Mit neuem Forschergeist aus der Krise

von Redaktion

Beim Empfang der regionalen Wirtschaft in Traunreut beleuchtete Experte Johannes Teyssen Fragen der Energieversorgung. Er erklärte die Diskussion um einen weiteren Betrieb von Atom-Meilern für müßig.

Traunreut – Nach dreijähriger Pause feierte der Wirtschaftsverband Landkreis Traunstein e.V. zusammen mit Partnern und befreundeten Wirtschaftsverbänden wie dem Regionalausschuss Traunstein der Industrie- und Handelskammer (IHK), der ARGE-Werbegemeinschaft Traunreut e.V., der Chiemgau GmbH Wirtschaftsförderung, der Kreishandwerkerschaft Traunstein, der Mittelstandsunion und dem Informationskreis der Wirtschaft Traun/Alz wieder einen Empfang der regionalen Wirtschaft.

Rund 300 Gäste aus Wirtschaft und Politik, von Behörden, Verbänden, der Kirche und verschiedenen Organisationen hatten sich dazu beim Leuchtenhersteller Siteco in Traunreut eingefunden. Das Treffen stand ganz im Zeichen neuer Herausforderungen und der Energiekrise.

Mittelständler als Stütze der Region

Der Vorsitzende Thomas Eberl hob in seiner Begrüßung die Stärken und Gemeinsamkeiten mittelständischer Betriebe als Stütze der Region hervor: „Wir haben eine Heimat und bekennen uns zu unseren bayerischen Wurzeln. Gleichzeitig denken und handeln wir aber auch international.“

Andreas Frank und Daniel Fischer stellten als Geschäftsführer die Neuausrichtung von Siteco vor. Das Unternehmen war 2019 vom Osram-Konzern an Stern Stewart Capital verkauft worden. Der Leuchtenspezialist gehört damit zur renommierten Strategieberatung Stern Stewart & Co. in München. Dank eines hohen Automatisierungsgrades, der Bündelung wichtiger Kompetenzen am Standort Traunreut und mehr unternehmerischer Freiheit gehe Siteco als Mittelständler für innovative Beleuchtungslösungen in eine „positive Zukunft“, so Fischer. Mit knapp 1000 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen fast 240 Millionen Euro Jahresumsatz.

Markus Pertl, Chef von Stern Steward & Co. und Inhaber von Siteco, beleuchtete in der Diskussion mit dem Publikum und Ehrengast Johannes Teyssen Fragen zur aktuellen Lage der Energieversorgung. Der promovierte Jurist und Volkswirt war bis Anfang 2021 Vorstandsvorsitzender der Eon SE und bekleidet aktuell Führungspositionen bei BP und dem Energiekonzern Alpiq.

Zur Frage der endgültigen Abschaltung der Atomkraft in Deutschland sagte Teyssen, die Diskussion über eine Weiterführung sei müßig, auch wenn die deutschen Kernkraftwerke zu den leistungsfähigsten und sichersten weltweit gehört hätten. Von den Produktionskosten her seien erneuerbare Energien als künftiges „Rückgrat der Energieversorgung“ sicher günstiger – nur brauche ein Industrieland wie Deutschland eine „planbare Energieversorgung“.

Bei der Frage der Endlagerung braucht es laut Teyssen eine „neue Verantwortungskultur in der Politik“ ähnlich wie in anderen Ländern. „Wir geben Unmengen von Geld aus, um nichts zu tun, und überlassen die Frage unseren Enkeln“, sagte Teyssen.

Mehr „politische Ehrlichkeit“ nötig

Angesichts fehlender Investitionen in „überalterte Kraftwerke“ habe sich bereits vor Beginn des Ukrainekriegs eine Stromkrise abgezeichnet. Die Einsparungen im letzten Winter hätten durch das Herunterfahren energieintensiver Industriebetriebe bewerkstelligt werden können. „Nur können wir das nicht jeden Winter machen“, betonte er.

Den fehlenden Ausbau des Leitungsnetzes und bei Umspannwerken als Grund für Verzögerungen bei der Energiewende brachte die Grünen-Landtagsabgeordnete Gisela Sengl ins Spiel. Teyssen gab zu, der Bau neuer Leitungen sei „zumutbar“ – sonst, so der Volkswirt, „bleiben wir beim Kohlestrom hängen“. Dafür sei „mehr politische Ehrlichkeit“ erforderlich.

„Bleiben wir bei der Energie Importland?“, wollte Traunsteins Altlandrat Hermann Steinmaßl wissen. Angesichts einer Importquote von bis zu 80 Prozent bei der Primärenergie sah Teyssen hier „keine Alternative.“ Batteriespeicher seien nur für eine „tageweise Überbrückung“ geeignet, allerdings werde die Versorgung mit „Wasserstoff in bunten Farben“ aus dem Ausland teuer.

Die Chancen für eine „Dezentralisierung des Strommarktes“ interessierte Andreas Huber. Bisher sei der Markt von Speichertechnologie für den stationären Betrieb noch unterentwickelt, erklärte Teyssen dazu, nicht zuletzt durch Rohstoffprobleme. Er setzt große Hoffnungen auf eine „Neubelebung von deutschem Forscher- und Ingenieursgeist“, um technische Durchbrüche zu erreichen.

Die Tankstelle
der Zukunft

„Wie sieht die Tankstelle in 20 Jahren aus?“, interessierte Traunsteins Stadtmarketing-Manager Hans-Peter Weiß. „Wir werden eine Mischung aus Energie-Zapfsäulen für Kraftstoffe und vielfältiger Ladeinfrastruktur haben“, sagte Teyssen. Neue Abhängigkeiten beim Import von Wasserstoff aus dem Ausland brachte Traunsteins CSU-Stimmkreisabgeordneter Klaus Steiner ins Spiel. Eine Lösung sah Teyssen im Bezug von Wasserstoff „aus vielen verschiedenen Ländern“, um künftig Erpressbarkeiten zu vermeiden. Franz Obermayer junior wollte Teyssens Einschätzung zu regionalen Strompreisen wissen. Als „Treiber für neue Entwicklungen“ sprach sich Teyssen dafür aus, räumte jedoch anfängliche „Preisunterschiede durch fehlenden Netzausbau“ ein.

Mit Musik der Gruppe „Baeck in Town“, Häppchen und angeregten Gesprächen klang der Abend aus.

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