Krieg treibt Preise bis zu 20 Prozent hoch

von Redaktion

Interview Geschäftsführer Georg Dettendorfer beklagt unterbrochene Lieferketten

Nußdorf – Gestiegene Spritpreise und Waren, die nicht an ihrem Zielort ankommen. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sind auch bei uns in der Region zu spüren. Georg Dettendorfer, Geschäftsleiter der Spedition Dettendorfer in Nußdorf am Inn, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des DIHK-Verkehrsausschusses, schildert im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen die enormen Herausforderungen, vor denen Unternehmen wie seines derzeit stehen und welche Maßnahmen kurzfristig helfen könnten.

Wie beeinflusst der Krieg in der Ukraine die europaweiten Logistikketten?

Massiv, um das mit einem Wort zu beschreiben. Zum einen durch die hohen Energiepreise, die den Transport teurer machen. Die Lieferketten sind unterbrochen, Rohstoffe und Vormaterial fehlen. Kunden mussten teilweise aufgrund dessen ihre Produktion einstellen. Dem Speditionsgewerbe fehlen Fahrer und damit auch Frachtraum. Viele ukrainische Fahrer sind zurück in ihre Heimat oder in den Osten, um bei ihren Familien zu sein. Mit den vielen stehenden Fahrzeugen beginnt ein massiver Abwerbekampf um die vorhandenen Fahrer. Hinzu kommt, dass die Logistikketten zwischen Asien und Europa unterbrochen sind. Es gibt eine riesige Nachfrage, um Waren per Seeweg von Asien zu uns zu liefern. Der Weg über die Schiene durch Russland ist derzeit unterbrochen. Keiner versichert Waren, die durch ein Kriegsgebiet fahren.

Wie merken Sie die Auswirkungen in Ihrem Unternehmen?

Es ist natürlich eine schwierige Situation. Wir haben viele Frachten zu bewegen. Bereits durch die Corona-Pandemie kam es zu langen Lieferzeiten, gerade im Bereich der Ersatzteile, Lkw und Auflieger. In 2021 sind die Kosten um zehn Prozent gestiegen, aktuell haben wir nochmals eine Kostensteigerung von bis zu 20 Prozent.

Vor welche Herausforderungen stellt der Krieg in der Ukraine Ihr Unternehmen?

Natürlich stellt uns der Krieg vor Herausforderungen. Da ist zunächst die psychische Herausforderung. Wir haben in den vergangenen dreißig Jahren keinen Krieg erlebt, der uns so nahe war. In Sachen Planung: Wir versuchen unsere Firma auf Sicht zu fahren. Wir planen von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Langfristige Planungen sowie in die Zukunft zu blicken, sind derzeit kaum möglich. Wir versuchen, unsere Fahrer zu halten und das Unternehmen so zu steuern, das wir unsere Kunden weiterhin bedienen können.

Nach wie vor sind wir abhängig von den Gaslieferungen aus Russland. Welche Möglichkeiten gibt es, um in dem Bereich unabhängiger zu werden?

Es ist richtig aus der Atomkraft und aus der Kohle auszusteigen. Die Zeit, in der dieser Ausstieg erfolgen soll, ist völlig falsch angesetzt. Solange wir keine Energieformen haben, die einen redundanten Ersatz bilden, bringen wir uns selber in Bredouille. Ich bin schon für grünen Strom, grünen Wasserstoff. Doch das passiert nicht in den kommenden zehn Jahren. Wichtig ist, dem Umstieg auf nachhaltige Energien so zu staffeln, das er ökonomisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Krieg zeigt deutlich, wie abhängig Europa ist. Europa muss selber stark werden und eigenständig agieren können.

Was würde in der derzeitigen Lage helfen?

Eine kurzfristige Lösung wäre temporär die Mineralölsteuer auszusetzen und die Mehrwertsteuer zu senken. Außerdem brauchen wir eine Entbürokratisierung. Die meisten unserer Ressourcen gehen in die Bürokratie und Verwaltung. Hier könnte man Arbeitskraft freischaufeln, die man in die Entwicklung und Planung von Themen stecken könnte.

Sie stellen außerdem eigene Ressourcen für die Hilfe in der Ukraine zur Verfügung…

Wir haben in der vergangenen Woche mit einem Sammeltransport mit Hilfsgütern aus dem Oberen Inntal für die Ukraine geholfen. Heute (Anmerkung der Redaktion: Freitag, 11. März) starten wir mit dem Transport von Arzneimitteln, die von den Romed-Kliniken in Rosenheim und Bad Aibling zur Verfügung gestellt wurden. Wir beteiligen uns und helfen gerade, wo es nur geht. ko

Neue Wege in der Versorgung

Das Unternehmen Dettendorfer ist in den Bereichen Lager, Stahlumschlag, Tanklager, Autohof, Treibstoffhandel, Recycling, Brennstoffherstellung (industriell und nachwachsend) tätig. Das umfasst auch den Bereich des Wasserstoffantriebs. Der größte Vorteil in Wasserstoffantrieb liege darin, dass Wasserstoff in Zukunft reichlich zur Verfügung stehen werde und beim Antrieb keine CO2-Emissionen in die Umwelt freisetze, erklärt Dettendorfer. Im Vergleich zur Elektrik, die derzeit noch energieeffizienter sei, biete Wasserstoff eine größere Reichweite, was gerade für längere Transporte wichtig sei. Auch das Landratamt Rosenheim fördert diesen Bereich mit der Initiative „Energiezukunft Rosenheim (ezro)“. Ziel ist es, im Landkreis ein Netzwerk aufzubauen, das sich mit dem Prinzip des Wasserstoffantriebs beschäftigt.

Stopp von Energielieferung

Die IHK München steht dem Stopp der Energielieferungen kritisch gegenüber. „Ein Stopp der Energielieferungen aus Russland würde die bayerische Wirtschaft ins Mark treffen. Nochmalige Preisexplosionen für Wirtschaft und Verbraucher sowie Rationierungen und damit auch Stilllegungen von industriellen und gewerblichen Produktionen stünden dann unvermeidlich und für unabsehbare Zeit an der Tagesordnung“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. „Die jetzigen Turbulenzen und Preisschübe auf den Energiemärkten sind erst ein Vorbote der Verwerfungen, die sich etwa durch ein Embargo für russisches Erdgas und Erdöl ergeben würden.“ Beide Energieträger stehen für 60 Prozent des bayerischen Energiebedarfs. Erneuerbare Energien tragen 22 und die Kernenergie noch 13 Prozent zum bayerischen Primärenergieverbrauch bei.

Industrie und Gewerbe stehen für die Hälfte des Erdgasverbrauchs in Deutschland.

Laut IHK wären in Deutschland 50 Atommeiler oder 35000 Windkraftanlagen an Land notwendig, um die gleiche Energiemenge zu erzeugen wie mit den russischen Erdgasimporten von zuletzt etwa 480 Terawattstunden pro Jahr.

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