Rosenheim – „Die Art, wie der Mensch sein Haar trägt, ist ein Spiegelbild seiner Seele“, sagte Landrat Otto Lederer auf der Freisprechungsfeier der Friseurinnung Rosenheim. „Und insofern ist ein vernünftiger Haarschnitt ein Teil der Menschenwürde.“ Für Innungsobermeister Stefan Mashold sind das richtige und wichtige Sätze.
Appell an
die Politik
Er würde sich nur wünschen, dass sie nicht nur ausgesprochen, sondern auch beherzigt würden. Und zwar auf allen Ebenen der Politik. „Wenn unser Handwerk mit der Würde des Menschen in Verbindung gebracht wird, ist damit ausgesagt, dass wir ein Grundbedürfnis bedienen und somit systemrelevant sind. Schließungen, wie wir sie in den vergangenen eineinhalb Jahren durchzumachen hatten, sind damit nicht vereinbar.“ Diese Schließungen haben das Friseurhandwerk mehr getroffen als man derzeit, da die Salons wieder weitgehend zugänglich sind, vermuten könnte.
Die Situation beim Nachwuchs sei da ein deutlicher Indikator, meint Stefan Mashold. „Die Zahl der Praktikumsnachfragen ist nach dem zweiten Lockdown stark eingebrochen“, so Mashold. Und das sei deswegen besonders schade, weil man vor Corona gerade den ersten Ansatz einer Trendwende zu verspüren glaubte. „Es ist eben ein Fehler“, so Stefan Mashold, „wenn man einen Berufsbereich, der eindeutig ein Vollhandwerk ist, vonseiten der Politik als einen ‚körpernahen Dienstleister‘ bezeichnet und auch so behandelt. Das wird uns nicht gerecht“.
Ein Satz, den die 19 neuen Friseurgesellinnen wohl voll unterschreiben würden. Sie haben in ihrer Ausbildung und nicht zuletzt auch in ihren praktischen Prüfungen erlebt, was es heißt, eine grundsolide handwerkliche Ausbildung abzuschließen. Einen ganzen Tag dauert die praktische Prüfung, die im Grund einen selbstverantwortlich gestalteten Arbeitstag in einem Betrieb simuliert. Und selbst das, was der Kunde als angenehmes Beiwerk empfindet, die Unterhaltung mit seinem Friseur, ist Teil der Ausbildung: In den Berufsschulen gibt es dazu „Planspiele“, in denen geübt wird, sich auf die Kunden und ihr Verhalten einzustellen. „Ihr habt“, so betonte deshalb auch Stefan Mashold in seiner Ansprache, „einen Handwerksberuf, in dem ihr so nah an die Menschen kommt, wie in wohl kaum einem anderen, nicht nur körperlich, sondern manchmal auch seelisch“.
Das dafür nötige Gespür für Menschen kann man nicht wirklich lernen, sagt Stefan Mashold, man muss ein Talent dazu mitbringen. Das allerdings kann in der Lehrzeit dann noch ausgebaut werden. Ebenso ist es mit dem Gefühl für Mode und die große Frage, wem was tatsächlich steht: Auch hier brauche es eine gewisse natürliche Begabung.
Zudem hätten die Friseurbetriebe bewiesen, wie schnell und schlagkräftig sie agieren können: „Den Ansturm nach den Lockdowns und vor allem auch den kurz vor den Schließungen haben wir hervorragend bewältigt“, meint Mashold. „Und auch unsere Sicherheitskonzepte haben funktioniert: 87000 Betriebe gibt es in Deutschland, mit 250000 Beschäftigten und 700000 Kundenkontakten pro Tag. Corona-Fälle, die auf eine Ansteckung in einem Friseurbetrieb zurückzuführen sind, gab es aber nur vier.“
Ein Quäntchen
natürliches Talent
Er plädiert deshalb eindringlich dafür, dass, sollte es noch einmal einschränkende Maßnahmen geben müssen, diese Tatsachen berücksichtigt würden. Passiere dies nicht, werde die Zahl der Interessenten weiter abnehmen. „Damit fehlt am Ende aber womöglich genau der Nachwuchs, der dieses Quäntchen natürliches Talent mitbringt, das den Friseur zu dem macht, was er sein soll: Eine Person des Vertrauens, bei der man sich rundum gut aufgehoben fühlt.“ Johannes Thomae