Ist im Handwerk bald „Feierabend“?

von Redaktion

Das Handwerk hat mit vielen Problemen zu kämpfen. Betriebe blicken in eine düstere Zukunft. Experten erklären, welche Bereiche es in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein besonders trifft und wo das Handwerk Unterstützung braucht.

Rosenheim/Traunstein – Steigende Kosten, Materialknappheit, Fachkräftemangel: Handwerksbetriebe in Bayern haben zu kämpfen. Und jetzt gehen auch noch die Aufträge zurück. Darauf machte kürzlich Franz Xaver Peteranderl, Präsident des bayerischen Handwerkstages, aufmerksam.

Ist das auch in der Region so? Rudi Schiller, Kreishandwerksmeister in Rosenheim, erklärt auf OVB-Anfrage, dass die Auftragslage bei vielen Handwerksbetrieben für das Jahr 2023 als gut bis befriedigend eingeschätzt wird. Im Bauhauptgewerbe teilen sich jedoch die Unternehmen des Landkreises in zwei Bereiche auf. Zum einen die Betriebe, die ihren Schwerpunkt in der Modernisierung haben: „Sie verzeichnen keinen Rückgang“, erklärt Schiller.

Keine verlässlichen Rahmenbedingungen

Anders sehe es jedoch bei Unternehmen aus, die hauptsächlich im Bereich Neubau arbeiten. Sie haben einen Einbruch zu verzeichnen. Schiller begründet das damit, dass in den Landratsämtern die Baugenehmigungen im Wohnbau um etwa 35 Prozent gesunken seien. „Das wirkt sich natürlich auch auf die Unternehmen im Handwerk aus“, sagt Schiller. Vor allem Betriebe, die größere Wohnbauprojekte ausführen, sehen die Situation sehr angespannt. Ursachen seien die Preissteigerungen in allen Bereichen, die gestiegenen Kosten für Kredite – „und natürlich verunsichern die Krisen um uns herum“, so Schiller.

Auch im Landkreis Traunstein bewerten die Betriebe die Zukunftsaussichten je nach Branche gemischt. Andreas Weinzierl, Obermeister der Schreiner-Innung Traunstein, berichtet, dass die Auftragslage im Schreiner-Handwerk nicht zurückgeht. Auch bei den Metzgern ist die Auftragslage stabil. „Trotz Inflation ist die Kundschaft treu geblieben“, sagt Hans Reiter, Obermeister der Metzger-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land. Dennoch betont er, dass der Personalmangel im Verkauf ein großes Problem darstellt. „Das geht sogar so weit, dass die Geschäfte gezwungen sind, teilweise am Nachmittag oder einen ganzen Tag zu schließen.“

Anders im Bauwesen. „Die Aufträge gehen zurück, da die Rahmenbedingungen für unser Gewerk negativ sind“, klagt Hans Peter Kaindl, stellvertretender Obermeister der Bau-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land. Auch er nennt als Probleme den Fachkräftemangel oder die Zinssituation, aber auch, dass es keine verlässlichen Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung gebe.

Besonders hart trifft es den Sanitär-Bereich

Besonders hart trifft es im Landkreis Traunstein den Bereich Sanitär, wie Josef Pflügl, Obermeister der Sanitär-Innung Traunstein mitteilt. „Der Bereich Sanierung ist bei einem Rückgang von 80 bis 90 Prozent quasi tot – gerade beim Thema Heizung, Holzheizung und thermische Solaranlagen“, sagt Pflügl. Zudem seien Kunden verunsichert beim Thema Wärmepumpen. So habe sich die Auftragslage im Jahr 2023 deutlich verschlechtert, „und 2024 wird es eine extreme Verschlechterung geben“.

Hier lässt sich ein oberbayernweiter Trend erkennen. Jens Christopher Ulrich, Stabsstellenleiter der Handwerkskammer für München und Oberbayern, bestätigt, dass vor allem Handwerksunternehmen im Wohnungsbau weniger neue Aufträge verzeichnen. Auch er begründet dies mit der hohen Inflation und dem Zinsanstieg. „Die haben dem Wohnungsbau einen herben Dämpfer verpasst. Immer mehr Neubauprojekte werden storniert oder zumindest auf unbestimmte Zeit verschoben“, sagt Ulrich.

Einige Berufe können auf eine Besserung in der Weihnachtszeit hoffen. Zum Beispiel das Lebensmittelhandwerk, erklärt Rosenheims Kreishandwerksmeister Schiller. Das bestätigt Hans Reiter von der Metzger-Innung. „Weihnachten wurde schon immer sehr gut eingekauft, genauso wie an Silvester“, sagt Reiter. Im Schreinerhandwerk spiele Weihnachten dagegen keine Rolle, heißt es von Obermeister Weinzierl.

„Aktuelle Situation unternehmerfeindlich“

Jens Christopher Ulrich von der Handwerkskammer sieht die Politik in der Pflicht. Auch Gerhard Kotter, Kreishandwerksmeister in Traunstein und dem Berchtesgadener Land, sagt: „Die aktuelle Situation ist sehr unternehmerfeindlich.“ Es brauche weniger Bürokratie. Die Politik solle sich zudem um mehr Unterstützung und Wertschätzung für Unternehmer im Handwerk bemühen – auch um die Branche auch für die jüngere Generation attraktiver zu machen. „Denn wir Handwerker sind in den meisten Fällen Familienunternehmen“, sagt Kotter.

Christopher Ulrich betont, dass auch die Lohnzusatzkosten sinken müssen, „die liegen mittlerweile bei über 40 Prozent“. Dafür sei die Politik auf Bundes- und EU-Ebene verantwortlich. Ebenso müsse die Politik dringend die Bauwirtschaft wieder ankurbeln. Laut Ulrich sei auch mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein wichtiger Grundstein für qualifizierte Zuwanderung gelegt. „Hier müssen nun noch die Verfahren beschleunigt werden.“

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