Sorge um Preisexplosion bei Getreide

von Redaktion

Spekulation und Lieferengpässe – Experten nehmen Marktturbulenzen unter die Lupe

Traunstein – Müssen die Verbraucher bald mit höheren Supermarkt-Preisen für Getreideprodukte und bei Pflanzenölen rechnen? Nach Berichten über neue Höchststände bei Preisen für Getreide und Ölsaaten sowie teilweiser Mehlknappheit während des Corona-Lockdowns geht bei manchem die Sorge um. Die OVB-Heimatzeitungen informierten sich im Gespräch mit Experten über die aktuelle Lage und die Hintergründe.

„Zwischen vergangenem Jahr und heuer im April sind die Preise pro Tonne Weizen von 175 Euro auf den Höchstpreis von 255 Euro gestiegen. Das macht eine Steigerung von über 40 Prozent“, erklärt Hans Gfaller.

Preisdruck nicht
weiterzugeben

Er ist in vierter Generation Müllermeister und betreibt mit fünf Mitarbeitern die Kunstmühle Haslach in Traunstein. Gfaller beliefert Müllerläden, Bäckereien, Handels- und Industriebetriebe mit Mehlen aus Weizen, Roggen und Dinkel. Seinen Rohstoff bezieht er über den Getreidehandel aus Ober- und Niederbayern sowie Ober- und Niederösterreich.

Die Turbulenzen an den Getreidemärkten beschäftigen auch ihn täglich. „Die Preiskalkulation wird sehr anspruchsvoll, wenn man bedenkt, dass ich aus 1300 Tonnen Getreide im Durchschnitt nur 1000 Tonnen gemahlenes Mehl bekomme“, sagt Gfaller. „Höhere Preise kann ich aufgrund längerfristiger Lieferkontrakte aber nicht unmittelbar weitergeben.“

Üblicherweise bilden sich die Preise für Weizen und andere Getreidearten nach den Worten von Gfaller erst nach der Ernte im Sommer und bleiben weitgehend stabil. Seit Anfang dieses Jahres habe es aber starke Ausschläge nach oben gegeben. Gründe seien die geringere Weizenernte in Frankreich, die extreme Kälte Anfang des Jahres und der Exportstopp von Weizen aus Russland. Dazu komme der Export von europäischem Weizen nach Ägypten und China, was das Angebot zusätzlich verknappe. Ein starker Treiber für Preise und Kursausschläge sei zudem der globale Handel mit Agrarrohstoffen auf internationalen Warenterminbörsen. „Durch die Geldanlagen großer Investorengruppen wird ein wertvolles Lebensmittel zunehmend zum Spekulationsobjekt“, kritisiert der Müllermeister.

„Höhere Mehlpreise rechtfertigen aus meiner Sicht nicht unbedingt, sofort die Brotpreise zu erhöhen“, sagt Klaus Schneider aus Traunstein, stellvertretender Obermeister der Bäcker-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land. Jeder müsse fortlaufend kalkulieren. Der größere Block seien die Löhne und Energiekosten. Sein Kollege Wolfgang Sattelberger, Obermeister der Bäcker-Innung Rosenheim, geht genauer ins Detail. Bei Dinkel-Roggen-Broten mache der Getreideanteil beim Brotpreis etwa zehn bis zwölf Prozent aus. Im Durchschnitt liege der Anteil bei bis zu fünf Prozent. Erhöhungen lägen damit allenfalls im Centbereich.

Und wie sieht es in der Industrie aus? „Selbstverständlich wirken sich stark schwankende Getreidepreise auch auf unsere Produktion aus“, sagt Karlheinz Leimer. Er ist Geschäftsführer der Leimer KG aus Traunstein, die jährlich rund 50000 Tonnen Mehl zu Semmelbrösel, Suppeneinlagen und verschiedenen Spezialitäten verarbeitet und in 35 Länder liefert.

Den Rohstoff bezieht der Betrieb mit 150 Mitarbeitern von sieben Mühlen aus einem Umkreis von 200 Kilometern. „Gerade bei hochqualitativen Mehlen hat sich der Preissprung im Frühjahr um bis zu 30 Prozent deutlich ausgewirkt“, erläutert Leimer. Das könne man aufgrund von Jahreskontrakten nicht an den Lebensmittelhandel weitergeben. Angesichts steigender Preise in den Discountern, so schätzt Leimer, sei ab Herbst aber eine weitere Preisrunde bei landwirtschaftlichen Produkten zu erwarten. Was den Getreidemarkt aktuell antreibe, sei die Sorge über fehlende Mengen. Speziell auch aus dem süddeutschen Raum sei durch Ausfälle in Frankreich ein deutlich erhöhter Anteil der Produktion in ausländische Märkte wie den Mittelmeerraum abgeflossen.

Kostentreiber auch
in der Landwirtschaft?

„Für unseren Betrieb ist die Versorgung bis zur neuen Ernte im Spätsommer aber durch Halbjahresverträge und leistungsfähige Partner gesichert“, ergänzt Leimer. Langfristig stellten vor allem die Sicherung hoher Getreidequalitäten durch Extremwetterlagen, Bodenerosion und strengere Auflagen bei Pflanzenschutz und Düngemittel für die Landwirtschaft eine große Herausforderung dar.

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