Edling – In den deutschen Handwerksbetrieben ist nur jeder fünfte Azubi eine Azubine. Nicht bei der Schreinerei Grandl in Edling. Von drei Lehrlingen sind zwei Frauen, eine dritte wird im nächsten Ausbildungsturnus in zwei Jahren eingestellt. Birgit Hengstberger (20) aus Edling und Luisa Schmidt (18) aus Ebersberg bereichern das Team des Betriebes im Sonnenpoint, der auf Sauna- und Innenausbau spezialisiert ist.
„Eine Mischung von Männern und Frauen ist für das Betriebsklima förderlich“, findet Chefin Petra Grandl. „Sind Mädels im Team, reißen sich die Burschen besser zam, auch beim Umgangston“, sagt sie augenzwinkernd.
Handwerk immer
noch Männerdomäne
Im Handwerk arbeiten in Deutschland mehr Männer als Frauen. Laut Statistik des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) sind 36 Prozent aller im Handwerk beschäftigten Personen Frauen. „Es ist immer noch eine Männerdomäne“, sagt Mirjana Berndanner, stellvertretende Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Rosenheim auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. „Der Gender Gap wird sich auch nicht so schnell schließen. Aber es ist immer wieder toll, bei den Freisprechungen zu sehen, dass Mädchen dabei sind, zum Beispiel haben wir kürzlich vier Elektrikerinnen verabschiedet“, so Berndanner.
„Das Vorurteil, man könne als Schreiner keine Frau einstellen, weil die körperliche Arbeit viel zu schwer sei, ist überholt“, sagt Firmenchef und Innenausbau-Spezialist Sebastian Grandl, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Cousin Martin Grandl betreibt, der den Bereich Saunabau als Experte abdeckt.
In Zeiten der Automatisierung und Digitalisierung sei die vermeintliche körperliche Unterlegenheit von Frauen längst kein Argument mehr, denn vielerlei Arbeit werde durch technische Hilfsmittel vereinfacht, wie Petra Grandl ergänzt.
Körperliche Fitness bleibt ein relevanter Faktor. „Aber die Arbeit bewegt sich in einem Rahmen, den eine gesunde Frau leisten kann“, ist sie überzeugt. Als Schreinerin braucht man außerdem ein gewisses Maß an kognitiven Fähigkeiten und technischem Verständnis. Und natürlich handwerkliches Geschick.
Das haben Luisa Schmidt und Birgit Hengstberger bereits im Praktikum unter Beweis gestellt. „Als die Luisa in der Realschulzeit als Praktikantin da war und sich schon gut mit den Maschinen auskannte, haben die Männer gesagt: ,Woher kannst jetzt das scho wieder?‘“ Ja, vom Opa halt. Luisas Großvater hat eine Werkstatt, Maschinen, die man zur Holzarbeit braucht, und sie werkelt seit jeher gerne mit. „Unsere Männer im Team sagten, ,ja, wenn wir die nicht nehmen, wissma‘s auch nicht‘ “, erinnert sich Chefin Petra Grandl lachend.
Und wenn der Luisa wirklich mal was zu schwer ist, wie etwa im Saunabau, wo Mitarbeiter schon mal mit zwei Meter langen Holzelementen hantieren, „dann muss ich halt was sagen, dann helfen mir die Jungs auch“. So einfach ist das.
Die zweite Auszubildende im Team, Birgit, hat während ihrer Zeit in der FOS auch schon im Metallbau ein Praktikum absolviert. Doch der Werkstoff war ihr einfach „zu kühl“.
Körperlich arbeiten, das kann sie. Daheim habe sie schon mal geholfen, ein Dach aufzulatten –reine Zimmererarbeit. „Das ist mir aber zu heftig. Und ich bin auch recht verfroren und hier in unserer Werkstatt ist es schön warm – und es riecht so gut nach Hölzern“, schwärmt Birgit. Ihr Chef muss grinsen.
Nach dem Fach-Abi wollte die 20-Jährige eine Pause von der Paukerei, darum kam ein Studium zunächst nicht infrage. Ein Bürojob aber auch nicht. Die Edlingerin liebt es, „ein Produkt zu erschaffen und bei allen Arbeitsschritten dabei zu sein. „Am schönsten ist es, am Ende den Corpus zusammenzubauen.“
Was nach der Lehre kommen soll? Das weiß Birgit noch nicht. „Ich konzentriere mich erst einmal auf meine Ausbildung, dann kann ich mich sammeln und in Ruhe erwachsen werden.“
Eine Verkürzung der Lehrzeit komme für sie nicht infrage. „Gerade in der Corona-Pandemie stellt man sich da selbst ein Bein. Durch den Lockdown fehlt uns allen einiges an Unterricht an der Berufsschule. Hier dann auch noch zu verkürzen, wäre nicht klug“, findet Birgit Hengstberger. Schließlich wolle sie den Gesellenbrief „nicht irgendwie schaffen, sondern g’scheit“.
Ihre jüngere Kollegin Luisa Schmidt sagt von sich, sie sei ein aktiver und praktischer Typ – auch nicht für einen Job am Schreibtisch gemacht. „Ich kann hinlangen, so bin ich erzogen. Und Holz ist so ein schöner Werkstoff. Daheim in der Familien-Werkstatt stelle ich zum Beispiel Weihnachtsgeschenke selbst her.“
Petra Grandl freut es sehr, wie sie sagt, dass die Bereitschaft und Offenheit der Belegschaft – die beiden jungen Frauen einzustellen – so groß war. „Da weiß man, dass es richtig ist“, sagt die Vorgesetzte. In der Planungsabteilung arbeite auch eine Frau. Eine Schreinerin, die „tolle Entwürfe und Kundenzeichnungen macht. Sie bereichert das Team, sieht Dinge anders als die Männer und kommuniziert sie. Das tut dem Klima gut.“
Der Fachkräftemangel ist längst auch im Schreinerhandwerk angekommen – und der Nachwuchs wird weniger. Die Bewerbungen seien rückläufig. „Vor fünf Jahren hatten wir eine große Auswahl, das ist vorbei“, sagt Sebastian Grandl. Daher startet sein Betrieb zum Tag des Schreiners mit einem Imagevideo an Schulen und lädt kleine Schülergruppen zu Führungen ein, auch Erziehungsberechtigte sind explizit aufgerufen, zu kommen. „Bei den Eltern einen Fuß in die Tür zu bekommen, ist sehr wichtig, darum sind Berufsorientierungsaktionen an Schulen unverzichtbar“, sagt Mirjana Berndanner von der Kreishandwerkerschaft.
Volle Auftragsbücher
in der Pandemie
Auch habe sich jetzt in der Corona-Krise gezeigt, dass Handwerk „nicht nur goldenen Boden“ habe, sondern auch bodenständig sei. „In kleineren familiären Betrieben gab es einen sehr starken Zusammenhalt. Hier mussten die wenigsten ihre Leute ausstellen. Das sah in großen Firmen anders aus, trotz aller staatlicher Hilfen“, so Berndanner. Und viele Branchen, die sich rund ums Haus drehen, Innen- oder Außenbereich, hatten auch zur Corona-Zeit volle Auftragsbücher.
Wie auch die Schreinerei Grandl in Edling. Zwar seien ein paar große Aufträge weggebrochen. „Aber wir hatten so viele in der Pipeline, die konnten wir vorziehen. Teilweise mussten wir auf Material warten. Aber jammern dürfen wir nicht. Kein Angestellter musste heimgeschickt werden“, ist Sebastian Grandl sichtlich froh.