Wasserburg/Ebersberg – „Weidinger Milchkrieg“: Das klingt martialisch, obwohl die Bauern vor 50 Jahren die Waffen nicht erhoben haben. Doch sie drohten mit einem Lieferstreik, sollten sie keinen gerechten Preis für ihr Produkt erhalten. Es war die Geburtsstunde der Milcherzeugergemeinschaften (MEG).
Auch die Gruppe für den Raum Wasserburg-Ebersberg wurde 1972 gegründet. Jetzt feierten die Mitglieder das Jubiläum – auf dem Hof der Familie Hanslmayer in Tegernau. Ein Grund zur Freude für die 350 Gäste, obwohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derzeit besonders schwierig sind.
Erben werden verzweifelt gesucht
Extrem steigende Kraftfutterpreise, explodierende Energiekosten und die Notwendigkeit, bis 2030 Anbinde- in Laufställe umzubauen, was angesichts unberechenbarer Baupreisentwicklungen ein schwer zu kalkulierendes Risiko ist: Kein Wunder, dass MEG-Vorsitzender Alfred Utz davon ausgeht, dass das Höfesterben weitergehen wird.
Bis zu 40 Prozent aller Milchbauern würden in den kommenden Jahren ihre Ställe zusperren, prognostiziert Utz. Denn viele Betriebe hätten keine Hoferben. Und wenn doch, dann würden diese angesichts hoher Investitionen und schwieriger Rahmenbedingungen lieber in andere Berufe – etwa im Handwerk oder in der Industrie – abwandern. Noch etwa 45 Prozent der Höfe hätten Anbindeställe. Diese würden oft weiterbetrieben, bis es gesetzlich nicht mehr gehe. Denn den notwendigen Umbau würden immer mehr Landwirte scheuen.
Utz selber hat es geschafft: Sein Milchbetrieb im Vollerwerb in der Eiselfinger Ortschaft Thalham hat einen Hofnachfolger. Bereits seit vielen Jahren stehen die Kühe im Laufstall. Trotzdem ist auch er in großer Sorge: Reicht das Futter für den Winter aus? Die Trockenheit macht den Bauern stark zu schaffen, bedauert der MEG-Vorsitzende.
Wenn immer mehr Milchbauern aufgeben, müssen die restlichen Betriebe die Menge eigentlich steigern. Doch die hohen Kosten für Kraftfutter und Energie machen einen Strich durch die Rechnung, warnt Utz. Umso wichtiger sei in diesen schwierigen Zeiten die Milcherzeugergemeinschaft als Interessenvertretung der Lieferanten.
Die MEG Wasserburg-Ebersberg koordiniert seit 1972 die Vermarktung der Rohmilch, setzt sich für eine möglichst hohe Auszahlung ein – nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“. Dachorganisation ist die Bayern MEG, gegründet 2006 als wirtschaftlicher Verein. Die regionalen Gemeinschaften sind eigenständig.
Derzeit liegt der Milchpreis nach Angaben von Utz bei 55 Cent – „momentan können wir damit leben“, sagt er. Dauerhaft gesehen werde es aber nicht ausreichen. Der Bauer als Produzent ist jedoch nur ein Teil der Kette von Lieferant zu Molkerei, von Handel zu Verbraucher.
Eine starke Interessenvertretung sei deshalb wichtig, so Vorstand und Beiräte der MEG. Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte der Erzeugergemeinschaft Wasserburg-Ebersberg, die sehr gut die Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft widerspiegelt. 1972 traten 279 Erzeuger der MEG bei. Bereits 1974 hatte sie rund 1000 Mitglieder. 1989 waren es sogar 2200.
Weniger Betriebe liefern mehr
Dann setzte der Strukturwandel ein – mit Höfesterben und Konzentration auf große Betriebe. Aktuell hat die MEG laut Utz noch 664 Mitglieder. Nur einige wenige haben über 200 Tiere im Stall, die große Mehrzahl unter 100. Es sind familiengeführte Betriebe, die sich eine Erhöhung des Tierbestands in der Regel nicht leisten können, weil dann externe Arbeitskräfte eingestellt werden müssten.
Auch die Mengenentwicklung zeigt, wie sehr sich die Milchbetriebe verändert haben: Ein Beispiel: 1997 lieferten 1723 Mitgliedsbetriebe durchschnittlich 101592 Kilogramm Milch an die Molkereien. 2021 waren es nur noch 664 Betriebe, die jedoch im Schnitt dreimal so viel Milch gaben: 374101 Kilogramm. Abnehmer sind die Molkereien aus der Region Wasserburg-Ebersberg: Alpenhain, Bauer, Bechtel, Jäger, Meggle und MVS (Milchvermarktungs-GmbH).