialplan?

Zuletzt waren es am Standort in Prien circa 55 Mitarbeiter. Trotz der sukzessiven Verlagerung der Aufträge nach Dettingen bleiben am Standort Prien noch circa 18 Arbeitsplätze erhalten. Für die Mitarbeiter in Prien, die nicht in der Produktion beziehungsweise in damit zusammenhängenden Stellen arbeiten, wurde in Prien ein neuer Bürostandort angemietet. Wir freuen uns sehr, weiterhin Mitarbeiter in Prien zu beschäftigen.

Interview: Dirk Breituß

Einst fast 400 Mitarbeiter

1964 von Peter K. Schuri und Rudi Sturm als Endlosdruckerei für Geschäftsdrucke auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes an der Carl-Braun-Straße gegründet, wuchs die Systemform rasant. Allein für die Volkszählung 1970 in der Bundesrepublik produzierte das Unternehmen eine Million Fragebögen. 1972 entstand ein 7500 Quadratmeter großes Betriebsgebäude an der Hochriesstraße.

1976, inzwischen unter dem Mehrheitseigner Papierwerke Waldhof Aschaffenburg (PWA), beschäftigte die Systemform 380 Mitarbeiter. 1985 verließ nach Schuri mit Sturm auch der zweite Gründer das Unternehmen.

In den 1990er- Jahren entwickelte sich mit der Einführung der Krankenversicherungskarten die neue Systemform Mediacard GmbH. Seit 2013 firmiert das Unternehmen offiziell unter dem Dach der Swiss Post Solutions. Zu dieser Zeit hatte es an den Standorten Hallstadt bei Bamberg und Prien zusammen noch rund 200 Mitarbeiter.

Vor fünf Jahren waren es noch gut 100.

Seitdem ist die Mitarbeiterzahl kontinuierlich gesunken auf jetzt noch 55 in Prien. db

„Schmerzlicher Verlust von rund 80 Arbeitsplätzen“

Mit Bestürzung haben Vertreter der örtlichen Wirtschaft und Politik auf die Ankündigung des Unternehmens reagiert, den Betrieb Ende August einzustellen. Dr. Herbert Reuther, Vorsitzender des Gewerbevereins PrienPartner, äußert „großes Bedauern“ über die Schließung. „Seit Mitte der 60er-Jahre haben die ,Systemformler‘ das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Prien mitgeprägt. Ohne die genauen Hintergründe zu kennen, könnte dies auch ein Fingerzeig sein, dass die Geschäftswelt die neuen Herausforderungen annehmen, sich ihnen stellen und versuchen muss, diese zu bewältigen. Die Geschäftswelt muss sich ändern, damit sie bleibt, wie sie ist. Wir hoffen, dass die Mitarbeiter den Verlust des Arbeitsplatzes gut überstehen und möglichst bald wieder einen neuen Arbeitsplatz finden.“

Auch Priens Bürgermeister Andreas Friedrich zeigte sich betroffen: „Die Aufgabe des Priener Standortes bedeutet für uns den schmerzlichen Verlust von rund 80 Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe. Ein Wirtschaftszweig, der in unserer Gemeinde ohnehin recht spärlich besetzt ist.“ Dass die Firma SPS auch künftig im Gemeindegebiet ein Büro mit bis zu 18 Mitarbeitern betreiben werde, sei nur ein schwacher Trost. Die einzige halbwegs erfreuliche Information sei gewesen, dass für das Gebäude bereits eine Nachnutzung gefunden werden konnte – „allerdings mit künftig wesentlich weniger Beschäftigten“. Friedrich: „Den betroffenen Mitarbeitern wünsche ich – auch im Namen des Marktes Prien – dass jeder in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten möglichst schnell eine neue berufliche Perspektive findet.“ db

Artikel 5 von 6