Fleischerzeuger kritisieren Politik

von Redaktion

60 Jahre nach seiner Gründung befindet sich der Fleischerzeugerring Mühldorf-Traunstein vor einer riesigen Herausforderung. Fleisch hat ein Imageproblem und Tierwohl ist in aller Munde. Von der Politik fühlen sich viele Betriebe allein gelassen.

Mettenheim – Die eher kleinen bayerischen Ferkelerzeuger, Schweine- und Bullenmäster können am Markt nur bestehen, wenn sie sich zu größeren Vermarktungseinheiten zusammenschließen, um die Qualität ihres Fleisches und dessen Absatz zu angemessenen Preisen zu sichern. Dieser rote Faden zieht sich durch die gesamte 60-jährige Geschichte des Fleischerzeugerrings (FER) Mühldorf-Traunstein, die dessen Vorsitzender Gerhard Langreiter bei der Jahreshauptversammlung des Rings in der vergangenen Woche in ihren Grundzügen schilderte.

Der Ring vertritt Betriebe aus den Landkreisen Traunstein, Mühldorf, Rosenheim, Altötting, Ebersberg, Erding, Berchtesgadener Land und München. Zur Jahreshauptversammlung, in deren Mittelpunkt das Jubiläum stand, waren rund 70 Gäste zum Kreuzer-Wirt nach Mettenheim gekommen.

Strukturwandel macht
sich stark bemerkbar

Langreiter schilderte die Geschichte des Fleischerzeugerrings, die sich zum Teil noch mit Dokumenten in altdeutscher Schrift belegen lässt. Sie begann mit Schweineprüfringen in Haag 1961 und 1962. Weitere Ringe kamen hinzu, bis sie sich 1963 zum Schweineprüfring Mühldorf zusammen schlossen. Im Mai 1963 wurde nach dem Vorbild der Schweinehalter der Bullenprüfring gegründet, der im Juni 1963 mit den Schweineprüfringen unter das Dach eines Erzeugerrings Oberbayern Ost schlüpfte. Dieser wurde 1970 in den Fleischerzeugerring Mühldorf umgewandelt. Er fusionierte dann 2010 mit den Traunsteinern.

Nach der Fusion verzeichnete der Ring insgesamt 130 Betriebe mit 28000 Schweinen sowie 120 Rindermäster. Den Höhepunkt hatte der FER laut Langreiter 1987 mit rund 370 Ferkelerzeugerbetrieben und rund 9000 Zuchtsauen sowie rund 120 Schweinemästern erreicht.

„Mittlerweile hat sich vor allem in der Ferkelerzeugung der Strukturwandel bemerkbar gemacht, wo die meisten Betriebe aufgehört haben“, bilanzierte Langreiter. Die Anforderungen hätten sich seit der Nachkriegszeit, in der die Versorgungssicherheit im Vordergrund gestanden habe, laufend geändert. Der Selbstversorgungsgrad sei beim Schweinefleisch auf 130 Prozent gestiegen, habe in den 90er- und den Nuller-Jahren einen Boom beim Stallbau entfacht und danach zum Ausweichen in den Export gezwungen. Nachdem der Verbrauch an Schweinefleisch nun schon seit Jahren falle, glichen Bestandsaufstockungen die Betriebsaufgaben nicht mehr aus. Es kommt laut Langreiter heute darauf an, die Ställe für mehr Tierwohl umzubauen. „Das können wir nur gemeinsam schaffen. Gemeinsam in einer kleinstrukturierten Gegend zu bestehen – das war schon unser Gründungsgedanke“, sagte Langreiter abschließend.

Tierische Produktion
in „Sinnkrise“

Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider, selbst gelernter Landwirt erklärte, die tierische Produktion befinde sich in einer ideologischen Sinnkrise. Die deutsche Politik sei derzeit sehr großstädtisch geprägt, aber die Energiewende fände ebenso wie die Nahrungsmittelproduktion auf dem Land statt und nicht in den Städten. „Wir vertreiben die Nahrungsmittelproduktion aus Deutschland, wenn das so weitergeht“, erklärte Schneider. Für seine Schlussbemerkung „Wir brauchen in der Politik weniger Intellektuelle und mehr Intelligente“ erhielt er starken Beifall von den Anwesenden.

Auch Siegfried Ederer, Vorstandsmitglied des Landeskuratoriums der Erzeugerringe für tierische Veredelung (LKV) in Bayern, sprach von stark rückläufigen Zahlen der Schweine- und Rindermäster im Bereich seines Verbands. Er finde es „absolut kritisch“, dass derzeit aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag versucht werde, „eine ideologische Agenda durchzuziehen“. Er setze daher auf das Bayerische Programm Tierwohl und das „Projekt Heimatversprechen“ der Ringgemeinschaft Bayern, das die Arbeit der Schweinebranche besser verkaufen solle. „Wir Landwirte sind Unternehmer und können verlangen, dass man uns Planungssicherheit und Perspektiven gibt“, erklärte Ederer.

Clara Späth, beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Töging für das Sachgebiet Nutztierhaltung verantwortlich, informierte über die Lage bei der Schweine- und Rindererzeugung. Laut Späth sank die Anzahl der im FER betreuten Schweinemastbetriebe, die vor zehn Jahren noch bei 130 lag, im Wirtschaftsjahr 2021/2022 weiter auf 107 Beriebe. Im April 2023 hätten 101 Betriebe 63027 Tiere gehalten und damit 2673 weniger als im Vorjahr. Besonders stark sei der Rückgang bei den Ferkelerzeugern gewesen. Ihre Zahl sank im Wirtschaftsjahr 2021/2022 auf 69, die Zahl ihrer Zuchtsauen auf 6471. Vor zehn Jahren hielten noch 147 Ferkelerzeuger 11702 Zuchtsauen. Auch dieser Abwärtstrend setzte sich zum April 2023 unvermindert fort.

Nur wenige zahlen für
mehr Tierwohl mehr

„Politisch deuten alle Zeichen in Richtung mehr Tierwohl“, bilanzierte auch Clara Späth. Erstmals konnte sie Zahlen des Dachverbands LKV Bayern über die vorwiegenden Haltungsformen nach dem vierstufigen Label der Initiative Tierwohl in der Schweinemast vorlegen.

Demnach entfielen zwischen dem 1. Mai und dem 15. Dezember 2022 insgesamt 56,5 Prozent der Tiere auf die Haltungsform 1, die lediglich die gesetzlich geforderten Standards einhält. 40,5 Prozent entfielen auf die Haltungsform 2, die den Tieren im Wesentlichen etwas mehr Platz einräumt. Verschwindend gering war der Anteil der Haltungsform 3 mit Außenluftkontakt mit 2,4 Prozent und der Bio-Haltungsform 4 mit 0,6 Prozent.

„Mit den höheren Haltungsformen kann man zwar auch höhere Bruttopreise erzielen, aber dahinter stecken auch ein erhöhter Platzbedarf und mehr Arbeitszeit“, erklärte Späth. Die politisch gewollte Entwicklung hin zu mehr Tierwohl wird ebenso wie in der Rindermast nicht vom Verbraucherverhalten unterstützt. Dort liegen nach einem Höhenflug im Frühjahr 2022 die Deckungsbeiträge der aktuell 102 Betriebe mit 13566 Tieren inzwischen wieder auf dem Niveau der Vorjahre und decken die Kosten für Investitionen in Stallneubauten bei Weitem nicht ab.

„Praxisfremde Politik“
vom Schreibtisch aus

Dass den Fleischerzeugern momentan die Planungssicherheit fehlt, betonte schließlich auch die Oberbayerische Bezirks- und Landesbäuerin Christine Singer in ihrer Festansprache. Sie sagte, die Bundesregierung habe die Tierhaltung in den Fokus genommen und die Politik werde vom Schreibtisch aus praxisfremd betrieben. Daher müssten sich die Tierhalter, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausübten und praktisch rund um die Uhr für ihre Tiere da seien, auch darum kümmern, wohin ihre Erzeugnisse gingen.

Singer plädierte dafür, dass die Landfrauen bei allen Veranstaltungen, ob in Bierzelten oder in Gasthäusern, nachfragen sollten, woher denn die dort angebotenen Lebensmittel stammten. „Insbesondere bei der Gemeinschaftsverpflegung, die einen immer höheren Stellenwert bekommt, müssen wir viel besser werden“, erklärte die Landesbäuerin. „Wir müssen den Wert von tierischen Lebensmitteln und Naturprodukten verstärkt bewerben gegenüber pflanzlich betonter, oft sehr künstlich erzeugter Ernährung.“

Zum Schluss machte Singer noch einen Schwenk zur bayerischen Kultur, zu der auch der Schweinebraten gehöre, und sagte: „Das bayerische Fleisch ist unersetzlich und wird unter den besten Bedingungen erzeugt.“

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