Rosenheim/Traunstein – 400000 Wohnungen sollen jedes Jahr gebaut werden. Das zumindest wäre der Wunsch von Bundesbauministerin Klara Geywitz, um den großen Mangel an Wohnraum in den Griff zu bekommen. Ein Ziel, von dem jetzt schon klar ist, dass es in diesem Jahr nicht erreicht wird. Nicht einmal annähernd. Im Vergleich zu den fünf Vorjahren wurden laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik in Bayern in der ersten Jahreshälfte 2023 um knapp ein Viertel weniger Bauanträge für Wohnungen gestellt.
Nur noch
Restaufträge
Im Landkreis Rosenheim ist ein deutlicher Rückgang der Bauanträge zu beobachten. Auf OVB-Anfrage an das Rosenheimer Landratsamt zeigt sich, dass in den ersten drei Quartalen dieses Jahres nur noch 1068 Bauanträge eingegangen sind. 2022 waren es noch 1231 und 2021 sind es 1431 Anträge gewesen. Von den 1068 in diesem Jahr wurden 1048 auch genehmigt. Nur in der Stadt Rosenheim ist noch ein positiver Trend erkennbar. Das hat aber einen einfachen Grund, wie Robert Daxeder, Bauunternehmer aus Kolbermoor und Obermeister der Bauinnung Rosenheim, weiß. „Das liegt vor allem daran, dass die Restauftragsbestände noch da sind”, sagt er. „Aber die werden demnächst abgearbeitet sein. Und mittlerweile ist es auch schon so, dass auch kleinere Firmen nur noch mit den Aufträgen über die Runden kommen, die sie noch haben.”
Der Immobilienverband Deutschland (IVD) hat kürzlich die Zahlen für alle bayerischen Regionen ausgewertet. „Die in den vergangenen Monaten erteilten Baugenehmigungszahlen lassen erahnen, dass mittelfristig deutlich zu wenige neue Wohneinheiten entstehen werden. Der ohnehin hohe Nachfrage- und Preisdruck an den Mietmärkten wird somit weiter angetrieben“, sagte Stephan Kippes, der Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts.
Hans Peter Kaindl, Bauunternehmer aus Reit im Winkl und stellvertretender Obermeister der Bauinnung Traunstein-Berchtesgadener Land, sieht mehrere Gründe für den starken Rückgang der Genehmigungen. „Es ist ein Mix aus Unruhe im Markt und gestiegenen Energiekosten mit den einhergehenden gestiegenen Materialkosten”, sagt er. Hinzu kommen die von der Inflation getragene Zinssituation und die hohen Grundstückspreise. In der Unruhe am Markt sieht er eine starke Verunsicherung der potenziellen Häuslebauer. „Wirtschaftsminister Habeck hat Anfang 2022 die KfW-Neubauförderung gestoppt, und zwar von 15 Milliarden Euro jährlich auf nur noch 1,1 Milliarden reduziert. Innerhalb weniger Stunden war die Förderung aus.” Auch das Heizungsgesetz und der Sanierungszwang hätten abermals Unruhe in den Markt gebracht.
Auch im Landkreis Traunstein gehen die Baugenehmigungen weiter zurück. „Der Rückgang der Baugenehmigungen beträgt im Jahresvergleich Juni 2022 und Juni 2023 19 Prozent”, bestätigt Michael Reithmeier, der Sprecher des Landratsamtes in Traunstein. „Im Vergleich September 2022 und September 2023 beträgt der Rückgang 15 Prozent.” Das betrifft vor allem die Genehmigung von Neubauten. Die Anträge, die genehmigt wurden, beziehen sich oft auf Erweiterungen von Bestandsbauten. „Eine Vielzahl von Anträgen betreffen tatsächlich Aufstockungen und Anbauten an bestehende Gebäude.” Hinzu komme laut Hans Kaindl, dass nicht alle, die eine Genehmigung erhalten haben, auch sofort bauen würden.
Am 25. September hatte die Bundesregierung auf dem Wohnungsbaugipfel des Bundeskanzlers ein Maßnahmenpaket vorgestellt, das den Wohnungsbau kurzfristig in Deutschland wiederbeleben soll. „Der Wohnungsbaugipfel wird nicht dazu führen, dass sich kurzfristig etwas ändert. Dafür passen die Rahmenbedingungen einfach nicht”, sagt Daxeder. „In dem Punktekatalog ist nichts dabei, was auch dem Eigennutzer hilft. Die Fördersummen von 60.000 auf 90.000 Euro zu erhöhen, das ist nichts, was der breiten Masse hilft.”
Die Punkte, die beschlossen wurden, würden nicht dazu beitragen, dass die Baukosten wieder sinken. Die Folgen: Von den geplanten 400.000 Wohnungen wurden 2022 nur 295.000 fertiggestellt. „Für 2023 rechnet man nun mit rund 200.000 Wohnungen und für 2024 gibt es erste Schätzungen in Höhe von 177.000 Wohneinheiten”, so Hans Kaindl.
Rasches Handeln
„unabdingbar“
Der starke Rückgang in der Baubranche wird Auswirkungen auf die Unternehmen haben. Die Kapazitäten innerhalb der Branche würden Schritt für Schritt reduziert. Damit verbunden auch die Zulieferer und anhängende Gewerke wie beispielsweise Küchenbauer. „Kapazitäten, die nicht von heute auf morgen wieder aufgebaut werden können”, so Kaindl. „Deshalb wäre ein rasches Handeln unabdingbar. Es ist fünf nach zwölf, da Bauvorhaben über einen längeren Zeitraum geplant werden.”
Robert Daxeder ist hier der gleichen Meinung. Er sieht es fraglich, ob später wieder genügend Personal zur Verfügung stehen würde. „Das sieht man ja im Zusammenhang mit Corona in der Gastronomie, da fehlt das Personal mittlerweile.”