Traunstein – Hämmern, bohren, schweißen oder eine komplizierte Dachkonstruktion vermessen: In den Lehrwerkstätten des Bildungszentrums (BZ) Traunstein der Handwerkskammer für München und Oberbayern herrscht Hochbetrieb. Diplom-Wirtschaftsingenieur Franz Ertl, der Leiter der Bildungsstätte, gibt der Landtagsabgeordneten Gisela Sengl und der Bundestagsabgeordneten Tina Winklmann (beide Bündnis90/Die Grünen) Einblick in den Unterrichtsbetrieb. Angesichts des immer akuter werdenden Fachkräftemangels im Handwerk wollen sich beide ein Bild machen, wo der Schuh drückt.
Kein Platz für moderne Maschinen
Außer aus ganz Südostbayern kommen auch Auszubildende aus Miesbach, Bad Tölz und Erding zur überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung nach Traunstein. Rund 5000 Teilnehmer aus 13 Ausbildungsberufen erwerben hier pro Jahr in Werkstatt-Blöcken von zehn bis 30 Wochen Dauer vertiefte Kenntnisse ihrer Berufsausbildung oder absolvieren die Abschlussprüfung. Das BZ kooperiert dabei eng mit den Berufsschulen der Region. Wichtig wären mehr Unterbringungsmöglichkeiten für Lehrlinge, so Franz Ertl.
Als Fortbildungsangebote bietet das BZ neben der Weiterbildung für kleine und mittlere Unternehmen, den Meister-Vorbereitungskursen für Schreiner, für Metallbau, Installation und Heizung sowie für Zimmerer (ab diesem September) auch Ausbildungen zum kaufmännischen Fachwirt oder Betriebswirt an.
Doch trotz des Fachkräftemangels „platzen wir hier räumlich aus allen Nähten“, gesteht Ertl. Die 8000 Quadratmeter Nutz- und Werkstattfläche des 1983 eröffneten BZ reicht bei Weitem nicht mehr aus. „In vielen Berufen sind die Geräte und Maschinen größer und die Technologien komplexer geworden“, ergänzt der BZ-Leiter. Deutlich wird dies etwa in der Schreiner-Werkstatt, die beengt wirkt. Dabei will man die Berufsanfänger auch mit dem aktuellen Stand der Technik vertraut machen.
Nicht zuletzt deshalb hat das BZ in Traunstein zusätzliche Flächen von 1300 Quadratmeter angemietet, davon allein im letzten Jahr eine neue Gewerbehalle mit 1000 Quadratmetern. Sie wurde mit Eigenmitteln für den Werkstattbetrieb umgerüstet. Hier werden die Anlagenmechaniker für Heizung-, Sanitär- und Klimatechnik ausgebildet. Diese sollen als Rückgrat des Handwerks die Energiewende im Gebäudebereich in die Praxis umsetzen.
Obwohl die neuesten Wärmepumpen, Pellets- und Biomasseheizungen durch gute Beziehungen zu Sponsoren bereits im Lager stehen, „können wir aktuell noch keine regenerativen Heizsysteme beschulen“, gesteht der Installateur und Heizungsbaumeister Thomas Pathe. Er leitet hier die Ausbildung. Gründe sind der aktuell noch gültige stark „öl- und gasheizungsbasierte Lehrplan“, der erhöhte Platzbedarf, die komplexe Ablufttechnik und außerdem strenge Vorschriften, die den Einsatz von Heizungen für Schulungszwecke nur als „Laborbetrieb“ gestatten. Nicht einfach zu lösen ist aufgrund komplexer Fördervorgaben die Frage, wie der erhöhte Finanzbedarf zukunftssicher gestemmt werden kann.
Ideen gegen Fachkräftemangel
„Aber die Wärmepumpen-Technik ist doch schon seit 2008 bekannt“, entgegnet die Bundestagsabgeordnete Winklmann, die selbst Jahrzehnte als Verfahrensmechanikerin gearbeitet hat. Pathe erklärt, dass im Unterschied zum Nachbarland Österreich in Deutschland die Weichen der „Heizphilosophie“ bisher anders gestellt waren.
Wie man im BZ dem Fachkräftemangel im Handwerk mit innovativen Ideen begegnet, zeigt das Projekt „Handfest“. In Kooperation mit der Agentur für Arbeit wurden dabei jungen Menschen über 25 Jahre ohne Hauptschulabschluss wichtige Grundqualifikationen vermittelt. Dem viermonatigen Kurs folgte ein Praktikum, das zehn Teilnehmer zum Beginn einer Berufsausbildung motivierte. „Das Handwerk ist sehr aufgeschlossen“, erklärte Edmund Halletz, Bildungsmanager im BZ.
Zusammen mit ihm und BZ-Leiter Franz Ertl diskutierten Gisela Sengl und Tina Winklmann über Fördermöglichkeiten für energetische Optimierungsmaßnahmen, auch für die in die Jahre gekommenen Bestandsgebäude des BZ und die sehr günstigen Förderbedingungen zum Erwerb des Meistertitels (bis zu 75 Prozent der Kosten werden erstattet). Thema waren zudem die verbesserten Startbedingungen für Flüchtlinge und ausländische Fachkräfte im heimischen Handwerk durch neue Gesetze.
„Damit unsere Handwerksbetriebe künftig wieder mehr gut ausgebildete Fachkräfte finden, müssen wir die berufliche Bildung weiterentwickeln sowie Berufsschulen und überbetriebliche Ausbildungsstätten personell und technisch besser ausstatten“, bilanzierte Gisela Sengl nach ihrem Besuch im BZ.