Chieming – Wie Robotik, künstliche Intelligenz und Automatisierungstechnik die Arbeitswelt künftig revolutionieren werden, darüber sprach im vergangenen Sommer einer der weltweit führenden Experten beim Wirtschaftsempfang des Landkreises Traunstein. Professor Sami Haddadin, Lehrstuhlinhaber für Robotik und Systemintelligenz an der Technischen Universität München, zeigte in Gut Ising auf, wie neue „lernende“ Robotergenerationen gerade Mittelständler entlasten können.
Dank einer mehrstufigen feinfühligen Mess-Sensorik und Motorsteuerung kann „Kollege Roboter“ inzwischen auch für sehr feine und komplexe Hilfs- und Montagearbeiten eingesetzt werden. Auch die hohen Anforderungen an die Arbeitssicherheit sind dabei berücksichtigt. Gerade im Spagat zwischen gravierendem Fachkräftemangel einerseits sowie Marktdruck und der Forderung nach steigender Produktivität andererseits können kollaborative Roboter auf diese Weise eine große Hilfe sein.
Bereits seit 2020
eigenes Roboterlabor
Wie das konkret in der Praxis aussieht, ließ sich jetzt bei einem Ortstermin bei der Firma Endutec Maschinenbau Systemtechnik GmbH in Egerer bei Chieming studieren. Geschäftsführer Michael Hascher gründete das Unternehmen in Rosenheim als Zwei-Mann-Start-up zusammen mit seinem Kollegen und Co-Geschäftsführer Andreas Flieher während der Wirtschaftskrise 2009. Vorausgegangen war die Insolvenz eines früheren Unternehmens, das Geräte für die Halbleiterindustrie gefertigt hatte.
Nach Übernahme der Firmenrechte konzentrierten sich die beiden Ingenieure zunächst auf die Entwicklung und Konstruktion von Handhabungsgeräten für schwere Lasten in der Chip-Produktion. Für die Fertigung und Montage arbeiteten sie mit Partnerunternehmen zusammen. Dem Umzug nach Chieming 2010 und der weiteren Expansion folgten Schritt für Schritt der Aufbau einer eigenen Fertigung mit CNC-Fräsmaschinen und die beständige Ausweitung der Produktpalette.
Aktuell konstruiert, fertigt, montiert und betreut Endutec als Komplettanbieter für Automatisierungstechnik und Sondermaschinenbauer Projekte in den Bereichen Robotik, Automatisierung und Handling. 14 Mitarbeiter sind am Standort in Chieming beschäftigt. Die Geräte und Anlagen – sogenannte Manipulatoren – werden in der Qualitätssicherung sowie beim Platzieren, Sortieren oder bei Montagetätigkeiten in der Produktion eingesetzt. Freie Kapazitäten im hochmodernen CNC-Maschinenpark werden für die Lohnfertigung genutzt.
Seit 2018 stützt sich Endutec als Kooperationspartner von Universal Robots zudem immer stärker auf die Integration und Weiterentwicklung von Robotersystemen für Automatisierungsaufgaben. Im Jahr 2020 wurde für Fahrstreckentests und Taktzeitensimulationen sogar ein eigenes Roboterlabor eröffnet. Ein Jahr später folgte ein Forschungsprojekt mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Für die Produktion elektrischer Maschinen wurde dabei die flexible Montage formlabiler Draht- und Isolationsmaterialien durch KI-gestützte Robotersysteme erprobt. Seit letztem Jahr ist das Unternehmen zudem Kompetenzpartner der „Bavarian Chip Alliance“.
Aber auch in eigener Sache bewährten sich die Roboter als Helfer in der Not. „Aufgrund wachsender Kundenanfragen stand für uns die Einführung einer zweiten Schicht zur Ausweitung der Produktion auf der Agenda“, erklärt Geschäftsführer Andreas Flieher. „Neue Mitarbeiter für zusätzliche Nacht- oder Wochenendschichten zu finden, erwies sich aufgrund des akuten Fachkräftemangels als extrem schwierig.“
Bauteile für ein
Mondfahrzeug
Deshalb programmierte Endutec einen Roboter, der die CNC-Fräsanlage nachts, am Wochenende und auch tagsüber automatisch bestückt. Dies entlastet zugleich die Mitarbeiter von anstrengenden und monotonen Tätigkeiten. So können sich diese höherwertigen Arbeiten oder Programmierungsaufgaben widmen.
Mittels einer Schiene kann der „Kollege Roboter“ am Arbeitsplatz positioniert oder platzsparend aufgeräumt werden. Dank eines „State-Monitors“ der Firma Heidenhain aus Traunreut lässt sich der Maschinenstatus ergänzend jederzeit per App von außerhalb abrufen.
Durch die Roboter-Unterstützung sind die „Daniel Düsentriebs bei Endutec“ damit auch imstande, außergewöhnliche Herausforderungen zu stemmen, wie Geschäftsführer Hascher erklärt. Dazu gehörte 2017 auch die Aufgabe, bislang als „unfräsbar“ geltende Bauteile für ein von Audi entwickeltes Mondfahrzeug herzustellen. Dieses sollte den ersten deutschen Flug zum Mond des Start-ups PTScientists aus Berlin begleiten. Letztlich scheiterte das Projekt dann aber an Geldfragen. Endutec zeigte indes, dass das Unternehmen an vorderster Front der digitalen Revolution mitwirkt.