Edling/Soyen – Ein Start-up gründen – mitten in der Pandemie: Das Ehepaar Prietz aus Edling hat sich getraut und einen Betrieb eröffnet, der zu hundert Prozent auf Handarbeit setzt – und schon beim Start Tausende Mitarbeiter hat: Regenwürmer sind die wichtigsten Fachkräfte in der Gemüsegärtnerei Prietz.
Gleich im ersten Erntesommer gab es einen harten Schlag: Hagel wütete auf dem Anbaufeld in Edling. Doch das Gemüse erholte sich schnell. „So ist sie halt, die Natur“, sagt Florian Prietz (39). Und wirkt dabei ganz entspannt: Denn sein Kleinunternehmen, das er als GbR gemeinsam mit Ehefrau Claudia (37) führt, ist im Positiven wie Negativen abhängig von äußeren Einflüssen wie Wind, Niederschlag und Temperaturen.
Verkauf
direkt am Feld
Heuer hat es bisher – bis auf einige Unwetterkapriolen – gepasst. Die Pilotphase läuft besser als gedacht. Die Prietz gehen davon aus, dass sie ihre Investitionen – im geringen vierstelligen Bereich – bereits im Jahr eins wieder reinwirtschaften werden. „Plus minus null“, lautet das Ziel. Es lautet für die Zukunft: : ohne Angestellte – denn Regenwürmer arbeiten kostenlos an der Bodengesundheit mit – soll die Gemüsegärtnerei die vierköpfige Familie ernähren können.
Noch steht das Ehepaar Prietz auf zwei beruflichen Beinen: Sie ist Sozialpädagogin und leitet eine Kindergruppe, er ist Diplombetriebswirt bei einer Bank. Sein gelernter Beruf kommt ihm bei der Firmengründung zugute. Denn Prietz kennt die betriebswirtschaftlichen Abläufe, kann einen Businessplan schreiben, hat Erfahrung mit dem Marketing. Doch in seiner Brust schlägt noch ein zweites Herz: das des Gemüsegärtners. Auf dem Hof der Großeltern, den der Bruder betreibt, bauen die Prietz bereits seit vielen Jahren im Hausgarten Karotten, Kohl und Co. an.
Ausschlaggebend für die Gründung eines eigenen Betriebs war die Lektüre eines Buches: „Market Gardener“ von Jean Martin Fortier. „Das ist meine Bibel“, sagt Prietz. Er und seine Frau griffen das Prinzip des Gemüseanbaus auf kleiner Fläche auf – auf nur 250 Quadratmetern.
Hier gab es im Juni die erste Ernte. Die Gärtnereigründer mussten den Verkaufsplan schon wenige Wochen nach dem Start über Bord werfen: Statt alle 14 Tage öffneten sie bald zwei- mal in der Woche den Stand unter freiem Himmel. Die Kunden: Singles und Familien, Neugierige und Stammbesucher aus Edling und Umland. Sie kommen spontan oder bestellen vor. Die Ware: Gemüse direkt vom Feld, geerntet zum größten Teil erst dann, wenn die Kunden am Verkaufstisch stehen. Gerne nehmen diese Salat und Karotten sogar ungewaschen entgegen. Und ärgern sich zur Freude von Claudia Prietz auch nicht über krumme Gurken. Nur selber ernten dürfen die Kunden nicht. Aus der Erde ziehen: Das übernehmen die Prietz selbst, die vorsichtig über ihr Land gehen und den Boden, ihr wichtigstes Kapitel, wie ein rohes Ei behandeln.
Sie sehen sich als Handwerker: Säen, pikieren, auspflanzen, pflegen, ernten, verkaufen: Maschinen können in ihrer Gemüsegärtnerei kaum helfen. Das Ehepaar Prietz verzichtet sogar auf große Gewächshäuser oder Folientunnel. Nur bei der Kartoffelernte hilft eine uralte Maschine aus Großvaters Zeiten. 2022 wollen die Firmengründer das Betriebskonzept noch einmal umstellen: auf das Modell der solidarischen Landwirtschaft. Das heißt: Bürger können Ernteanteile erwerben. Dafür zahlen sie monatlich einen festen Betrag. Der Kunde soll, so Prietz, Gemüse nicht nach dem Europreis bewerten, sondern – wortwörtlich – nach der Wertigkeit. Ziel der Gemüsegärtnerei: so viele Ernteteiler zu finden, dass die Kosten und ein Lohn für das Ehepaar gedeckt sind. Für das Konzept entwickelt Familie Prietz derzeit einen Anbauplan. Die Kunden sollen außerdem informiert werden, wann was wächst.
Eine Zertifizierung ist – vorerst – trotz biologischem Anbau nicht geplant. Denn die Prietz haben nach eigenen Angaben die Erfahrung gemacht, dass den Menschen die Regionalität am wichtigsten sei. „Wir ziehen alles selber, kaufen nicht zu, düngen nur mit Kompost, vertreiben nur ab Feld.“
Die Gurke
ist schwierig
Trotzdem: Es gab auch Fehlschläge. „Die Gurke“, sagt Claudia Prietz, „ist schwierig.“ Salat pflanzen viele auch im häuslichen Garten an, der ging teilweise nicht so gut wie gedacht. Die Aubergine, Lieblingsgemüseart von Claudia Prietz, ist dagegen erfolgreich im Test. Der Renner auf dem Feld ist der Mangold.
„Wir wollen von unserem Betrieb leben können – ohne Anspruch, davon reich zu werden“, sagen die Gründer. Florian Prietz verhehlt außerdem nicht, dass ihm das Arbeiten mit den Händen unter freiem Himmel guttut: „Ich lebe meinen Traum von einem Betrieb im Einklang mit der Natur.“