Rosenheim – Als Gradmesser der Stimmung in der Wirtschaft für die Politik sehen die regionalen Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer (IHK) die große Befragung von rund 350 Unternehmen aus Stadt und Landkreis Rosenheim. Nach der in der Umfrage vorgenommenen Bewertung von regionaler Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Standortkosten, Umfeld sowie Wirtschaftsfreundlichkeit zeigt sich demnach ein klares Bild. „Es fehlt im Moment an Geschwindigkeit und an einer klaren Vision“, urteilt Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim.
133 Kontakte mit
der Behörde im Jahr
Zwar sei das Interesse an der Verwaltung am „Wirtschaftsstandort Rosenheim” durchaus groß und von einer guten Zusammenarbeit geprägt. Dennoch gebe es bürokratische Rahmenbedingungen, die unbedingt optimiert werden müssen.
„Eine Rosenheimer Firma hat im Schnitt 133 Kontakte pro Jahr mit der Behörde“, erklärt Jens Wucherpfennig, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Rosenheim. Damit dieser Kontakt an rund jedem dritten Tag reibungsloser funktioniert, müssten die Abläufe verbessert werden. Ein Beispiel dafür bringt Wucherpfennig aus eigener Erfahrung. Als er nach Rosenheim zog, musste er sich innerhalb von zwei Wochen ummelden. Einen Termin dafür gab es aber erst nach sechs Wochen. „Im Vorfeld habe ich dafür einen QR-Code zugeschickt bekommen“, erzählt Wucherpfennig. Als er beim zuständigen Amt eintraf, konnte er mit diesem Code allerdings nur eine Wartenummer ziehen.
An diesem Beispiel zeigt sich laut Wucherpfennig, dass es gerade beim Thema Digitalisierung – trotz Fortschritten während der Corona-Pandemie – noch Nachholbedarf gibt. Das bestätigt auch die Umfrage. Auf einer Skala von Note Eins bis Fünf wurde das digitale Verwaltungsverfahren von den Unternehmen mit 3,6 bewertet.
Dabei schneiden sowohl die Stadt als auch der Landkreis Rosenheim im bayernweiten Vergleich gut ab. Beide erreichen in der Umfrage einen Notendurchschnitt von 1,9 und somit den zweitbesten Wert in ganz Oberbayern, direkt hinter München (1,8). Im Vergleich zur vergangenen Umfrage im Jahr 2019 hat der Landkreis 0,1 Punkte hinzugewonnen, die Bewertung der Stadt ging um 0,1 Punkte zurück. Der Durchschnitt von Oberbayern liegt bei 2,0. Am schlechtesten im oberbayerischen Raum schnitt der Landkreis Mühldorf mit der Note 2,2 ab.
Mit am besten bewertet wurde dabei das Straßennetz in der Region. Sowohl der Nah- als auch der Fernverkehr erhielten Noten um die 1,8. Ganz im Gegensatz zu möglichen Alternativen wie dem öffentlichen Nahverkehr (3,2) oder Sharing- Modellen (4,0). „Da ist es auch mit dem Beitritt zum MVV nicht getan”, meint Bensegger. Gerade mit Blick auf die Auszubildenden dürfe es keine Grundvoraussetzung bleiben, in Rosenheim ein Auto haben zu müssen, um überhaupt zur Arbeit zu kommen.
Eine Antwort, die sich im Vergleich zu 2019 deutlich verändert hat, ist die auf die Frage, ob sich bestehende Firmen noch einmal in Rosenheim ansiedeln würden. Waren es vor rund vier Jahren noch 93 Prozent, so sind es jetzt nur noch 80 Prozent. Für Wucherpfennig und Bensegger liegt das an den sich weiter zuspitzenden Entwicklungen wie Personalmangel (3,4), zu wenig Gewerbeflächen (3,9) und schrumpfendem Wohnraum (3,8).
„Klare Vision“ gefordert
Auch hier senden die IHK-Vorsitzenden einen Appell, sich über Alternativen Gedanken zu machen. „Wir müssen uns fragen, wo wir uns sinnvoll erweitern können. Wo sind verfügbare Flächen? Wo können wir vielleicht auch in die Höhe bauen?”, sagt Wucherpfennig.
Bensegger regt zudem an, gerade an potenziellen neuen Standorten für Firmen rational zu entscheiden und für einheitliche Vorgaben zu sorgen. „Die Wirtschaft ist hier geprägt von Familienunternehmen, die daran interessiert sind, Rosenheim zu erhalten“, meint Bensegger. Diese Unternehmen müsse man daher mit einer „klaren Vision“ und schnellen Abläufen unterstützen. Dann, da sind sich die IHK-Sprecher einig, ist die Region Rosenheim auch in Zukunft gut aufgestellt.