Wasserburg – Zum ersten Mal stehen heuer bei der Arzneimittelfirma Recipharm in Wasserburg Tarifverhandlungen an. „Es ist eine Erfolgsgeschichte“, glaubt Gewerkschaftssekretär Dr. Stefan Plenk. Engagierten Mitgliedern und dem Team der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) München sei es im vergangenen Jahr gelungen, einen Großteil der Mitarbeiter des knapp 400 Personen starken Unternehmens gewerkschaftlich zu organisieren, führt er in einer Pressemitteilung aus.
Nicht ganz so euphorisch, aber durchaus positiv beurteilt Michael Isele, Geschäftsführer am Recipharm-Standort in Wasserburg, die Tarifverhandlungen im Gespräch mit unserer Zeitung. Er erhofft sich von konstruktiven Tarifverhandlungen künftig eine noch stabilere Planungssicherheit in Sachen Löhne und Gehälter. „Wir freuen uns auf Verhandlungen mit kompetenten Fachleuten am anderen Ende des Tisches“, beschreibt er.
Recipharm ist bislang nicht tarifgebunden, soll es nun aber werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hätten die Gewerkschaftsmitglieder am Standort eine Tarifforderung aufgestellt und den Arbeitgeber zu Verhandlungen aufgefordert, teilt Gewerkschafter Plenk mit. Zuvor habe die IG BCE München eine Tarifumfrage für die Beschäftigten organisiert um – trotz Corona – deren Wünsche und Anregungen für einen baldigen Tarifvertrag einzuholen. Das Diskussionsergebnis sei eindeutig gewesen. „Es wird eine Angleichung der Löhne an das Lohnsystem des IG BCE Tarifs der Chemie Fläche Bayern und die Einführung eines Entgeltgruppenkatalogs verlangt. Darüber hinaus möchten die Mitarbeiter auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie erreichen“, so der IG BCE Betriebsbetreuer Dr. Plenk.
Isele macht im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich, dass es gleich zu Verhandlungsbeginn zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung „erfolgreiche Ansätze“ gegeben habe. Man habe auf beiden Seiten von zunächst geforderten Punkten Abstand nehmen können und sei zu einem ersten Konsens gekommen. Das stimme ihn positiv. „Wir konnten vereinbaren, dass alle künftigen Verhandlungsergebnisse, die unseren Standort betreffen, auch für alle Mitarbeiter an diesem Standort gelten werden, egal ob Gewerkschafter oder nicht. Das war uns sehr wichtig, denn die Gleichbehandlung unserer Mitarbeiter ist uns eine wichtige Maxime.“
Nach diesem Grundsatz habe man auch bei einer kürzlich vergebenen Corona-Bonuszahlung gehandelt. Alle Vollzeit-Mitarbeiter, egal ob Alt oder Jung, langjährig in der Firma oder erst kurz angestellt, hätten 1000 Euro „als Dankeschön“ in diesen schweren Corona-Zeiten erhalten. Teilzeitkräfte erhielten diese Zulage anteilsmäßig. „Wir schätzen den Einsatz unserer Mitarbeiter sehr. Sie kämpfen momentan an verschiedenen Fronten mit starker Mehrbelastung, beim Homeschooling, beim Homeoffice und unter coronabedingten Hygieneauflagen. Sie alle haben unsere Firma hervorragend unterstützt und durch ihr diszipliniertes Verhalten durch diese schwere Zeit gebracht. Dafür wollten wir uns bedanken, in einem persönlichen Brief an jeden Mitarbeiter und den finanziellen Bonus“, erklärt Isele.
Dr. Plenk glaubt: „Die Situation scheint derzeit günstig für den Eintritt in Tarifverhandlungen zu sein, da der Arbeitgeber nicht nur Corona Impfstoff produzieren wird, sondern durch sehr gute Gewinnmargen profitiert.“
„Ja, uns geht es vergleichsweise gut“, bestätigt der Recipharm-Geschäftsführer. Verglichen mit der Lufthansa oder der Gastronomie und Hotelerie sei Recipharm gut aufgestellt. „Wir stellen einen Corona-Impfstoff her, der aber noch keine Zulassung hat“, bringt er in Erinnerung. Intern mit dem schwedischen Mutterkonzern sei man derzeit am Ausloten, ob und wie der Standort Wasserburg eventuell erweitert werden könnte.
Für die weiteren Gespräche mit der IG BCE erwartet Isele „ein großes Wunsch- und Arbeitspaket, verbunden mit viel Detailarbeit“. Die Gewerkschaft erwartet „weiterhin konstruktive Verhandlungen und idealerweise den Abschluss eines Haustarifvertrags in diesem Jahr“. Die nächste Verhandlung findet am 31. Mai 2021 statt. Petra Maier