Frasdorf – „Mein Lieblingswein? Das ist, als würden Sie einen Vater fragen, welches sein liebstes Kind ist“, antwortet Michael Unger augenzwinkernd. „Ich habe jetzt über die letzten Jahre zahllose Weine probiert. Teure und günstige, verhältnismäßig junge und über 100 Jahre alte, aber ich kann immer noch die Freude an einem guten Essen und dazu einem Glas von einem unspektakulären aber guten Tropfen genießen.“
Mit Kameras
gesichert
Wir treffen Michael Unger in den Räumlichkeiten von „Unger Weine“ in Frasdorf. Schon vom Parkplatz auf dem Weg zum Hauptgebäude sieht man die ersten Sicherheitskameras. Auch beim Einlass in das Gebäude blickt man in das Objektiv einer Kamera. „Wir haben hier ja tatsächlich Werte eingelagert, da kommen manche Banken nicht ran. Auch viele Einheimische wissen nicht, dass sich unter unserem Gebäude eine dunkle, stille Festung befindet, in der eine Vielzahl der seltensten und begehrtesten Weine der Welt lagert“, so Unger, der zusammen mit seinem Bruder Wulf das Unternehmen führt.
Enorme Werte
in Wein
„Wie bei einem Finanzinstitut ist unsere Diskretion ein hohes Gut.“ Unser Rundgang beginnt im Hauptgebäude, in einem der Räume für Weinverkostungen. Rundum in Regalen stehen – wie Trophäen – die leeren Flaschen von vergangenen Veranstaltungen. Es ist eine Namensparade hochwertiger Jahrgangsweine.
Dann geht es in die direkt angrenzende „Bibliothek“, ein eher schmaler Raum mit Konferenztisch und einem hohen Regal mit alten Büchern. Hier findet jedes Jahr eine ganz besondere Veranstaltung statt. „Unsere Weihnachts-Verkostung. Das ist mit eine der exklusivsten Veranstaltungen dieser Art. 30 Gäste bekommen Weine vorgesetzt, die speziell danach ausgesucht wurden, dass es sie so sonst nirgends mehr gibt. Dazu gibt es ein von Spitzenköchen zubereitetes Menü“, schwärmt Unger. Weiter geht es ins obere Stockwerk des Hauptgebäudes, hier sitzen zahlreiche Mitarbeiter und bearbeiten Kundenanfragen, recherchieren Weinangebote oder bearbeiten Abrechnungen.
Es geht hinab, unter die Erde. Durch eine massive Tür hindurch geht es in einen der Weinkeller des Unternehmens. „Sie merken schon, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit hier drin sind merklich anders, wir haben entsprechende Technik verbaut, damit wir hier überall punktgenau kontrollieren können, was für eine korrekte Lagerung des Weins unbedingt notwendig ist.“ Die Anlage hat sogar eine eigene Notfallversorgung, durch die sie bei einem Zusammenbruch des Stromnetzes für eine Woche autark weiterlaufen könnte. In diesem Weinkeller werden angekaufte Weine eingelagert und verwaltet. „Alles was älter als 1970 ist, behalten wir für uns, beispielsweise für eigene Veranstaltungen, der Rest geht auf Anfrage in den Verkauf.“
Die Anfänge
waren bescheiden
Es geht weiter hinab, diesmal landen wir in einem Raum, der an ein Kirchengewölbe erinnert. In der Mitte eine lange Tafel. „Auch hier finden Verkostungen statt“, sagt Unger. Innerhalb des ohnehin gesicherten Raums findet sich hinter einer vergitterten Tür noch ein Abteil. „Hier halten wir jeden Jahrgang Dom Pérignon für Kundenwünsche bereit.“ Dabei handelt es sich um eine berühmte und hochpreisige Champagnermarke von Moet & Chandon.
1993 legten die Gebrüder Michael und Dr. Wulf Unger als Quereinsteiger los. Michael ist eigentlich Maschinenbauingenieur. Wulf verfolgte eine Karriere als Finanzjournalist. Los ging es im Elternhaus auf acht Quadratmetern Bürofläche. „Schon damals hatten wir allerdings einen seriösen Keller und den Anspruch hochwertiger Lagerung“, betont Unger. Im Jahr darauf bauten sie ihren ersten 120 Quadratmeter großen Weinkeller. Fünf Jahre später folgten zwei weitere.
„Die Initialzündung für den eigentlichen Erfolg war ein Bericht über unsere Weine in der Zeitschrift ‚Essen und Trinken‘“, erinnert sich Michael Unger. „Wir haben damals aus der Garage unserer Eltern heraus gearbeitet. Verpackt haben wir die Flaschen in Zeitungspapier und leere Windelkartons aus der elterlichen Apotheke, die unsere Mutter uns gebracht hat.“ 1999 ging es dann aus dem Elternhaus hinaus in die ersten angemieteten Büroflächen und die erste Mitarbeiterin wurde eingestellt.
Fünf Jahre an Planungs-, Entwicklungs- und Bauzeit später entstand das heutige Hauptgebäude. „Wir bekommen häufig Komplimente dafür, wie gut wir dieses alte Bauernhaus restauriert haben“, sagt Unger. „Die Leute wissen nicht, dass wir es von Grund auf neu gebaut haben.“ Im Herbst 2015 folgte der bis dahin umfangreichste Bauabschnitt, das ‚Zuhäusl‘. Dessen Umsetzung sei aufgrund der geologischen Verhältnisse und des enormen Umfangs eine große Herausforderung gewesen. „Nun haben wir hier mehrere Tausend Quadratmeter Lagerfläche unter der Erde.“
Gemeinde Frasdorf ist froh über den Betrieb
Für die Gemeinde Frasdorf sei „Unger Weine“ ein ganz besonders wichtiges Gewerbe, sagt Bürgermeister Daniel Mair. „Es ist ein Riesen-Glücksfall für uns, dass Unger Weine dem Standort Frasdorf treu bleibt“, sagt er.
Weiter geht es die Treppen hinab, hinein in das „Allerheiligste“, in „Unger Weine – Der Keller“. Hier bietet das Unternehmen Kunden in mehr als zehn Metern unter der Erde eine Langzeit-Lagermöglichkeit „auf dem denkbar höchsten Qualitäts- und Sicherheitsniveau“ an. „Es ist ein bisschen wie bei einem Bankschließfach: Sie lagern hier immer nur kistenweise den Wein ein. Dieser wird nach einem speziellen Verfahren versiegelt, um klarzustellen, dass nichts entnommen oder hinzugefügt wird, ohne dass das der Kunde will.“ Schier endlose Regalreihen ziehen sich in dem unterirdischen Lagerbereich hin. Sie sind voll von unermesslichen Schätzen in flüssiger Form.
„Wenn ich noch mal von vorne anfangen würde? Dann würde ich, glaube ich, das meiste wieder genauso machen“, meint Unger. „Eine richtige Entscheidung war zweifellos, zum einen schon früh den Fokus auf die High-End-Preisklasse zu legen.“ Vor allem aber sei der frühzeitige Einstieg in das Spezialgebiet der „Bordeaux-Subskription“ eine entscheidende Weichenstellung gewesen. „Wir werden regelmäßig gefragt, warum wir unseren Sitz nicht in München, Berlin oder einer anderen Großstadt haben. Wir bekennen uns klar zur Gemeinde“, sagt Unger. Sie hätten sich außerdem rasch gegen ein klassisches Ladengeschäft entschieden und vor Ort auch wenig Kundenverkehr. „Darauf sind wir einfach nicht ausgelegt.“ Natürlich könne man einen Termin vereinbaren, aber einfach vorbeischauen und stöbern sei nicht möglich. „Wir arbeiten nun mit einer ganz anderen Reichweite und haben früh begonnen, zu exportieren. Jetzt haben wir viele Kunden in den USA, Asien, der ganzen Welt“, berichtet Unger.
Auch die weltweite Spitzengastronomie gehört zu Ungers Kunden – aber das sei nicht der Fokus, sondern nur ein Standbein, erklärt Unger. „Das ist uns während Corona zugute gekommen.“ Von der Pandemie habe der Weinhandel – speziell online – profitiert. „Die Leute haben sich gesagt: Wenn wir schon zu Hause festsitzen, machen wir doch das Beste daraus und bestellen uns was Gutes.“
Weniger Wein – aber dafür teurere Tropfen
„Es wird weniger getrunken, dafür darf es auch hochpreisiger sein“, fasst Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Bayerischen Einzelhandelsverbands die aktuelle Lage für Weinhändler zusammen. Er weist darauf hin, dass Deutschland weltweit an vierter Stelle der Wein konsumierenden Länder steht – nach Frankreich, den USA und Italien. „Bemerkenswerterweise liegt der Anteil des Online-Handels für diese Sparte bei nur noch bei 13 Prozent. Gleichzeitig ist der Umsatz hier zuletzt jährlich um etwa sieben Prozent gestiegen.“ Insgesamt habe sich gerade in der Pandemie bewiesen, dass es nicht mehr ohne ein Online-Standbein gehe.
Ein Team von Quereinsteigern
Der Erfolg des Unternehmens sei nicht denkbar ohne „unser tolles Team“, betont Michael Unger. Mit Fachkräftemangel habe man kein Problem „Und wir können unsere Leute auch halten.“ Das komme nicht von ungefähr. „Wir sehen uns als Familienunternehmen. Wir wissen wenn jemand privat Probleme hat und kümmern uns. Wenn Druck ist, wenn Leistung gefragt ist, gibt es kurze Entscheidungswege. Das ist etwas, das uns auszeichnet“, sagt er. Im Unternehmen seien alle Quereinsteiger. „Aber gleichzeitig leben wir das, was wir verkaufen. Jeder hier hat auch privat eine Begeisterung für Wein und gutes Essen, sonst könnten wir nie so gute Arbeit machen.“