Spannende Zukunft des Bauens

von Redaktion

Bauwirtschaft und Digitalisierung – wie geht das zusammen? Bei einer Veranstaltung der Mittelstands-Union Rosenheim-Land gaben Experten einen Einblick in Zukunftschancen. Was alles möglich ist.

Flintsbach – In der Halle stehen rund 30 Stühle, davor ein Bildschirm und ein Rednerpult. Umgeben sind die Gäste von unzähligen Baumodulen der Firma Tjiko – außen Holz, innen Bad. Das Unternehmen ist vor einem Monat in die Räume an der Riedstraße 12 in Flintsbach eingezogen, deshalb ist die Veranstaltung improvisiert. Der Bildschirm flackert, wird immer wieder schwarz. „Die ersten Tücken der Digitalisierung sind da“, sagt Professor Dr. Daniel Küppersbusch und sorgt für einige Lacher.

Roboter und Drohnen
kein Science Fiction

Küpperbusch lehrt an der Technischen Hochschule (TH) Rosenheim, seine Fachgebiete sind Baubetrieb, Bauprozessmanagement und Digitalisierung im Bauwesen. „Wir müssen digitaler werden“, sagt er. Es gebe digitale Arbeitsplätze, Softwareprodukte, digitale Baumaschinensteuerungen, Roboter und Drohnen – das sei vor einigen Jahren noch Science Fiction gewesen, heute jedoch die Realität. Diese Entwicklung reicht Küppersbusch nicht: „Das sind einzelne digitale Ansätze, die gut funktionierten, aber nicht das große Ganze verfolgen.“

Denn das große Ganze ist für den Professor „BIM“ – Building Information Modeling, also Bauwerksdatenmodellierung. Diese Arbeitsmethode vernetzt die Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden mithilfe von Software. Bauherren, Architekten, Fachplaner, Projektleiter, Behörden, Gewerke und Sachverständige könnten alle Informationen in ein Modell eintragen. „Wir im Bauwesen gehen mit Daten so was von stümperhaft um“, sagt Küppersbusch. „BIM“ sei die Lösung, damit Informationen nicht mehr in Festplatten versickern und die Kommunikation besser funktioniert.

Auch Virtual-Reality, virtuelle Realität werde immer stärker in der Planung genutzt. Bei dieser Methode setzen Nutzer eine Brille auf und können sich in einem virtuellem Raum bewegen und durch das Modell wandern. Küche, Bad oder Wohnzimmer könnten sich Kunden dadurch besser vorstellen. In der Baubesprechung und zur Kollisionskontrolle könnten Beteiligte Virtual-Reality ebenso nutzen. Dem Professor zufolge können Bauherren auch Augmented-Reality, erweiterte Realität, auf der Baustelle nutzen. Dabei können sich Personen in einem Raum bewegen und auf ihrem Smartphone sehen, wie das Ergebnis aussehen könnte. Restaurieren Unternehmer Bestandsimmobilien, sei „Scanning und As-Built-Dokumentation“ das Richtige. Das Programm weist etwa auf die Lebensdauer einer Silikonfuge hin, wenn diese ersetzt werden muss. „Die regelmäßige Pflege wird oft vernachlässigt“, sagt Küppersbusch. Das Programm könne das durch die Hinweise ändern.

Bauen kann laut Lukas Schiffer, Gründer und Geschäftsführer der Tjiko GmbH, auch durch das Lego-Prinzip vereinfacht werden. Die Branche müsse wegkommen von der Individualplanung. Die Badmodule seines Unternehmens können wie Legobausteine in eine Planung integriert werden. Es gibt 15 Grundrissvarianten in 15 Designs. „Bauen wird auf einmal kinderleicht“, sagt Schiffer. Das Prinzip stifte einen Mehrwert für die Gesellschaft, weil es nachhaltig, innovativ und kosteneffizient sei. Die systemische Modulbauweise sei ein Erfolgskonzept mit Ressourcenoptimierung durch neue Prozesse. Dadurch brauche das Unternehmen nur drei Monate Vorlaufzeit bis zum fertigen Bad, das in fünf bis zehn Minuten eingebaut ist. Die Voraussetzungen dafür seien eine Systemlösung, ein Bauteam mit „BIM“-Verantwortlichen und die Planung um das System.

„Die Digitalisierung schwirrt in unseren Köpfen als Optimierungspotenzial herum“, sagt Schiffer. Neben all der Vorteile, wird es jedoch auch Nachteile geben. Dem Geschäftsführer zufolge werden Kritiker recht bekommen, da bestimmte Arbeitsplätze wegfallen werden. Unternehmen müssten ihre Angestellten darauf vorbereiten und sie schulen, damit sie andere Arbeiten erledigen können.

Weg vom Handwerk, hin zur Informatik: Redner Tobias Jonas, Geschäftsführer der „Innfactory“-GmbH, widmet sich der technischen Umsetzung. Anstatt meterlange Papierpläne in ein Gebäude mitzunehmen, sei es einfacher, auf die Cloud zuzugreifen. Das bedeutet, dass sich Unternehmen in Rechenzentren einmieten und ihre Informationen über das Internet abrufen, ohne sie auf einem Gerät zu speichern. Die IT-Abteilung im Haus falle so weg, die Dienstleistung werde ausgelagert.

Jonas entwickelt aktuell die Planungssoftware „Bluevis“, „die Elektroinstallation von morgen“, mit dem Eletro-Unternehmen Sonepar als Partner. Dadurch könnten Kunden zum Beispiel Steckdosen in der Planung an den gewünschten Ort ziehen und dort ablegen. Auch Pläne, Fotos und Dateien könnten Nutzer in die Software laden. Ziel sei, dass die Planung immer und überall in Echtzeit aufrufbar ist. Der fertige Plan solle mit künstlicher Intelligenz (KI) in die Software geladen werden.

Herausforderungen
in der Branche

KI ist nach Angaben von Jonas eine menschenähnliche Intelligenz, die in der Lage ist Aufgaben zu lösen. Sie habe keinen Verstand und keine Vernunft, das sei der Unterschied zum Menschen. Durch Eingabedaten könne die KI Regeln und Logik entwickeln. Die Software „Bluevis“ solle die KI hinter einem Bauplan erkennen, ihn analysieren und weiterverarbeiten – etwa in Einkaufslisten. Über die Analyse könnten „BIM“- oder Pdf-Pläne eingelesen, in Stücklisten umgewandelt und die Produkte in den Warenkorb gelegt werden. Das sei eine Chance für die Baubranche.

Laut Max von Bredow, Geschäftsführer der „Quest“-GmbH, ist es schwierig Handwerk und Digitalisierung zusammen zu bringen. Die Baubranche stehe vor vielen Herausforderungen: explodierende Preise, Fachkräftemangel und Inflation. „Es gibt aber auch Chancen, die wir ergreifen können“, sagt von Bredow. „Dinge, die man häufiger tun muss, die lästig sind, kann uns Digitalisierung abnehmen.“

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