Rosenheim – Die Baubranche ist in der Krise. Der Boom, den die Branche noch vor einigen Jahren hatte, ist zu Ende. Die Gründe, warum derzeit nicht mehr so viel gebaut wird, sind zahlreich.
Die Zinsen für Baufinanzierungen sind stark angestiegen. Derzeit sind Bauzinsen zwischen drei und vier Prozent fällig. Noch vor drei Jahren lag der Zins hier um oder sogar unter einem Prozent. Zudem sind die Baustoffe deutlich teurer geworden, ebenso wie das Bauland an sich. Hinzu kommen immer neue Auflagen, die die Hausbauer erfüllen müssen. „Die Anforderungen an einen Bau sind verschärft worden, und das führt unweigerlich zu höheren Preisen“, sagt Robert Daxeder, Obermeister der Bauinnung Rosenheim. „Und wenn dann auch die Förderungen zurückgefahren werden, bedeutet das, dass sich die Leute Bauen nicht mehr leisten können.“
Auch Arbeitsplätze
sind in Gefahr
Das, was in ganz Bayern gilt, gilt auch für den Raum Rosenheim. Der starke Rückgang der Bautätigkeit hat alle Bereiche erfasst – den Einfamilienhaus-, Doppelhaus- oder Geschosswohnungsbau, aber auch den öffentlichen und gewerblichen Bau, bestätigt Daxeder. „Teilweise werden die Bauvorhaben storniert oder zurückgestellt. Firmen arbeiten teilweise noch an den Überhängen aus dem Vorjahr.“ Es sei auch anhand der rückläufigen Baugenehmigungen absehbar, dass sich die Lage im Laufe des Jahres verschlechtern wird, sagt er.
„Die reale Umsatzentwicklung im gesamten Baugewerbe wird voraussichtlich rund zehn Prozent unterhalb dem des Vorjahres liegen“, sagt Wolfgang Schubert-Raab, der Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen. Wegen dieser Entwicklung fürchtet er nun nicht nur um die wohnungspolitischen Ziele der Regierung– auch Arbeitsplätze im Baugewerbe seien dadurch in Gefahr.
Auch im Landkreis Rosenheim ist die Zahl der Bauanträge deutlich zurückgegangen. Auf OVB-Nachfrage teilt das Rosenheimer Landratsamt mit, dass im Zeitraum von Januar bis Ende April 2021 noch 676 Bauanträge eingegangen sind. Heuer waren es im gleichen Zeitraum nur noch 459. Das ist ein Rückgang von mehr als 30 Prozent. Das liegt über dem bayerischen Schnitt von knapp 29 Prozent. Von den 459 Bauanträgen wurden bisher 440 genehmigt.
Fehlender Wohnraum
bleibt ein Problem
In Bayern sollen jedes Jahr 70000 Wohnungen gebaut werden – so zumindest das Ziel der Staatsregierung. Dieses Ziel wurde im vergangenen Jahr nicht erreicht. 62000 Wohnungen wurden laut Bayerischem Bauministerium 2022 fertiggestellt, drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Laut dem Verband der bayerischen Wohnungsunternehmen (VdW) gibt es im Freistaat immer noch 200000 Wohnungen zu wenig.
Bundesweit gab es seit 2015 eine Nettozuwanderung von rund drei Millionen Menschen. Um diese Zahl an Menschen auch unterzubringen, sollen nach dem Willen der Bundesregierung jährlich 400000 neue Wohnungen entstehen, 100000 davon als Sozialwohnungen. „Ich möchte, dass wir es schaffen, in Deutschland gutes, bezahlbares und klimagerechtes Wohnen in einem lebenswerten Umfeld sicherzustellen“, sagte Klara Geywitz (SPD), die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
Derzeit liegt das Ziel der 400000 neuen Wohnungen im Jahr aber in weiter Ferne. Schubert-Raab ist der Meinung, dass in diesem Jahr wohl nicht einmal 250000 neue Wohnungen gebaut werden können. Die Regierung müsse die veränderte Situation anerkennen und entsprechend reagieren, so der Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen. Die Schere zwischen Bedarf und Angebot klaffe immer weiter auseinander.
„Aus heutiger Sicht wird sich so bald nichts ändern“, ist sich auch Robert Daxeder sicher. Er sehe die Entwicklung realistisch und nüchtern, sagt er. Wann sich die Situation ändern wird, könne niemand sagen. Aktuell sei es so, dass Projekte nicht realisiert werden, weil die Rahmenbedingungen nicht passen und man es sich in Folge nicht mehr leisten könne zu bauen oder Wohneigentum zu erwerben.
Das liegt laut Daxeder unter anderem auch an den verschärften energetischen Anforderungen, die zu höheren Preisen führen. „Die Gefahr besteht, dass Firmen Arbeiter nicht mehr beschäftigen können und Personal abbauen, was dazu führt, dass das abgebaute Personal zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung steht“, sagt er. Den bereits jetzt schon herrschenden Fachkräftemangel in der Baubranche würde das zusätzlich weiter verschärfen.
Rahmenbedingungen
müssen stimmen
Eine mögliche Lösung wäre laut Daxeder das Absenken des geltenden Baustandards. Der sei derzeit sehr hoch. Hinzu komme das Thema der Besteuerung. „Das Handwerk ist sehr lohnintensiv, da die Besteuerung sehr hoch im Bereich der ganzen Sozialversicherungsbeiträge ist“, erklärt Daxeder. Erst wenn diese Rahmenbedingungen wieder stimmen, könne es mit dem Wohnungsbau wieder aufwärtsgehen.