Rosenheim/Bad Aibling/Traubstein/Mühldorf – „Außerhalb unseres Netzgebietes bieten wir zurzeit – trotz hoher Nachfrage – keine Sonderprodukte an“, berichtet Stefan Barber, Werkleiter bei den Stadtwerken Bad Aibling. „Schon seit dem 1. November des vergangenen Jahres nehmen wir nur noch Kunden aus unserem Grundversorgungsbereich auf, bei Strom ist das Mühldorf und Winhöring“, sagt Alfred Lehmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Mühldorf. Die Stadtwerke Rosenheim (SWRO) wiederum haben diesen Schritt nicht getan, wie Pressesprecherin Ulrike Willenbrink mitteilt. „Wir schließen bereits im laufenden Jahr keine Neukundenverträge mehr ab“, erklärt wiederum Stefan Will, Geschäftsführer der Stadtwerke Traunstein.
Grundversorger darf niemanden ablehnen
Bundesweit nehmen manche Stadtwerke keine Neukunden mehr auf oder sie lassen Verträge mit Kunden, die nicht in ihrem Versorgungsgebiet wohnen, auslaufen. Dies hat ein Sprecher des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) erklärt. Das gelte für die Gasversorgung außerhalb der Grundversorgung. Innerhalb der Grundversorgung sei dagegen eine Beschränkung auf Bestandskunden und eine Ablehnung von Neukunden gesetzlich nicht möglich.
Als Grundversorger gilt nach dem Energiewirtschaftsgesetz jeweils das Energieunternehmen, das in einer Region die meisten Haushaltskunden mit Strom beziehungsweise Gas beliefert. In vielen Fällen handelt es sich um die örtlichen Stadtwerke oder Flächennetzbetreiber. Schon wird in der Branche der Ruf nach staatlichen Hilfen laut.
„Als kommunaler Dienstleister sind die Stadtwerke Bad Aibling angehalten, vorsichtig, vorausschauend und sparsam zu wirtschaften sowie möglichst Risiken im Geschäftsbetrieb zu minimieren. Die Energiekrise mit den exorbitant gestiegenen Beschaffungskosten belastet jedoch auch uns. Nach derzeitigem Stand benötigen wir jedoch keine Unterstützung, das Unternehmen steht finanziell auf sehr soliden Beinen“, so Werkleiter Stefan Barber.
„Bisher haben die Stadtwerke Mühldorf am Inn noch keine Hilfe benötigt, sollten aber im Jahr 2022 größere Zahlungsausfälle beziehungsweise Betriebsschließungen anstehen, könnte ich mir das schon vorstellen“, berichtet Geschäftsführer Alfred Lehmann. „Wie sich die Marktsituation weiterentwickelt, hängt von vielen nicht kalkulierbaren Faktoren ab. Aktuell sind die SWRO nicht in einer problematischen Situation und auch nicht auf staatliche Finanzhilfen angewiesen“, heißt es von deren Pressesprecherin.
Die Stadtwerke Mühldorf unterstützen die Forderungen der Verbände. „Wir sind aktuell noch nicht betroffen. Die Entwicklung im kommenden Jahr wird zeigen, wie mögliche Forderungsausfälle sich auf die Stadtwerke auswirken“, erklärt deren Geschäftsführer Stefan Will.
Viele Grundversorger stehen vor dem Dilemma, dass neue Kunden auch bedeuten, ungeplant mehr Strom beschaffen zu müssen. „Im Laufe der letzten Jahre wurden immer wieder Insolvenzen von reinen Stromvertriebsgesellschaften beobachtet. Mittlerweile sind einige dieser Vertriebe dazu übergegangen, Kunden trotz bestehender Verträge einfach zu kündigen. In beiden Fällen greift der Fallschirm der Ersatz- oder Grundversorgung des örtlichen Netzbetreibers“, erklärt der Bad Aiblinger Werkleiter Stefan Barber. „Leider wird der Kunde durch die Vergleichsportale in die Irre geführt. Die dort aufgeführten und beworbenen Lieferanten sind meist deutlich teurer als der örtliche Versorger.“
Es seien keine echten Vergleiche, sondern reine Werbeseiten für Lieferanten, die entsprechend dafür bezahlen, gelistet zu werden. „Das muss dem Kunden bewusst sein“, fährt Barber fort. Mittlerweile gebe es Stromhändler, die den Kunden unvorhersehbaren Risiken aussetzen, indem ihnen preislich veränderbare Verträge angeboten würden.
Zusätzliche Mengen kommen teuer
Auch die Stadtwerke Bad Aibling mussten für Neukunden aufgrund von insolventen Stromanbietern zusätzliche Mengen zu hohen Preisen beschaffen. „Im Vergleich zum Gesamtportfolio ist die dadurch entstehende Mehrbelastung jedoch überschaubar“, sagt Barber.
Das gilt auch für die Stadtwerke in Mühldorf und Traunstein. „Die Anzahl an Neukunden hat sich bisher in Grenzen gehalten“, sagt dazu der Mühldorfer Stadtwerke-Chef Lehmann.
SWRO-Sprecherin UIrike Willenbrink berichtet: „Grundsätzlich muss alles, was nicht vorausschauend beschafft werden kann, in Zeiten wie diesen zu viel höheren Preisen eingekauft werden. Das gilt auch für uns. Allerdings verfolgen die Stadtwerke Rosenheim seit Jahren eine langfristige Beschaffungsstrategie, die es immer schon ermöglicht hat, den Kunden faire Konditionen anzubieten. Dies kommt uns und unseren Kunden jetzt zugute.“ Einen nicht mehr zu bewältigenden Zustrom von Neukunden, wie er von anderen kommunalen Versorgern gemeldet oder befürchtet wird, gebe es im Netzgebiet der Rosenheimer Stadtwerke momentan nicht.
Werden die
Preise steigen?
Wie sieht es mit der Entwicklung der Strompreise aus? „Eine Preisanpassung entsprechend den aktuellen Entwicklungen auf dem Energiemarkt ist zum 1. Januar geplant“, so Barber hierzu.
„Wir hatten in der Grundversorgung eine Preisänderung zum 1. März 2022, unsere Produktverträge haben eine Preisgarantie bis 31. Dezember. Eine Preisänderung wird es zum 1. Januar 2023 geben“, heißt es aus Mühldorf. „Die Strompreise wurden im August 2022 moderat um 4 ct/kWh an die gestiegenen Marktpreise angepasst. Im Mai wurden die Gaspreise um die gesetzlichen Umlagen erhöht, die Mehrwertsteuerabsenkung geben wir an unsere Kunden weiter. Ab Oktober sollte zusätzlich die angekündigte Gasbeschaffungsumlage erhoben werden, diese ist aber nicht in Kraft getreten“, erläutert SWRO-Sprecherin Willenbrink. „Im laufenden Jahr haben wir die Preise nicht erhöht. Eine Erhöhung wird aber zum Jahreswechsel kommen“, heißt es auch bei den Traunsteiner Stadtwerken.