Chieming – Können neue Technologien und die Digitalisierung dabei helfen, angesichts von gravierendem Fachkräftemangel, Rohstoffknappheit, Ukrainekrieg und Energiekrise den Wohlstand zu bewahren?
Ganz offenkundig als Impuls zum Mutmachen verstand Landrat Siegfried Walch den vom Landkreis und der Chiemgau GmbH auf Gut Ising veranstalteten Wirtschaftsempfang. Rund 230 Start up-Gründer und Führungskräfte aus den Unternehmen sowie von Behörden und Verbänden folgten auf dem Treffen den Ausführungen von einem der global führenden Experten aus dem Bereich Robotics/Automatisierung.
Energiesicherheit
hat oberste Priorität
Nach der Begrüßung durch Dr. Birgit Seeholzer, Geschäftsführerin der Chiemgau GmbH, erinnerte Walch die Teilnehmer an den Ernst der Lage, dass nur 800 Kilometer entfernt ein zermürbender Krieg zwischen der Ukraine und Russland tobe. Angesichts der sich deutlich abzeichnenden Energiekrise und Rohstoffknappheit habe das Thema Energiesicherheit oberste Priorität.
Der Landkreis erarbeite bereits einen Masterplan, welche Quellen zeitnah genutzt werden können. Deshalb dürfe es keine Denkvorbehalte bei den Themen Windräder, Wasserkraft und Geothermie geben. Dies geschehe „in enger Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft“.
Die Energiesicherheit sei es schließlich auch gewesen, die den Grundstock für die Salinenindustrie und später für die chemische Industrie an Alz und Inn gelegt habe. Die zweite große Herausforderung, so Walch, bilde der akute Fachkräftemangel. Dieser werde noch verschärft durch den nahenden Ruhestand der Babyboomer-Generation.
Entscheidend sei deshalb, auch regional die Möglichkeiten für einen Ausgleich zu betrachten, die sich aus der Digitalisierung und weiterer Automatisierung von Arbeitsabläufen ergebe. Das Landratsamt treibe dies seit 2014 voran. Ein großer Erfolg sei etwa in den letzten fünf Jahren im Bereich Bauanträge die wesentliche Verkürzung der Bearbeitungszeit und die Erhöhung des Umfangs von 1000 auf 1300 bearbeitete Anträge pro Jahr.
Als Lehrstuhlinhaber für Robotik und Systemintelli-genz an der Technischen Universität München, Un-ternehmensgründer und weltweit gefragter Experte für die Themen Robotik, künstliche Intelligenz und motorische Intelligenz des Menschen gab Professor Dr.-Ing. Sami Haddadin in seinem Impulsvortrag Einblick in seine Forschungen zur Umgestaltung der Arbeitswelt durch eine neue Robotergeneration. Seit den 1960er-Jahren habe die Angst vor Arbeitsplatzverlust die Diskussion um „grobschlächtige“ Roboter geprägt. Im Zeichen des Fachkräftemangels, von Pflegenotstand und mehr Arbeitsplatzsicherheit werden heute dagegen automatisierte Hilfssysteme mit einer mehrstufigen feinfühligen Messsensorik und Motorsteuerung sogar als „Retter“ gefeiert, wie ein Blick in die Medien zeige.
Haddadin machte deutlich, dass deutlich kleinere, günstigere Roboter, die mit künstlicher Intelligenz und taktilen Sensoren ausgestattet sind, schneller lernen und für sehr viel feinere Montagearbeiten eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu früher werde der „fühlenden Arbeitskollege Computer“ direkt vom Menschen trainiert. Apps erlauben den schnellen Einsatz auch im Handwerk und mittelständischen Betrieben ohne umfangreiche Programmierkenntnisse. Geforscht werde zudem am Einsatz im Pflegebereich. Die neue Technik wurde in Bayern entwickelt und sei inzwischen weltweit „ein Renner“, sagte Haddadin.
Standort für
Forschung bieten
Als Anschauungsbeispiel hatte der Unternehmer einen vielbestaunten, in seiner Münchner Firma entwickelten Greifarm dabei.
In der Diskussion mit Moderatorin Julia Hinterseer beleuchteten die Professoren Dr.-Ing. Sami Haddadin, Heinrich Köster, Präsident der Technischen Hochschule Rosenheim, Dr.-Ing. Andreas Straube, Standortleiter des Campus Chiemgau, und Landrat Siegfried Walch die Hochschulsituation und Wirtschaftslage in der Region Südostbayern und die Chancen, die neue Technologien und der Campus Chiemgau für die Unternehmen und als Standort für Forschung und Lehre bieten. eff