Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann wirkt es, als gäbe es in den Anlagen der Kunden einen Wechsel hin zu mehr Depots und Aktien.
Wolfgang Altmüller: Eines ist klar: Die Zinslandschaft verändert sich und das Zinsniveau ist zwischenzeitlich wieder deutlich angestiegen. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Altersvorsorge. Manche Menschen haben 50000 bis 100000 Euro fürs Alter zur Seite gelegt. Da wirken sich ansteigende Zinsen dann natürlich auch entsprechend positiv auf die zukünftige Auszahlungshöhe aus. In den vergangenen Jahren war das anders. Es darf allerdings auch nicht vergessen werden, dass selbst bei den jetzt höheren Zinsen das Vermögen nach wie vor durch die Inflation aufgefressen wird. Aus diesem Grund bedarf es selbstverständlich weiterhin einer vernünftigen Vermögensstruktur mit unterschiedlichen Anlageformen, bei denen auch Wertpapiermärkte eine wichtige Rolle spielen.
Was bedeutet das für die Kunden?
Wir haben keine Inflation aus der Geldmenge heraus. Die Energiepreise und die gestiegenen Kosten für Lebensmittel haben nichts mit Geldmenge oder Zinspolitik zu tun. Auch die Lieferengpässe spielen in diese Kosten mit rein. Die Steigerungen haben nichts mit einer überhitzten Konjunktur zu tun. Da ist schon die Frage, ob wir die Inflation mit Zinserhöhungen überhaupt verringern können. Aber Fakt ist, die Zinserhöhungen führen dazu, dass Negativzinsen kein Thema mehr sind. Gleichzeitig ist allerdings die private Immobilienfinanzierung, die ja ein beliebtes Mittel zur Altersvorsorge ist, auf ein sehr niedriges Niveau zurückgegangen. Wir haben im Augenblick auch eine inverse Struktur – das heißt, der kurzfristige Zins ist sehr nah am langfristigen Zins.
Was heißt das denn für ihr Angebot?
Als Genossenschaft ist unser Ziel nicht die Gewinnmaximierung. Wir versuchen zu ermöglichen, dass breite Bevölkerungsschichten mit wichtigen Waren und Dienstleistungen versorgt werden. Aber unser Handlungsspielraum ist begrenzt. Wir müssen ja Zinsen zum Marktniveau anbieten. Wir refinanzieren uns über Kundeneinlagen und unsere Kunden sollen auch den bestmöglichen Zins erhalten und nicht einen, der jemand anderem hilft seinen Kredit zu finanzieren. Am Ende ist das wie im Sport: Man kann nicht immer gewinnen, man will aber auch nicht immer verlieren. Also versuchen wir im Wettbewerb ein attraktives Angebot zu setzen. Ein attraktives Angebot heißt auch, da zu sein, wenn es beim Kunden mal nicht so läuft. Das ist der große Vorteil unserer Bank: Wir sind nah an den Menschen.
Sie meinen die genossenschaftliche Beratung?
Ja, wir sind aus einer Notsituation gegründet worden, um für die Menschen da zu sein. Wir machen keine Produktberatung, sondern orientieren uns an den Bedürfnissen der Menschen. Die Lebensmodelle sind sehr viel individueller geworden, auf die gilt es Rücksicht zu nehmen. Natürlich gibt es Situationen, in denen ein Produkt sinnvoll ist, aber da ist eben unsere Nähe ein Vorteil. Wir kennen ja unsere Kunden und können dann auf sie zugehen. Aber entscheidend für eine gute Anlage sind eben auch die Ziele und Wünsche der Kunden. Die bedarfsgerechte Analyse ist das A und O. Damit erzeugen wir eine positive Stimmung und erreichen neue Kunden.
Beim Malerwinkel ist die Stimmung ja nicht nur positiv.
Der Malerwinkel ist unser erstes Hotelprojekt. Das machen wir natürlich nicht einfach so, sondern getreu unserem Motto: „Heimat für Heimat bewahren.“ Der Malerwinkel ist – einfach mal nur das Grundstück genommen – ein Areal, das man für die nächsten Generationen schützen muss. Unsere Genossenschaft gibt es bereits seit 140 Jahren und wir denken nicht von Quartal zu Quartal, sondern von Generation zu Generation. Daher gehört der Malerwinkel Ihnen allen, etwas was Sie nicht wollen, wird da auch nicht passieren.
Und dennoch ist die Stimmung nicht positiv.
Wir fragen uns natürlich, worauf die Kritik basiert und welche Begründungen vorgebracht werden. Denn in der heutigen Zeit hat man ja oft mit einer laut schreienden Minderheit zu tun. Die Punkte, die kritisiert worden sind, wie die Parkplätze oder die Größe, haben alle ihre Berechtigung. Aber was mich stört, ist, dass behauptet wird, wir hätten vor, später zusätzliche Erweiterungsanträge zu stellen. So würden wir mit der Region nie umgehen.
Die Größe des Projekts wird ja häufiger kritisiert.
Wie ich schon sagte, vieles, was da gesagt wurde, ist nicht verkehrt. Wir besprechen dies auch hausintern. Unser Ziel ist es etwas zu entwickeln, woran die Menschen Freude haben – aber die Genossenschaft muss sich auch freuen können. Das Projekt muss also auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Dies ist bei einem größeren Projekt allein schon aufgrund im Verhältnis geringerer Bau- und Grundstückskosten wahrscheinlicher. Das ändert nichts daran, dass die Kritik nicht unberechtigt ist und von uns aufgenommen wird. Deswegen würde ich auch nicht von schlechter Stimmung sprechen.
Aber mehr Betten brauchen mehr Parkplätze.
Altmüller: Der Malerwinkel liegt so, dass es keine U-Bahn oder S-Bahn gibt. Das heißt, der Individualverkehr ist gefragt. Natürlich kommen auch Radler. Aber da müssen wir realistisch sein, die Ausflügler kommen meistens mit dem Auto. 140 Parkplätze sind zu wenig. Darum sage ich ganz offen: man kann auch eine Reduktion der Zimmeranzahl diskutieren. Man kann der Nachbarschaft nicht zumuten, dass es da ein „Wildparken“ gibt. Wir sind an dem Thema konzeptionell dran und justieren nach.
Der Umweltverband UVA hat auch gefragt, ob der Chiemsee noch ein weiteres großes, hochpreisiges Hotel braucht?
Hochpreisig? Wir wollen ein Haus bauen, das Wärme und ein Gefühl des Willkommen-Seins ausstrahlt. Ob das dann als zwei, drei, vier oder fünf Sterne empfunden wird, darum geht es doch gar nicht. Wir wissen auch nicht, ob wir uns überhaupt klassifizieren lassen. Es geht darum, dass die Menschen sich wohlfühlen. Außerdem: Wo gibt es denn direkt am Chiemsee ein Fünf-Sterne-Hotel?
Aber eine Jugendherberge wird es auch nicht
Der Malerwinkel war immer etwas Besonderes. Er hat auch immer selbstbewusste Preise gehabt. Das Bier war überall etwas billiger, aber das hat man gerne gezahlt. Ziel ist, dass weiterhin die Menschen aus der Umgebung dorthin kommen. Der Malerwinkel soll auf einem guten Niveau sein, sodass man sagt: „Da fühle ich mich wohl!“ Wenn wir da ein Hotel bauen, in dem die Übernachtung 8000 Euro kostet, dann würden wir die Heimat fernhalten. Das wollen wir nicht.
Ein Hotel ist für eine Volksbank doch eine ungewöhnliche Investition.
Der Wettbewerb in der Finanzdienstleistungsbranche ist hart geworden. Wir konkurrieren mit niederländischen Direktbanken, mit Paypal, mit Klarna, selbst Aldi und Lidl haben schon überlegt, ob sie Versicherungen anbieten. Jeder bedient sich in unserem Metier. Wir können nicht zuschauen, was für uns übrig bleibt. Auch ist der Malerwinkel eine Immobilieninvestition. Das betreiben wir seit 120 Jahren. Wenn wir ihn nicht selbst betreiben, sondern verpachten, geben wir Kontrolle ab und können dann eventuell die Versprechen, die wir bezüglich des Malerwinkels an die Region gemacht haben, nicht halten.
Aber ein Hotel ist ja kein Wohnhaus, das ist doch viel riskanter.
Der Malerwinkel schreibt seit 50 Jahren schwarze Zahlen. Und wenn man etwas gut macht, dann setzt sich Qualität durch. Außerdem könnten wir ihn im Zweifelsfall auch verkaufen, das Interesse wäre da. Und eine Bank muss kontrollierte Risiken eingehen. Wenn wir gar nichts entwickeln, dann kommen wir nicht weiter. Der Zahlungsverkehr wird von allen Dienstleistern angegriffen. Check24 oder Klarna, die haben alle eine Banklizenz und können in 15 Jahren eine voll entwickelte Bank sein. Geschäftsmodelle, die noch vor 20 Jahren super gelaufen sind, gibt es heute gar nicht mehr. Andersherum vermag ich gar nicht zu sagen, was das Kerngeschäft einer Regionalbank in 20, 30 Jahren sein wird. Selbst wenn wir uns nicht verändern wollten, dann müssten wir es trotzdem. Und so riskant ist es nicht, sonst würden wir es nicht machen. Selbst wenn alles Denkbare schiefgeht, dann bringt es uns nicht um Kopf und Kragen. Aber natürlich streben wir dennoch Profitabilität an.
Apropos Zukunft, warum ist denn die Fusion mit den Ingolstädtern geplatzt?
Wir haben immer gesagt, wir machen nur, was sinnvoll ist. Strategisch wäre es gut gewesen und die Zahlen sind ja bei uns und den Ingolstädtern gut. Aber so leicht ist es nicht, zwei Häuser mit eigener langer Geschichte zu vereinen. Auch die unterschiedliche Größe war ein Thema. Wir haben 11,5 Milliarden Bilanzsumme, Ingolstadt fünf. Jedes Haus hat seine Kultur und seine eingespielten Prozesse. Fünf Milliarden ist kein kleines Haus, da kann man nicht hingehen und sagen, wir verändern jetzt alles. Aber wenn wir nicht ganz schnell zu einem einheitlichen Standard kommen und dann zwei unterschiedliche Standards in einem Haus existieren – das geht nicht.
Also braucht es mehr Zeit?
Die Zeiten sind gerade nicht einfach, das darf dieser Tage nicht deutlich länger dauern. Die Fusion ist nicht falsch, aber gerade ist nicht der richtige Zeitpunkt.
Interview: Thomas Stöppler