Rohstoffe um bis zu 80 Prozent teurer

von Redaktion

Preissteigerungen im Handwerk bremsen volle Auftragsbücher aus

Franz Xaver Peteranderl

Rosenheim – Hohe Preissteigerungen für Baustoffe, Lieferengpässe und Terminverzögerungen sorgen derzeit im Handwerk und auf den Baustellen landauf, landab für zum Teil unkalkulierbare Risiken. „Trotz gut gefüllter Auftragsbücher geraten Baumaßnahmen ins Stocken, müssen Termine um Wochen verschoben und sogar Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden“, warnte Franz Xaver Peteranderl, der Präsident des Bayerischen Handwerkstages, angesichts einer Sonderkonferenz der Wirtschaftsminister von Bund und Ländern im Mai. Fehlendes Material könnte sich so schnell zu einer „echten Konjukturbremse“ auswachsen.

Knappheit macht
Betrieben zu schaffen

Von Preissteigerungen bei Baustahl bis zu 80 Prozent berichtet Wolfgang Petry. Er ist Geschäftsführer der Gruber Metallbau Industrieservice GmbH in Traunstein und stellvertretender Obermeister der Metall-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land. „Vier-Millimeter-Bleche haben Sie früher über Nacht bekommen, aktuell liegen die Lieferzeiten bei sechs Wochen.“

Mit einer Auftragsreichweite von 18 Monaten, 13 Mitarbeitern und vier Geschäftsbereichen stehe sein Betrieb verhältnismäßig gut da und müsse aktuell sogar Aufträge ablehnen. Schwierig werde es für kleine Schlossereien, die sich auf die Produktion von Industrieteilen oder andere Bereiche spezialisiert haben.

„Da kann es schnell sehr eng werden.“ Ein großes Problem seien die aktuell unkalkulierbaren Preissteigerungen mit Blick auf vereinbarte Fixpreise und Fertigstellungstermine für Neubauten. „Angesichts der Bausummen und möglichen Verzugsstrafen kann das manchen Betrieb schnell an den Rand bringen“, sagt Petry. Er weist deshalb darauf hin, bei drohenden Bauverzögerungen rechtzeitig eine sogenannte Behinderungsanzeige zu stellen. „Wir hatten heuer schon die dritte Preissteigerung in Folge, im September folgt eventuell die vierte, das habe ich in 30 Jahren bisher noch nicht erlebt“, erklärt Josef Flügel aus Gars am Inn. Er ist Obermeister der mit den Landkreisen Mühldorf und Altötting zusammengeschlossenen Großinnung für Spengler, Sanitär- und Heizungstechnik Traunstein, die rund 450 Betriebe betreut. Rohre, Kessel, Pufferspeicher, alles sei um zehn bis 15 Prozent teurer geworden. „Die Lieferketten sind bei uns das große Problem, obwohl gute Kontakte des regionalen Großhandels noch einiges abfangen.“ Zu den Engpässen beim Stahl komme, dass der Markt für Kunststoffgranulat praktisch leer gefegt sei. „Wir haben im März einen Tank bestellt, aber keiner kann uns sagen, wann der lieferbar ist“, so Flügel. Gerade für kleinere Unternehmen sei die Kombination aus Lieferengpässen, Terminverzug und Fixpreisen zum Teil existenziell.

„Da wird es trotz anhaltender Baukonjunktur Insolvenzen geben“, ergänzt der Sanitärexperte. Umgekehrt könne es auch Großunternehmen treffen mit Baustellen für mehrere Hundert Wohnungen, denen auch die Personalnot zu schaffen macht. „Aufgrund der unkalkulierbaren Situation haben wir einen Großauftrag in Poing abgelehnt.“

Hamsterkäufe von
ganzen Ladungen

„Wir haben die skurrile Situation, dass einer unserer Lieferanten seine Farbe nicht abfüllen kann, weil das Kunststoffgranulat aus China für die Eimer fehlt“, berichtet Klaus Freutsmiedl aus Truchtlaching. Er ist Obermeister der Maler-Innung Traunstein Berchtesgadener Land.

Beim Dämmmaterial habe sich die Lieferzeit von maximal zwei auf bis zu zwölf Wochen verzögert. „Mir sind sogar Hamsterkäufe von ganzen Lastwagenladungen bekannt.“ Etwas paradox sei die aktuelle Situation, dass die Förderprogramme zur energetischen Haussanierung die Baukonjunktur beflügeln, während die Marktsituation bremsend wirke.

Die „Zuverlässigkeit langjährig gewachsener regionaler Lieferkreisläufe“ hebt Rudolf Schiller aus Soyen, Zimmerermeister und Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Rosenheim, hervor.

Dies habe sich auch angesichts der aktuellen Engpässe auf dem Holzmarkt bewährt. „Die regionalen Sägewerke haben uns nicht im Stich gelassen, obwohl Großbetriebe aus Tirol und dem Salzburger Land die Produktion für den Export in die USA und nach China aufkaufen wollten.“

Interview mit Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages


Wer ist von der aktuellen Materialkrise besonders betroffen?

Wir sehen ganz konkrete Engpässe vor allem bei Schnittholz, Dämmstoffen, Wasserrohren, Stahl und Stoffen auf Erdölbasis wie etwa Epoxidharz. Damit Baufirmen ihre Aufträge termingerecht erfüllen können, müssen sie zum Teil horrende Preise zahlen. Dazu kommt, dass etwa Dämmstoffe bis zu zwölf Wochen Lieferzeit haben und zum Teil nicht die ganze Bestellung ankommt. Dann stehen ganze Baustellen still. Oder Sie haben ein fertiges Holzhaus, aber die Rohre fehlen noch.

Welche konkreten Folgen hat das für die Betriebe?

Da für viele Projekte in der Vergangenheit Fixpreise vereinbart wurden, leidet bei einer Materialverteuerung die Gewinnspanne des Betriebs. Bei einem Holzhaus mit einem Fünftel Holzanteil reicht eine Preissteigerung von 20 bis 30 Prozent, damit der Holzbauer ein Minusgeschäft macht.

Zeitverzögerungen und Terminüberschreitungen lösen Kettenreaktionen aus, sodass es trotz voller Auftragsbücher unter Umständen zu Kurzarbeit im Betrieb kommen kann.

Gibt es keine Möglichkeit, die Mehrkosten weiterzugeben?

Wie gesagt, sind für die meisten in der Vergangenheit geplanten Projekte Fixpreise vereinbart. Für aktuell anstehende oder künftige Projekte kann man mit einem höheren Preis kalkulieren. Damit ist man dann aber vielleicht nicht mehr so wettbewerbsfähig. Als einzige Möglichkeit sehe ich eine sogenannte Stoffpreisklausel im Vertrag. Bei der muss der Auftraggeber für eventuelle Preisschwankungen aufkommen.

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