„Die Zukunft sieht nicht rosig aus”

von Redaktion

„Eine Talfahrt ohne Endstation“, sagt die IHK. „Zu wenig Wohnraum“, schallt es vom Immobilienmarkt. Und „Die Zinsen steigen“, heißt es vonseiten der Banken. Doch wie verschuldet ist jeder Einzelne in der Region Rosenheim wirklich? Finanzexperte Philipp Ganzmüller verrät es im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.

Rosenheim – „Stellen Sie sich einen großen Frachtcontainer vor, der seit Jahren konstant flussabwärts fährt.” Mit diesen Worten versucht Philipp Ganzmüller, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Creditreform Rosenheim, die Entwicklung der Schulden in der Region zu beschreiben. Denn so seltsam es in Zeiten der Krisen klingen mag: Seit 2019 ging die Schuldnerquote in der Region Rosenheim konstant nach unten.

Schuldnerquote
in Rosenheim sinkt

Das belegen zumindest die Statistiken des aktuellen Schuldneratlas. Zum Stichtag am 1. Oktober 2023 waren demnach nur 5,03 Prozent aller Rosenheimer im Landkreis verschuldet. Die Anzahl derjenigen, die laut Definition mehr Lebenskosten als Einnahmen haben, sank somit seit dem „Rekordtief“ aus dem Vorjahr nochmals um 0,33 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen sind knapp 11000 Einwohner im Landkreis zu hoch verschuldet.

Doch damit ist der Landkreis Rosenheim nicht alleine, wie Ganzmüller betont. Auch in Mühldorf, Traunstein und in Rosenheim Stadt ging diese Quote im Vergleich zu 2022 noch einmal leicht nach unten. Sind die Hiobsbotschaften von Energiekrisen, hohen Unterhaltskosten und weniger Kreditvergaben also am Ende gar nicht so schlimm? „Nicht unbedingt”, meint Ganzmüller und kehrt zum Gleichnis aus der Schifffahrt zurück. Denn laut Angaben des Geschäftsführers zeichnen sich am Horizont ein paar Faktoren ab, die eine Trendwende einleiten könnten. Einer dieser Faktoren ist die sogenannte weiche Überschuldung. Das sind gemäß des Schuldneratlas beispielsweise Mahnungen von Gläubigern, die aber noch nicht bei Gericht (harte Überschuldung) gelandet sind.

Die Quote dieser weichen Überschuldung hat erstmals seit 2020 wieder zugenommen.

Für Ganzmüller ist das ein „Warnsignal”, zumal von diesem Anstieg in der Region Rosenheim vor allem 18- bis 30-Jährige betroffen sind. Hier stieg die Quote von 3,98 auf 4,04 Prozent. „In diesem Alter sind die Finanzen meistens noch nicht so gefestigt”, meint der Experte. Seiner Erfahrung nach kommen aber nur wenige, die so früh in einer negativen Spirale gefangen sind, wieder einfach so heraus.

Hinzu seien die toxischen Faktoren, die sich in der Wirtschaft abzeichnen, durchaus ernst zu nehmen. So bezeichnete der Bayerische IHK-Chef Manfred Gößl die aktuelle Lage als Abfahrt ohne ersichtliche Talstation. Die Folge: Eine „massive Verunsicherung” bei den Firmen in der Region, die sich in Form von Insolvenzen, wenn auch mit einer gewissen Verzögerung, künftig auch bei den Schulden bemerkbar machen könnte.

Aus diesem Grund möchte Ganzmüller auch nicht zu optimistisch in die Zukunft blicken. „Es sieht nicht allzu rosig aus”, meint der Geschäftsführer. Er rät daher gerade in den unsicheren Zeiten, vernünftig mit seinem Einkommen zu planen und sich bei eventuellen Engpässen frühzeitig Hilfe zu suchen. Laut Ganzmüller ist es zumindest durchaus sinnvoll, sich auf eine Wende des bisher so stabilen Frachtcontainers einzustellen.

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