Prien – Den Mauerfall in Berlin oder den Konkurs seines Arbeitgebers – Michael Kappelmaier (62) hat in seinem Berufsleben viel erlebt. Der Wendepunkt war jedoch, als er für eine Mark die Firma kaufte, in der er damals angestellt war. Mit Erfolg: Die Firma Systemform Datenbelege GmbH beschäftigt heute an der Hochriesstraße 42 Mitarbeiter, die unter anderem Versicherungsanträge, Laborbelege oder auch Rezeptblöcke für rund 50000 Kassenärzte herstellen.
Angebot löst wenig
Begeisterung aus
Ende der 80er-Jahre kommt Michael Kappelmaier zur Systemform: „Ich habe als Schriftsetzer angefangen und wollte mich weiter entwickeln.“ Die Firma macht ihm das Angebot, für drei Jahre an den Standort West-Berlin zu gehen. Eine Idee, die bei Kappelmeier und seiner Frau zunächst auf mäßige Begeisterung stößt. Nach einem Besuch lassen sie sich doch locken – und erleben ab 1987 die vermutlich spannendsten Jahre in der Geschichte der heutigen Hauptstadt.
Ein Wagnis
mit Rückenwind
Zurück in Prien wird Kappelmaier Stellvertreter in den technischen Abteilungen, übernimmt verschiedene Projekte. 1997 kommt es bitter für die Beschäftigten: Die Firma meldet Konkurs an. Kappelmaier wird kommissarischer Leiter der Druckerei. Der Käufer signalisiert, dass er in der Druckerei langfristig keine Zukunft sieht. Kappelmaier ist hingegen überzeugt von der Kompetenz und Leistungsfähigkeit der Mannschaft.
Er bietet an, für eine Mark die Firma zu übernehmen. Zum 1. Januar 2002, inzwischen zu Eurozeiten, wird er dann Eigentümer des Teilbereichs der Systemform: „Das war schon ein Wagnis, wobei ich immer wusste, dass ich eine sehr gute Mannschaft hinter mir habe.“
Ein Wagnis, das sich für ihn und die Beschäftigten noch heute lohnt. Auch wenn die Digitalisierung und die Vision vom papierlosen Büro zunächst für den Betrieb ein Risiko sein könnte. Denn das Geschäftsmodell der Firma ist die Aufwertung von Papier durch Funktion: „Das kann ein Durchschlag sein, aber auch spezifischere Anwendungen wie Barcodes“, sagt der 62-Jährige. Systemform Datenbelege verknüpft Papier und digital: Beispielsweise bestellt ein Kunde einen Bogen, den Patienten im Krankenhaus bei der Aufnahme bekommen. Auf diesem sind Barcodes und Aufkleber, die benutzt werden, um Blut- und Urinproben zuordnen zu können.
Systemform stellt davon einen Teil selbst her, arbeitet aber hauptsächlich mit spezialisierten Zulieferern im Hintergrund. „Ich behaupte, dass es in Deutschland keinen vielseitigeren Lieferanten gibt als uns“, sagt Kappelmaier. Preisführer könne und wolle die Firma nicht werden. Stattdessen entwickle sie sich zum Systemlieferanten.
Vom ursprünglichen Systemform-Konglomerat, das Kappelmaier noch aus seinen ersten Berufsjahren kennt, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Kürzlich kündigte die Swiss Post Solutions, die Teile des Ursprungsunternehmens übernommen hatten an, den Produktionsstandort bis auf knapp 20 Büroarbeitsplätze zu schließen. „Das schmerzt schon“, sagt Kappelmaier, „schließlich kenne ich auch viele der Beschäftigten persönlich.“
„Wir denken
in Generationen“
Corona habe nur relativ glimpfliche Spuren bei Kappelmaiers Firma hinterlassen. Auf die Erfahrung seiner Mitarbeiter legt er Wert und von dieser lebt er. Eine Tatsache, die sich auch auf die Unternehmenskultur auswirkt: „Wir denken anders, als ein Konzern, nicht nur in Quartalsabschlüssen, sondern in Generationen.“
Der Chef selbst zieht sich bereits schrittweise aus dem operativen Geschäft zurück. Sein Sohn Felix (32) ist neben Tobias Rohleder der dritte Geschäftsführer und wird in die Fußstapfen seines Vaters treten. Ob er es als Bürde empfunden habe, als „der Sohn vom Chef“ anzutreten? „Ich glaube, das war nicht der Fall, und mein Vater hat auch darauf geschaut“, sagt Felix. Ihm sei es wichtig, mit seiner Kompetenz zu überzeugen und nicht mit seinem Namen.