Rosenheim – Ob Kleinbrauerei mit 600 Hektolitern oder alteingesessene Mittelstandsbrauerei mit einem Jahresabsatz von über 100000 Hektolitern Bier: Die Absage zahlreicher Feste im Sommer und die erneute Schließung aller Gastro-Betriebe und Hotels im zweiten Lockdown dieses Jahres trifft die Branche der heimischen Brauer hart. Dr. Lothar Ebbertz, Hauptge-schäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, stellt fest, „dass der bayerischen Brauwirtschaft heuer allein bis Ende September 600000 Hektoliter oder 60 Millionen Mass Gesamtabsatz fehlen“. Die OVB-Heimatzeitungen haben sich in der Region umgehört, wie sich die lokalen Brauereien in der Krise behaupten und mit dem erneuten Lockdown umgehen.
„Soforthilfe“
in Flaschenform
Von einem „mittleren fünfstelligen Umsatzrück-gang“ berichtet Edmund Ernst. Er ist Geschäftsführer der mit zwei Mitarbeitern kleinsten Regionalbrauerei, dem Baderbräu in Schnaitsee. Den ersten Lockdown im Frühjahr haben er und sein Team dank Soforthilfen und der guten Biergartensaison „halbwegs gut überstan-den“, bitter sei dagegen die Absage des Brauereifestes im 15. Jubiläumsjahr und des Christkindlmarkts in Wasserburg als „Rettungsanker“ gewesen. Durch die Mehrproduktion und Bewerbung von Flaschenbier habe man versucht, Absatzausfälle beim Fassbier auszugleichen, das mehr als ein Drittel der Produktion ausmacht. Ein kreativer „Verkauf ab Rampe“ zusammen mit Ölen und Likören sowie „Corona-Soforthilfen in Flaschenform“ seien bei den Kunden gut angekommen.
Ein „unverantwortliches Wechselspiel mit fast täglich anderen Verordnungen“, kritisiert Roland Bräger, Direktor der Brauerei Maxlrain. Von den großen Festveranstaltungen konnte heuer nur der Handwerker- und Trachtenmarkt stattfinden, deshalb sei man sehr zurückhaltend für 2021 „bis wir Gewissheit haben, was stattfinden kann“. Dank der Kompensation von Absatz-einbrüchen im Bereich Export und bei den zahlreichen Gastronomiebetrieben durch gestiegenen Heimkonsum habe man im abgelaufenen Geschäftsjahr zum 30. September eine „schwarze Null erreicht“. Zwei Drittel des Umsatzes macht Maxlrain mit dem Handel. Mit Pachterlass und einem Konjunkturpaket inklusive Einkaufsgutscheinen habe man die Gastronomie nach dem ersten Lockdown erfolgreich unterstützt.
Mit einem Umsatzzuwachs von rund fünf Prozent „sind wir im abgelaufenen Geschäftsjahr gut durch das Pandemiegeschehen gekommen“, bilanziert Andreas Steegmüller-Pyhrr, Geschäftsführer von Flötzinger Bräu in Rosenheim. Der Grund dafür seien gute Zu-wächse im Handel, der zwei Drittel des Geschäfts ausmacht, und die weitere Expansion im bundesweiten Markt. „Sogar in Bremerhaven wird Flötzinger getrun-ken.“ Aufgrund „extremer Spitzen im Sommer“ habe man sogar die Mitarbeiterzahl aufgestockt. „Ein Super-Gau wäre es“, so Steegmüller-Pyhrr, aufgrund der hohen Vorinvestitionen, wenn im kommenden Jahr das Rosenheimer Herbstfest als bedeutender Um- und Absatzgarant zu kurzfristig abgesagt werden würde.
„Die Gastronomie als Partner ist ein entscheidendes Standbein für uns als Brauerei“, sagt Dirk Steinebach, Geschäftsführer von Auerbräu in Rosenheim. Deshalb erfülle ihn die Aussage des Hotel- und Gaststättenverbands mit Sorge, dass 25 bis 30 Prozent der Gastro-Betriebe durch einen möglicherweise langen zweiten Lockdown Existenznöte befürchten. Mit einer kostenlosen Bierrückholaktion während der Schließungsphase und einer Freibieraktion als „Starthilfe“ zur Wiedereröffnung nach dem ersten Lockdown habe die Brauerei im Frühjahr einer Großzahl von Wirten unter die Arme gegriffen. Angesichts von jährlich gut 300 Festen und zahllosen Ausfällen im Corona-Jahr blicke man bei Auerbräu „mit sehr gemischten Gefühlen“ auf die kommende Festsaison.
Bei einem der letzten reinen Weißbierbrauhäuser der Region, der Familienbrauerei Unertl in Haag, sei bis Oktober noch alles im Lot gewesen, erzählt Braumeister und Geschäftsführer Alois Unertl IV. „Seit November befindet sich der Markt für Weißbier im freien Fall, uns fehlt die Hälfte des Umsatzes, das tut weh.“ Mit dem Rückkauf von Fassbier und einer öffentlichen Verschenkaktion für einen guten Zweck habe die Brauerei im Frühsommer von einer „großen Sympathiewelle profitiert“. Unverständnis zeigt er für die erneute Schließung der Gastronomie im zweiten Lockdown trotz hervorragender Hygienekonzepte. „Das treibt die Leute in die völlig unkontrollierbare Schwarzgastro-nomie in Bauwägen, Hütten, Garagen und Partykellern, wo Infektionen nicht beherrschbar sind.“
Unterstützung
nach Rekordsommer
Von einem „sehr schwierigen Jahr“, Kurzarbeit und Umsatzeinbrüchen bis zu 30 Prozent berichtet Bräu Maximilian Sailer vom Hofbräuhaus Traunstein. 70 Prozent des Geschäfts macht die mittelständische Brauerei mit Wirten aus der Region, in ganz Deutschland, Österreich, Südtirol und Italien. Der Lockdown und massenhaft abgesagte Vereins-, Gau- und Volksfeste hätten den Absatz stark gedrückt, trotz des „rekordverdächtigen Sommers mit vielen Touristen“ und des überdurchschnittlichen Geschäftszuwachses in Getränkemärkten.
Mit Pachterleichterungen sowie Hilfe bei der Ausarbeitung von Geschäfts- und Hygienekonzepten sowie Unterstützungsanträgen habe man im Frühjahrs-Lockdown den Wirten unter die Arme gegriffen. „Jetzt ist vor allem moralische und fachliche Unterstützung für die zweite, voraussichtlich lange Schließungsphase gefragt.“