Mettenheim – Bei den Milchviehhaltern drückt der Umgang mit der Gülle auf die Stimmung. Mittelfristig ist es das Haltungsmanagement, das auf ein höheres Tierwohl abzielt, und langfristig kommt die Produktion „alternativer Proteine“ auf die Milcherzeuger zu, die in schon absehbarer Zeit Milch als Grundstoff ersetzen könnte. Wenn die Branche einfach so weitermache, und die Politik nach der bereits stark bedrohten reinen Anbindehaltung auch die Kombination aus Anbindehaltung und Laufhof oder Weide als „Kombihaltung“ nicht mehr zulasse, drohe in Deutschland ein „Knick“ in Höhe von zehn Prozent der heute erzeugten Milchmenge.
Neue Studie vorgestellt
Dieses Szenario entwarf Carsten Hümmer, Doktorand an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, beim Info-Treff Milch. Zu ihm hatte der Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) Landwirte zwischen dem Bayerischen Wald und Südostbayern zum Kreuzerwirt eingeladen. Hümmer schilderte dort die Ergebnisse einer Studie mit dem Titel „Perspektiven der Milchproduktion und -verarbeitung in Deutschland bis 2030“, an der er mitgearbeitet hat. Sie untersuchten die sechs Einflussfaktoren Haltungs-, Nährstoff- und Gesundheitsmanagement, Lebensmitteleinzelhandel und Markt, Klima-Diskussion und „alternative Proteine“. Damit sind „naturidentische“ Proteine gemeint, die über „Präzisionsfermentation“ und Zellkulturen erzeugt werden.
Das schönste Sinnbild für das Dickicht bürokratischer Regelungen war eine unübersichtliche Tabelle, die man weder lesen konnte noch sollte. Mit ihr wollte Hümmer zeigen, wie unterschiedlich die Anforderungen der heute schon 22 Labels von 14 Institutionen sind. Denen möchte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özedemir ein weiteres Tierwohl-Label hinzufügen, das fünf Haltungsstufen vorsieht, während in den Prospekten der Lebensmittel-Einzelhändler meist das Label der Initiative Tierwohl mit vier Stufen auftaucht.
Die Autoren der Studie errechneten, welche Investitionen Milchviehhalter tätigen müssen, um aus unterschiedlichen Ausgangslagen auf die Haltungsstufe 3 (von vier Stufen) zu kommen, auf die der Lebensmittel-Einzelhandel auch bei Milchprodukten immer mehr abzielt. Auf die noch sehr häufig anzutreffenden Anbindehalter der Haltungsstufe 1 mit 30 bis 40 Kühen kämen durch den Umbau in einen Laufstall oder den Neubau eines Laufhofs umgerechnet zwischen 6,7 und 13,6 Cent pro Kilogramm Milch zu. Bei einem kleinen Betrieb mit einem Laufstall und 50 bis 70 Kühen, der heute in die Haltungsstufe 2 fällt, wären es für den Umbau zu einem Offenfrontstall und die Angliederung eines Laufhofs immerhin noch 0,6 bis 2,0 Cent. „Diese Kosten müssen über eine Mehrvergütung wieder hereinkommen. Das kann ganz schön schwierig sein“, erklärte der Referent.
Nur beim Tiergesundheits-Management konnte sich Hümmer eine Kostenentlastung durch geringeren Einsatz von Antibiotika vorstellen. Hier ließen sich Behandlungskosten sparen und die Milchleistungsverluste kranker Tiere verringern.
VMB-Vorsitzender Wolfgang Scholz stellte klar, dass die Anbindehaltung auslaufe. Wer schon „mit einem Laufstall unterwegs“ sei, habe bessere Voraussetzungen, weil er weniger tun müsse. „Viele Landwirte würden gerne entsprechend umbauen, bekommen aber dafür keine Genehmigungen“, merkte er an. Hümmer stellte klar, dass die Anbinde- und die Kombihaltung vorwiegend Themen in Bayern und Baden-Württemberg seien und daher auf Bundesebene wenig Gehör fänden. Wenig Optimismus versprühte auch Jürgen Geyer in seinem Bericht zum Milchviehmarkt 2023. „Außer neuen politischen Vorgaben und Ideologien und einer schwindenden Verlässlichkeit der Politik haben uns auch die Pandemie und der Ukraine-Krieg beeinflusst.“ Die Deutschen gäben verhältnismäßig wenig Geld für Lebensmittel aus, reagierten aber sehr sensibel auf Preiserhöhungen, indem sie weniger kauften oder auf preiswertere Produkte auswichen. Das hätten die konventionellen Milcherzeuger zu spüren bekommen, die 50 Prozent für den Export, 40 Prozent für den Einzelhandel und zehn Prozent für die Weiterverarbeitung produzierten. Die Milchpreise im ersten Halbjahr 2023 seien von 60 auf rund 40 Cent pro Liter gefallen und werden im zweiten Halbjahr wohl auf diesem niedrigeren Niveau verharren.
Höhere Haltungsstufen
Wie stark sich der Absatzmarkt in Richtung höherer Haltungsstufen bewegt, schilderte auch VMB-Geschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Seufferlein. „Aldi und Lidl haben uns die Haltungsstufen 1 und 2 schon weggezogen. Es geht immer mehr in Richtung der Haltungsstufen 3 und 4.“ Jede deutsche Molkerei, die Handelsmarken herstelle, müsse auf solche Vorgaben eingehen, und zwar nicht erst in ein paar Jahren. „Wer an eine Molkerei liefert, die nur Handelsmarken produziert, der weiß, wohin der Zug geht. Solche Molkereien können Milch aus Anbindehaltung nicht mehr vermarkten.“ Heute nehmen sie die noch an, zahlen aber weniger dafür.