Griesstätt/Kiefersfelden – Es ist vor allem die Flexibilität, die die Menschen reizt, mit dem Wohnmobil wegzufahren. Ein Ziel ansteuern, dort ein paar Tage bleiben und dann ein neues suchen: Es ist eine begehrte Art der Reise – nicht erst seit Beginn der Pandemie boomt die Branche. Sich ein Reisemobil anzuschaffen und zu unterhalten, ist nicht günstig. Da kann mieten eine gute Alternative sein. So kann man sich herantasten.
Das Modell Rent-a-Wohnmobil ist gefragt. So sehr, dass die Verleiher im Stress sind. Wählt man die Nummer einer Vermietungsfirma, hängt man oft genug in der Warteschleife fest – ob in Raubling oder Rosenheim, die Anbieter scheinen dem Sturm von Anfragen kaum gewachsen. Mit etwas Glück ist schließlich Bernhard Lotter, Chef des Verleihers Lobra in Kiefersfelden, am Apparat. Warum er gerade schwer zu erreichen sei? „Wir haben zwar noch Autos zur Verfügung, aber es geht alles drunter und drüber. Es ist der Wahnsinn.“
Lieferprobleme bei manchen Modellen
Die Verteilung der Wohnmobile auf die Kunden frisst viel Zeit, oft muss umorganisiert werden, berichtet er. Zum Beispiel hätten manche ihre Bestellung für den August wieder storniert. „Dann aber kommen sie nach Wochen zurück und wollten doch fahren. Das gewünschte Fahrzeug ist aber nicht mehr da.“
Auch mit der Anlieferung von neuen Wohnmobilen klappe es derzeit nicht: „Fiat ist beim Modell Ducato im Rückstand“, beklagt Lotter. Andere Anbieter böten sich nicht an, die französischen Modelle etwa seien unzuverlässig: „Die will niemand.“ An der Stelle muss Lotter das Gespräch allerdings beenden, weil wieder das Telefon klingelt. Er versteht sich auch als Dienstleister, der für seine Kundschaft auch schon mal den Fernseher im Wohnmobil mitten in der Nacht in Ordnung bringt.
Etwas weniger hektisch geht es bei Peter Reiser zu, dem Geschäftsführer der Bayerischen Wohnmobile GmbH mit Sitz in Weng bei Griesstätt. Der 62-Jährige muss sich um die Saison nicht mehr sorgen, sein Fahrzeugpark ist bis Ende August ausgebucht. Zur Verfügung hat er 25 bis 30 Wohnmobile, die für zwei bis vier Personen ausgelegt sind und in der Anschaffung zwischen 80000 und 100000 Euro kosten. „Ich bin zufrieden“, sagt er. „Obwohl ich das Fünffache vermieten könnte.“
Die in diesem Jahr durch die Pandemie erlittenen Verluste kann er ohnehin nicht mehr reinholen. „Verloren ist verloren“, sagt er. Zahlen nennt er nicht, von einem Minus in sechsstelliger Höhe im vergangenen Jahr hatte Konkurrent Bernhard Lotter gesprochen. Preiserhöhungen kamen für Reiser nicht infrage, um seine Stammkunden nicht zu verprellen. Je nach Saison und Personenzahl kostet die fahrbare Ferienwohnung bei ihm zwischen 99 und 179 Euro pro Nacht. Bei einem Schadensfall springt eine Versicherung ein, die Selbstbeteiligung beträgt 1500 Euro. Wohnmobil-Urlaub hat seinen Preis, so Reiser. „Er ist teurer als ein Pauschalhotel. Ganz klar.“ Sprit, Campingplatzgebühren, Übergabepauschalen – all das müsse einkalkuliert werden. Kurzfristig mit Neuanschaffungen die Kapazitäten zu erweitern, ist nach den Worten des Griesstätter Verleihers ebenfalls nicht möglich. „So schnell kriege ich keine Fahrzeuge.“ Erst im März 2023 erwartet Reiser eine Lieferung von 50 bestellten Wohnmobilen.
Urlaubsverhalten
hat sich geändert
Worauf er zurückführt, dass das Vermietungsgeschäft gerade so gut läuft? Die Pandemie sieht er dabei nicht unbedingt als Auslöser: Die Nachfrage nach Wohnmobilen sei schon vorher groß gewesen. Der Grund für das gestiegene Interesse liegt nach seinen Worten in einem geänderten Urlaubsverhalten.
„Die Leute haben in den vergangenen 20 Jahren viele Länder gesehen, sie waren in Amerika, in Asien und jetzt entdecken sie mehr und mehr nähere Ziele, Frankreich zum Beispiel oder Italien.“ Seine Kundschaft sei bunt gemischt: Anwälte und Handwerker würden sich genauso in ein Wohnmobil setzen wie Professoren und Lehrer. Die Erkenntnis setze sich durch, dass zum wahren Urlaubsglück nicht unbedingt der Blick auf den Grand Canyon gehöre – auch eine Fahrt am Rhein entlang könne eine prima Sache sein.