Waldkraiburg – Der große Saal im Waldkraiburger Haus der Kultur war bis auf den letzten Platz gefüllt: im Parkett und oben im Rang. Rund 600 Vertreter aus Wirtschaft und Politik aus den Landkreisen Mühldorf und Altötting waren zum 14. gemeinsamen Wirtschaftsempfang der Landkreise Mühldorf und Altötting, der IHK München und Oberbayern, der Handwerkskammer für München und Oberbayern sowie der Kreishandwerkerschaft gekommen.
Sie wollten wissen, wie die Wirtschaft wieder wachsen kann, was die Wirtschaftspolitik in Zeiten von Rezession und Deindustrialisierung tun könne. Den Ausweg wiesen Festredner Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, Mühldorfs Landrat Max Heimerl sowie Ingrid Obermeier-Osl, Vizepräsidentin der IHK München und Oberbayern.
Fuest mit Analyse der
wirtschaftlichen Lage
Gut eine Stunde analysierte Fuest die aktuelle wirtschaftliche Lage und die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre. Dieses Jahr schrumpft die deutsche Wirtschaft um 0,6 Prozent, während die anderen Länder der G7 wachsen. Die Lage habe sich zuletzt etwas stabilisiert, aber Prognosen seien von „sehr, sehr großen Unsicherheiten“ geprägt: die Weltlage, die Entwicklung der Zinsen. Weitere Schocks seien noch möglich: „Wir sind noch nicht über dem Berg.“
Immer wieder wurde deutlich: Die Entwicklungen und Probleme haben schon vor 2019, vor Corona, angefangen. Hinzu kommen jetzt langfristig ansteigende Energiepreise und der angestrebte Umbau der Wirtschaft. „Es kommen neue Probleme zu den alten hinzu“, so Fuest. Die Dekarbonisierung sei „eine großartige Vision. Es weiß nur niemand, ob es funktioniert.“
Der Markt muss
Antworten liefern
Auch die Deindustrialisierung sei nicht neu. Sie finde als „schleichender Prozess“ zwar in allen Ländern der G7 statt, aber „Deutschland ist ein Wirtschaftsmodell, in dem die Industrie zum Erfolg beigetragen hat. Wir können Industrie.“
Wo soll dann die neue Wertschöpfung herkommen? „Niemand weiß es, weder die Politik noch die Wirtschaft“, so Fuest. Die müsse am Markt entdeckt werden, man könne sie nicht mit Subventionen „herbeizwingen“. Deutschlands Stärke sind, so Fuest, dabei die „Hidden Champions“: Unbekannte, aber erfolgreiche mittelständische Unternehmen, die extrem spezialisiert und innovativ und in der Fläche zu Hause sind. Deutschland stellte 2020 fast die Hälfte der weltweit existierenden „Hidden Champions“.
Mittelstand braucht
Förderung
„Das ist das Potenzial, das wir haben“, bekräftigte Fuest. Viele von ihnen könnten noch mehr leisten, „wenn sie zum Beispiel mehr Fachkräfte hätten, wenn sie nicht so belastet wären mit Bürokratie, mit starken Abgaben, wenn Genehmigungsverfahren nicht so lange dauern würden. Wir müssen diesen Unternehmen Raum geben. Wenn wir dieses Potenzial nutzen, dann haben wir einen gesamtwirtschaftlichen Effekt.“ Was die Politik tun sollte? „Kein Schaden anrichten, ist schon ganz gut“, meinte Fuest. Ferner sollte die Politik darauf verzichten, die Wirtschaft in bestimmte Richtungen zu steuern, „weil bei uns nicht die Politik bestimmt, welche Güter wir konsumieren sollen, sondern die Menschen über den Markt. Das soll nicht der Wirtschaftsminister entscheiden“.
„Haben unglaublich
viele Stellschrauben“
Die Politik müsse sich, so Fuest, auf Rahmenbedingungen beschränken, an die Potenziale denken, den Hidden Champions und der breiten industriellen Substanz Raum geben sowie eine angebotsorientierte Politik betreiben, denn da lägen die Probleme: fehlende Fachkräfte, Produktivität steigern, Infrastruktur stärken, Bürokratie abbauen. „Der Staat muss seine Hausaufgaben machen.“
Die gute Nachricht von Fuest: „Wir haben unglaublich viele Stellschrauben, um die Probleme zu lösen. Wenn das Richtige getan wird, dann habe ich keine Zweifel, dass wir die Schwierigkeiten überwinden. Aber wir brauchen ein tragfähiges Konzept.“
Kommunen als
möglicher Problemfall
Das forderte auch Mühldorfs Landrat Max Heimerl in seinem Grußwort: „Wir brauchen einen wirtschaftsfreundlichen Ruck, statt gefühlter wirtschaftsfeindlicher Tendenzen.“ Er forderte ebenfalls eine breite Förderung des Mittelstands und des Handwerks, einen Abbau der Bürokratie und der „Regulierungswut“. Auch die Kommunen seien inzwischen im Krisenmodus: „Wenn wir so weitermachen, werden die Kommunen vom Problemlöser zum Problemfall. Das darf auf keinen Fall passieren.“
Die Landkreise Mühldorf und Altötting seien hier schon aktiv: zum Beispiel mit der Bildungsmesse, der TH Rosenheim, dem gemeinsame Regionalmanagement sowie mit dem Konzept für den Wirtschaftsraum und die Innovationsachse A94 2.0, das Energiegewinnung, Lärmschutz sowie Gewerbeansiedlung erstmals zusammen denke.
„Die Herausforderungen und Probleme löst man am besten mit Hirn und Verstand und mit Innovationen, nicht mit Verboten und erst recht nicht mit weiterer Bürokratie. Jetzt ist die Zeit der Ingenieure, nicht der Ideologen“, so Heimerl.
„Hirn und Verstand“
statt Ideologien
Zum Abschluss lobte Ingrid Obermeier-Osl, Vizepräsidentin der IHK für München und Oberbayern, Fuest als „herausragenden Referenten, der die Punkte so klar angesprochen hat“. „Nicht die Subventionierung einzelner Bereiche wird auf Dauer der richtige Weg sein, sondern der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen, die letztlich die Steuern zahlen.“
Auch sie forderte ein schnelles, wirtschaftsfreundliches Gegensteuern der Politik: „Potenzial und Substanz sind nach wie vor vorhanden, wenn endlich die Rahmenbedingungen wieder passen und man uns Unternehmen die Freiheit zum Handeln lässt. Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam agieren und nicht resignieren.“