Rosenheim – Ein alter Mann sitzt am Fenster. Er blickt auf die Straße hinaus. An einem sonnigen Tag tummeln sich dort zahlreiche Autos und Fußgänger. Plötzlich kriselt das Bild, die Fahrzeuge kommen ins Stocken, dann wird es schwarz.
„Diese Szene habe ich jetzt mittlerweile über 100- mal gesehen“, meint Marcus Reile lächelnd. Denn was auf dem Monitor des Kathreiner Werkstudenten immer wieder aufflackert, ist kein klassisches Fernsehprogramm, sondern ein dreiminütiges Testvideo. In Dauerschleife wird es von einer Antenne aus München, genauer aus Ismaning, ausgestrahlt und landet im besten Fall beim Empfänger in Rosenheim.
Infrastruktur
noch nicht so weit
Das Besondere: Der Kurzfilm läuft über das 5G-Broadcast-Netz, das künftig den neuen Standard in der Übertragungstechnik bilden soll. Um den Fortschritt von 5G sichtbar zu machen, hat Reile eine Software programmiert, die das Signal des Kathreiner Laborempfängers ausspielt und als Bild sichtbar macht. „Dadurch sehen wir genau, welche Parameter für eine reibungslose Übertragung wichtig sind“, erklärt der baldige Elektro-Informationstechniker. Seit 2015 arbeitet der TH-Student bei Kathrein und schließt mit dem Projekt seine Bachelorarbeit ab.
Bedeutet das wackelige Bild mit zahlreichen Aussetzern aber nun, dass 5G zumindest in Rosenheim noch nicht so weit ist, wie viele glauben? „Technisch wäre alles bereit“, meint Kathreins Technik- und Entwicklungsleiter Christian Sautter. Einzig die Infrastruktur sei noch nicht für die neue Generation ausgelegt.
Antenne am
Wendelstein denkbar
Würde man zum Beispiel eine Antenne am Wendelstein platzieren, ist Sautter davon überzeugt, dass in Rosenheim ein ausreichendes Signal ankommen würde.
Darauf deutet zumindest die Entwicklung von Reile hin. Bei einem Test am Samerberg stellte der Rosenheimer Werkstudent fest, dass er das Video dort schon deutlich besser empfangen konnte. Die höhere Lage und die damit verbesserte Verbindung zur Quelle in Ismaning waren dafür schon genug.
„Wir warten daher eigentlich nur noch auf den Startschuss – also auf jemanden, der das alles finanziert“, meint Sautter, der dafür schon einen möglichen Kandidaten identifiziert hat. Die Rundfunkanstalten haben demnach großes Interesse an der Technik, um direkt über ihr Netz an die Empfangsgeräte senden zu können.
Davon eingeschlossen sollen dann auch Smartphones sein, denen dafür aber noch der passende Chip fehlt. „Auch der wird allerdings bereits entwickelt“, meint der Technikexperte.
Mehr Informationen
in weniger Zeit
Die Antennenspezialisten von Kathrein vermuten: „In den kommenden zwei Jahren wird das 5G-Netz auch in Rosenheim ankommen.“ Die Antennen habe man dafür bereits entwickelt. Diese gelte es nur noch an Funkmasten wie zum Beispiel am Wendelstein anzubringen.
Der direkte Fernsehempfang ist allerdings nicht der einzige Vorteil von 5G. Laut dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik können künftig mit einer höheren Funkfrequenz mehr Informationen in weniger Zeit übertragen werden. „Auch für Sicherheitswarnungen wird das ein Thema“, meint Sautter. Denn bei Naturkatastrophen sind die Rundfunkmasten deutlich stabiler und unabhängiger als das Mobilfunknetz. „Viele Stationen haben ihren eigenen Stromgenerator und funktionieren auch im Notfall, wenn sonst nichts mehr geht“, erklärt Sautter.
Mit Blick auf die aktuelle Technik könnte im Jahr 2025 also ein flächendeckendes 5G-Netz auch in Rosenheim etabliert sein. Spätestens dann sollten mehr ankommen als ein flackerndes Video auf dem Bildschirm eines Rosenheimer Antennenspezialisten.