Faden gerissen: Leo Dirndl vor dem Aus

von Redaktion

Interview Renate Hundhammer muss coronabedingt zusperren – Schneiderei bleibt

Bad Aibling – Keine Feste, keine Feiern, wer braucht da ein neues Dirndl? Vor allem das Schneiderhandwerk trifft die Corona-Pandemie hart. Nun steht die Maßschneiderei „Leo Dirndl“ für traditionelles Trachtengwand in Moos bei Bad Aibling vor dem Aus: Für den Betrieb von Renate Hundhammer standen die Zeichen für einen „Fadenriss“ allerdings schon nach dem ersten Lockdown im Frühjahr fest. Über die Gründe spricht die 50-jährige Schneiderin im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen.

Leo Dirndl steht vor dem Aus – warum?

Feste und Trachtlerveranstaltungen sind Corona bedingt seit dem Frühjahr ausgefallen, dadurch sind uns alle Aufträge weggebrochen. Deshalb konnte ich nicht mehr meine Angestellten beschäftigen und ich musste zusperren.

Wie war die Situation in Ihrem Betrieb vor dem ersten Lockdown? Wie viele Angestellte hatten Sie?

Mit den 450-Euro-Kräften waren wir bis zum Lockdown elf Mitarbeiter. Es lief eigentlich völlig normal, zwar sind die Monate Januar und Februar immer etwas mau, aber mit Hochzeiten, Erstkommunion und Firmungen zum Beispiel lief das Geschäft normalerweise ab März richtig an. Es gab heuer aber weder Märkte, Messen oder andere Großveranstaltungen, bei denen wir mit Ständen in der Regel vertreten sind. Im April hätten wir auf einem Volksfest eine große Modenschau gehabt, die fiel natürlich auch aus.

Wie groß war vorher der durchschnittliche Umsatz im Jahr? Wie viele Dirndl haben Sie produziert?

Unser Umsatz vor Steuern lag bei etwa 130000 Euro. Pro Jahr habe ich etwa 300 Etiketten gekauft, die haben wir auch gebraucht.

Wie hat sich Ihr Geschäftsmodell entwickelt? Welche Idee steckt dahinter?

Ich bin gelernte Schneiderin, es war schon immer mein Traum, mit einem Schneiderbetrieb auf eigenen Füßen zustehen. Deshalb war ich vor der Gründung von Leo Dirndl in Aibling mit Renates „Nähkästchen“ als Schneiderin mit einem festen Kundenstamm aktiv, von 2005 bis 2008. Ich habe mein Geschäft dann nach Moos verlegt, weil ich nebenbei meinem Mann in der Landwirtschaft helfen wollte. Daraus wurde aber nichts, weil es die gute Auftragslage nicht zuließ. Deshalb gab mein Mann 2010 die Nebenerwerbslandwirtschaft auf, sodass wir die Stallungen zum Ladengeschäft umbauen konnten. Eigentlich wollte ich solch einen Betrieb alleine bewältigen, das hat aber vom ersten Tag an nicht funktioniert. Ich habe eine Kollegin angestellt und Schritt für Schritt ist der Betrieb anschließend gewachsen. Im kommenden Jahr hätten wir unser Zehnjähriges gefeiert.

Wie haben Sie die Kolleginnen für Ihr Projekt interessieren können?

Wir waren zuvor Arbeitskolleginnen. Ich war vor meiner Selbstständigkeit in einem Reinigungsbetrieb mit Änderungsschneiderei angestellt. Ich habe gewusst, wie sie arbeiten. Einige Kolleginnen wurden dort ausgestellt, ich habe sie eingestellt. Da waren wir schon zu viert.

Haben Sie groß Werbung machen müssen, oder wurde der Betrieb zum Selbstläufer?

Werbung haben wir schon in Medien geschaltet, aber unser Vorteil war, dass unser Geschäft in Moos an der Straße zwischen Bad Aibling und Großkarolinenfeld liegt. Auch unsere Präsenz auf Messen und Märkten hat dazu beigetragen, dass unser Kundenstamm immer größer wurde.

Wie geht‘s jetzt weiter? Haben Sie finanzielle Verluste erleiden müssen?

Ja, schon. Unser Laden ist ja ausgebaut worden und unser Warenbestand wurde kontinuierlich aufgestockt. Unsere Investitionen müssen wir natürlich refinanzieren. Derzeit läuft der Räumungsverkauf. Meine Mitarbeiterinnen sind alle ausgestellt bis Ende des Jahres. Dann werden wir den Lockdown und die Auswirkungen abwarten müssen.

Werden Sie aufgeben oder sehen Sie einen Silberstreifen am Horizont?

Ich möchte jetzt versuchen, die Schneiderei noch alleine aufrechtzuerhalten, mit der Hoffnung auf wieder normale Zeiten. Dann möchte ich schon gerne mit Leo Dirndl weitermachen.

Interview: Ulrich Nathen-Berger

Düstere Prognose fürs Schneiderhandwerk

Ulrike Wenzel, Vorsitzende des Landesinnungsverbands des Maßschneiderhandwerks Bayern:

Dem Schneiderhandwerk geht‘s nicht gut. Schon nach dem ersten Lockdown im Frühjahr brachen Aufträge weg: Feste, Hochzeiten, Faschingsbälle, Modeschauen – das war alles abgesagt. Einige Betriebe konnten sich zum Teil mehr schlecht als recht mit der Herstellung von Mund-Nasen-Masken über Wasser halten. Das nächste Problem, das ansteht und auch schon greift: Weil viele Betriebe coronabedingt schließen müssen, finden Jugendliche keinen Ausbildungsplatz mehr im Schneiderhandwerk. Ich kann auch fürs kommende Frühjahr nur eine düstere Prognose stellen für unseren Bereich.

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