Corona löst kleinen Renovierboom aus

von Redaktion

Gute Auftragslage hat aufgrund von Lieferschwierigkeiten auch ihre Schattenseiten

Rosenheim/Wasserburg/Bruckmühl/Mühldorf/Albaching – „My home is my castle“: Im Lockdown gilt diese englische Weisheit erst recht. Wer viel daheim ist, bekommt Lust, das Zuhause zu verschönern. Ein Renovierboom, der dem Handwerk nicht nur volle Auftragsbücher beschert und den Baumärkten klingelnde Kassen, sondern auch seine Schattenseiten hat.

Der Hagebaumarkt hat im Verbreitungsgebiet der OVB-Heimatzeitungen drei Standorte: Wasserburg, Prien und Bruckmühl. Die stellvertretende Marktleiterin aus Bruckmühl, Marjetka Mikec, sagt, „man merkt, dass die Leute sich vermehrt selbst helfen, weil sie ja zwangsweise die Zeit dazu haben“. So kommen Heimwerker, um sich dafür zu rüsten, Laminat- oder Vinylböden zu verlegen, Regale zu bauen und zu weißeln. Auch die Gemüsebeet-Anpflanzer, die Hochbeet-Bauer und die Gewächshaus-Tüftler kaufen derzeit rege ein.

Heimwerker
kaufen fleißig ein

Ob die Pandemie tatsächlich zu einer Umsatzsteigerung führe, könne sie jedoch noch nicht sagen. „Heuer haben wir ja erst wieder seit 1. März regulär auf, die ersten beiden Monate waren nur für Gewerbetreibende offen.“ Ob man den Wegfall der Laufkunden kompensieren könne, sei fraglich.

Bernhard Christoph, Leiter des Hagebaumarkts in Wasserburg, freut sich über deutlich mehr Kunden, die sich zurzeit ihr Zuhause verschönern wollen. Er stellt fest, dass vor allem Malerfarben seit der Wiedereröffnung seines Baumarkts Anfang März besser verkauft wurden. „Auch Bauholz geht gut, Latten, Vierkanthölzer, Laminat.“ Auf fünf Prozent beziffert er das Plus, das Renovierungswillige dem Hagebaumarkt verschaffen.

Nachgefragt bei Frank Roth von der Unternehmenskommunikation von Hagebau Deutschland in Soltau sagt dieser, „im Pandemiejahr 2020 haben wir im Verkauf gut zugelegt.“ Mit Blick auf die bundesweiten Umsatzzahlen der Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH & Co. KG spricht er von einem Zuwachs im einstelligen prozentualen Bereich. Genaue Zahlen könne er noch nicht nennen. Das Jahr 2021 begann schließlich mit drei Monaten Lockdown. Von einem Renovierboom in der Pandemie wolle er jedoch nicht sprechen. „Doch gibt es eine deutlich gestiegene Nachfrage. Die Leute sitzen zuhause und packen Dinge an, die liegen geblieben sind, tapezieren, bessern Löcher in der Zimmerdecke aus, dekorieren. Dinge, die der Seele gut tun, sind derzeitgefragt.“

Bernhard Pointvogel, Inhaber von KKL Küchen in Teising, bestätigt den Renovierungsboom. „Die Küchenbranche hat einen Mehrumsatz von 18 bis 20 Prozent im vergangenen Jahr“, erklärt Pointvogel, auch das eigene Unternehmen bewege sich in diesem Rahmen. Das ist jedoch nur im ersten Moment eine gute Nachricht. „Der Mehrumsatz hat uns fast nur Probleme gebracht.“ Vor allem Lieferschwierigkeiten seien dadurch entstanden, was zu Unzufriedenheit bei den Kunden und zu vielen Nacharbeiten durch Monteure geführt habe. „Dadurch könnten wir auch kaum etwas in Gewinn umwandeln“, erklärt Pointvogel.

Grundsätzlich gut ausgelastet – unabhängig von der Pandemie – ist die Roland Edl GmbH in Wasserburg. Für den Bereich Gas-, Wasser-, Sanitär- und Heizungs-Installation habe sich die Auftragslage im vergangenen Jahr wegen Corona nicht verändert, stellen die beiden Geschäftsführer, Roland und Stefan Edl, fnest. Lediglich das Förderprogramm der Bundesanstalt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zur CO2-Reduktion habe die Nachfrage im Bereich Heizen mit erneuerbaren Energien etwas erhöht. Bedauert wird jedoch, dass Corona die Suche nach neuem Nachwuchs behindert. Eine ausgebildete Fachkraft zu bekommen, sei schier unmöglich. Steigende Rohstoffpreise würden längerfristige Kostenvoranschläge erschweren.

Nachfrage hat
sich kräftig erhöht

Bereits in den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach Möbeln und Innenausbau gestiegen, stellen die Geschäftsführer Bernhard Mayer und Markus Ganslmeier der Albachinger Schreinerei Ganslmeier fest, doch seit Beginn der Corona-Krise „hat sich die Nachfrage noch einmal kräftig erhöht“. Die Schreinerei Ganslmeier im Gewerbegebiet Oberdieberg plant und fertigt individuelle Möbel, Büroeinrichtungen, Küchen, Bäder und Schlafräume sowie Kleinserien und übernimmt den kompletten Innenausbau. Zurzeit habe man vor allem mit Lieferschwierigkeiten der Hersteller zu kämpfen: „Wir müssen oft mehrmals auf eine Baustelle fahren, ohne das berechnen zu können“, beschreibt Mayer die Auswirkungen, „die uns sehr viel Geld kosten.“

Die Geschäftsführer kritisieren die wechselnden Corona-Maßnahmen als „unberechenbar“, kaum etwas sei noch planbar. Hier wünschen sich beide mehr Kontinuität der Politik. „So kann das nicht weitergehen! Alle paar Tage neue Vorgaben. Dies umzusetzen kostet sehr viel Zeit, Nerven und Geld. „Wir wollen nicht jammern, uns geht‘s gut, aber wir müssen schauen, dass wir uns die Freude an der Arbeit nicht nehmen lassen“, erklärt Ganslmeier.

„Lieferschwierigkeiten bei Baustoffen bereiten Sorgen

Als Sprachrohr für die Handwerksregion Rosenheim konnte die Kreishandwerkerschaft Rosenheim bisher von drei Milliarden Euro Umsatz jährlich berichten. Wie stehen die Handwerksbetriebe in Corona-Zeiten da? Sind die Auftragsbücher voll, oder gibt es Schwierigkeiten?

Das ist von Innung zu Innung verschieden. Die bauspezifischen Handwerksbetriebe hatten vor Corona schon gut gefüllte Auftragsbücher. Es scheint so, dass sie bis jetzt gut durch die Pandemie kommen. Generell braucht das gesamte Handwerk in den nächsten Monaten eine klare Perspektive, die auch länger als eine Woche Bestand hat.

Mancherorts wird vom TUI-Effekt gesprochen, bei dem Wohnungs- oder Hausbesitzer ihr durch Corona „gespartes“ Urlaubsgeld in Renovierungen investieren.

Die Haus- und Grundstücksbesitzer wissen seit der Pandemie zu schätzen, was sie an ihrem persönlichen Besitz haben. Bei uns in der Region wurde schon vor der Pandemie in die eigenen vier Wände investiert, Umbauten und Erweiterungen hatten schon vorher Konjunktur. Was jetzt dazu kommt, sind Pergola mit Terrasse, Freisitze und auch Saunas im privaten Außenbereich.

In welchen Bereichen drückt der Schuh?

Das Bauhandwerk arbeitet seit Jahren schon auf einem sehr hohen Niveau. In dieser Branche sinken leider wegen der Pandemie die Ausbildungszahlen. Dringend wird hier Nachwuchs gebraucht, um die späteren Fachkräfte zu sichern.

Wie steht’s um die Akquise? Gelingt es den Betrieben auch in Corona-Zeiten, neue Abschlüsse für künftige Projekte zu machen?

Bei den Handwerksbetrieben hat sich mittlerweile bei den Kunden schon herumgesprochen, dass Aufträge für das erste Halbjahr nicht mehr leicht angenommen werden können und viele Betriebe schon für die zweite Jahreshälfte planen. Größere Projekte werden jetzt schon für den Zeitrahmen Frühjahr 2022 geplant. Was erschwerend dazu kommt, sind Lieferschwierigkeiten bei Bauprodukten wie Stahl, Holz und Kunststoffen. Lieferzeiten schnellen nach oben, bei Holzprodukten ist nun die Lieferzeit von vier auf fast zehn Wochen innerhalb einer Woche rasant angestiegen. Diesbezüglich stehen wir mit den entsprechenden Politikvertretern schon in Kontakt, damit die wichtigen Bauprodukte nicht wegen gestiegener Exportpreise ins Ausland verkauft werden. Dies betrifft vor allem die Holzwirtschaft.

Jeder hofft auf die Zeit nach Corona: Wie will die Kreishandwerkerschaft unterstützen?

Wir unterstützen schon über ein Jahr unsere Mitgliedsbetriebe bei der Umsetzung der ständig geänderten Verordnungen. Jeden Tag schlagen viele Fragen in der Geschäftsstelle auf. Bis jetzt sind wir gut durch die Pandemie gekommen. Nun liegt es an der Politik, für die Zukunft praktikable Regeln zu schaffen, um mit dem Coronavirus leben und arbeiten zu können.Interview Petra Maier

Artikel 6 von 7