Die Milchkuh als Energiesparlampe der Kreislaufwirtschaft

von Redaktion

Mitglieder der Milcherzeugergemeinschaft Altötting-Mühldorf eG blicken auf ein Rekordjahr zurück

Teising – Die letzten Auswirkungen der Corona-Pandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Energiepreis-Verwerfungen hatten 2022 auch Auswirkungen auf die Arbeit der 843 Mitglieder der Milcherzeugergemeinschaft (MeG) Altötting-Mühldorf eG.

Weil die Versorgungssicherheit in Gefahr schien, verschoben sich politische Prioritäten und der Milchpreis stieg von 42 Cent pro Kilogramm im Januar 2022 auf 60 Cent pro Kilogramm im Dezember 2022. Nur über den Zusammenschluss konnten kurze Vertragslaufzeiten und dieses Preishoch erreicht werden. Diese Bilanz zog Richard Straubinger, Vorsitzender der MeG, bei einer Mitgliederversammlung, die kürzlich in Teising stattfand.

271 Millionen Liter
Milch im Jahr 2022

Der im Januar 2023 auch zum Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands für Altötting gewählte Milcherzeuger aus Marktl berichtete, dass er im vergangenen Jahr bei 46 Veranstaltungen, Preisverhandlungen und Arbeitsgesprächen gewesen sei. Als Höhepunkt bezeichnete er die Feier des 50-jährigen Bestehens seiner MeG mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber.

Die MeG habe 2022 über 271 Millionen Kilogramm Milch über die Molkereien Almil, Bechtel, Jäger, Meggle und Gropper abgesetzt und sei damit gemessen an der Menge die größte MeG in Deutschland gewesen. Sie habe es geschafft, mit den Molkereien Meggle und Almil AG neue Verträge zu schließen. Da die Milch so stark gefragt gewesen sei, hätte die Erzeugergemeischaft sogar den Abschlag für Milch aus Anbindehaltung „wegbekommen“.

Die Baukosten für neue Ställe seien in jüngster Zeit „exorbitant gestiegen“ und eine Planungssicherheit sei nicht mehr gegeben, kritisierte Straubinger.

Was Straubinger nicht sagte, sondern dem Referenten Milchvermarktung des Dachverbands Bayern MeG, Sebastian Kraus, überließ: Nach einem „Rekordjahr mit rückläufigem Ende“ sind seit Jahresbeginn schon wieder Preisrückgänge zu beobachten. Kraus belegte dies mit den Preiskurven für Schnittkäse und Magermilchpulver.

Anfang 2023 habe die „neue Normalität“ bei 50 Cent pro Kilogramm Milch gelegen, im Februar seien die Preise sogar schon wieder auf rund 40 Cent pro Kilogramm gesunken. „Der Auslöser dieser Trendwende war, dass die Milchproduktion durch gute Preise in Deutschland und in Europa stimuliert wurde“, erklärte Kraus. „Der größte Feind des guten Preises ist der gute Preis.“

Kaufzurückhaltung
bei den Verbrauchern

In Deutschland und in Europa würden inzwischen wieder weniger Milchprodukte gekauft und die Kaufzurückhaltung der Verbraucher mache sich vor allem bei der Butter bemerkbar.

Außerdem habe der Export nach China 2022 wohl wegen der hohen Preise stark nachgelassen und es gehe Kundschaft an den veganen Bereich verloren. Ins Jahr 2023 seien die Milcherzeuger also aus einer wesentlich schlechteren Ausgangsposition als vor einem Jahr gestartet.

Am meisten Sorgen bereiteten der Bayern MeG „Panikreaktionen“ von Molkereien, die befürchteten, ihre Produkte nicht mehr vermarkten zu können. Vor einem Jahr hätten sie noch befürchtet, nicht genügend Milch zu bekommen. Kraus schätzte, dass sich der Milchpreis wieder bei rund 42 Cent pro Kilogramm einpendeln könnte. „Themen wie Zertifizierung und die Haltungsform werden uns noch mehr begleiten als in den letzten zwei Jahren. Die Reduktion von Treibhausgasen wird die Milchbauern und die Bayern MeG in den nächsten Jahren auch fordern“, so sein Ausblick.

Den Methan-Ausstoß der Wiederkäuer hatte zuvor Prof. Dr. Wilhelm Windisch thematisiert. Er hat bis Ende Juli 2022 den dann geschlossenen Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen Universität München geleitet und sich danach in die Altersteilzeit verabschiedet. Seither hält er Vorträge, in Teising zum Thema „Die Bedeutung der Rinderhaltung für Umweltschutz, Klimaschutz und Ernährungssicherheit“.

Seine Kernaussage war, dass heute weltweit ein Drittel des auf der knappen landwirtschaftlichen Nutzfläche erzeugten Getreides an Tiere verfüttert werde und sich die Menschheit dies nicht mehr leisten könne. Vielmehr müsste das Grasland, das in Deutschland ein Drittel der Fläche ausmache und weltweit sogar 70 Prozent zur Fütterung von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Ziegen genutzt werden.

Weil nur ein Drittel der landwirtschaftlich erzeugten Nutzmasse wie Getreide oder Kartoffeln direkt als Nahrung genutzt werden könnten, müssten außerdem zum Beispiel das Getreidestroh, die Kleie oder der Rapsextraktionsschrot genutzt und in eine regionale Kreislaufwirtschaft eingebracht werden, am besten durch die Verfütterung, die Biogas-Erzeugung und die Verwendung der Gärreste als lagerfähige Düngemittel.

„Wiederkäuer sind keine Klimakiller“

„Wiederkäuer verwerten die nicht essbare Biomasse und sind keine Klimakiller, solange ihr Bestand wie bei uns nicht steigt“, erklärte Windisch. „Heute gibt es hierzulande sogar weniger Wiederkäuer als vor der Industrialisierung, während deren Bestand weltweit wächst.“

Eine regionale Kreislaufwirtschaft nach seinem Modell liefe darauf hinaus, bei weniger zugekauftem Futter das Grünland besser auszunutzen. „Eine Milchkuh hat das Potenzial, die Energiesparlampe der Kreislaufwirtschaft zu werden“, erklärte der Professor.

Sein Fazit: „Eine regionale Kreislaufwirtschaft würde weniger Tiere bedeuten, aber das käme dann aus der Landwirtschaft heraus und würde ihr nicht politisch von oben herab verordnet.“ Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Landwirtschaft diese auf uns zukommende Entwicklung überlebe.

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