„Energiewende an die Wand gefahren“

von Redaktion

Für das Heizungshandwerk war 2023 kein gutes Jahr. Der Frust über Gesetzes-Hickhack und Förderungs-Wirrwarr sitzt tief. Die Innungen in der Region warnen: Wochenlang kalte Heizungen sind mittelfristig kein unrealistisches Szenario mehr.

Traunstein – Wenn man in diesen Tagen mit den Hauptverantwortlichen des SHK-Handwerks (Sanitär, Heizung und Klima) in der Region spricht, blickt man in Gesichter, denen die aktuelle Politik die Zornesröte ins Gesicht treibt.

Sorgte das Gebäudeenergiegesetz, über das Monate lang in der Berliner Ampel gestritten wurde und dessen Verabschiedung vom Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren gestoppt wurde, bei den Handwerksbetrieben wie auch den Verbrauchern schon für Verärgerung und Verunsicherung, so blickt die Branche jetzt fassungslos auf die Sparliste im Rahmen des Bundeshaushalts 2024, die gerade beim Heizungstausch für Verschlechterungen sorgt.

Demnach sind erst vor drei Monaten getroffene Beschlüsse im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) bereits wieder Makulatur. So werden beispielsweise vereinbarte Anhebungen der Förderung für den Heizungstausch – der sogenannte Speed-Bonus – wieder zurückgenommen.

Auch die angekündigte Förderkürzung für Energieberatung verärgert die Heizungsbauer, ebenso wie die Erhöhung des CO2-Preises von 40 auf 45 Euro für eine Tonne. Tanken und Heizen mit fossilen Energien wird dadurch noch teurer als bislang geplant.

„Ein verpasstes Jahr
für den Klimaschutz“

Zwar fließen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in den Klima- und Transformationsfonds, aus dem unter anderem die Förderung für effiziente Gebäude (BEG) finanziert wird – dort schraubt die Politik laut Branchenvertretern aber wieder an Verschlechterungen für den Verbraucher, der bei der Umverteilung ihnen zufolge ohnehin am Ende die Zeche zahlt.

„Das kann kein Mensch mehr nachvollziehen“ schimpft Josef Pflügl, Obermeister der Innung für Spengler, Sanitär- und Heizungstechnik in Traunstein, der seiner Verärgerung seit Monaten freien Lauf lässt: „Ein verpasstes Jahr für den Klimaschutz! Statt dessen maximale Frustration und Resignation bei den Verbrauchern, im Handwerk, im Handel und der Industrie“, ist sein Fazit für die Politik des Bundes.

Sein Obermeisterkollege aus dem Berchtesgadener Land, Peter Schuhbeck, stimmt ihm zu. Verlässlichkeit und Planungssicherheit seien Fehlanzeige. „Wenn die Vorgaben de facto alle vier bis fünf Wochen verändert werden, ist eine vernünftige, nachhaltige und langfristige Energieberatung nicht mehr möglich.“ Neuester „Clou“ aus dem Ministerium sei der Wechsel von Programmen vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zur Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). So werde die Heizungstausch-Förderung ab dem kommenden Jahr durch die KfW administriert, alle übrigen Programmbestandteile bleiben bei der BAFA. „Damit müssen wir für kombinierte Maßnahmen künftig zwei Antrage bei unterschiedlichen Trägern stellen. Da weht der Amtsschimmel. So etwas ist einfach nicht mehr zeitgemäß“, ärgert sich Schuhbeck über die zusätzliche Bürokratie.

Gerhard Hardrath, Obermeister der SHK-Innung Rosenheim, macht in der täglichen Kunden- und Verbraucherberatung eine ähnliche Erfahrung: „Viele sind nicht mehr bereit, den Weg in eine CO2-neutrale Zeit mitzugehen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren noch nie so viele Öl- und Gasheizungen eingebaut wie 2023.“ So würden Verbraucher ihren Protest gegen das energie- und gesetzespolitische Wirrwarr zeigen, das in dem Hick-Hack um das Heizungsgesetz seinen Höhepunkt erreicht habe. Er vermisse langfristige Planungssicherheit für alle Beteiligten und verlässliche Zusagen aus der Politik.

Vernichtendes Zeugnis
für die Regierung

Die Verärgerung der drei Innungschefs geht aber weit über die aktuellen fiskalpolitischen Einbremsungen der Klimaschutzmaßnahmen hinaus. „Wir fordern eine Rücknahme des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Alle Maßnahmen müssen wieder auf Null gesetzt werden“, ist sich das Obermeistertrio einig und stellt der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung ein vernichtendes Zeugnis aus: „Die Energiewende ist bereits jetzt an die Wand gefahren worden.“

Pflügl verweist darauf, dass alleine 2023 sieben Firmen der Innung Traunstein ihren Geschäftsbetrieb eingestellt haben. Bei den weiteren Innungen sähe es ähnlich dramatisch aus. „Wer aber soll denn die Energiewende umsetzen, wenn nicht wir Handwerksbetriebe“, fragt er. Zugesagte staatliche Leistungen und Förderungen würden ersatzlos zurückgefahren. Die Industrie habe ihre Kapazitäten massiv ausgebaut und würde nun auf ihrer Überproduktion sitzen bleiben. „Und wir Handwerksbetriebe können die überbordende Bürokratie kaum mehr schultern. Diese hat sich in den vergangenen beiden Jahren mehr als verfünffacht. Das kann kaum ein Betrieb – insbesondere auch die kleineren Firmen – mehr schultern. Deshalb geben viele Kollegen ihre Betriebe auf“, ergänzt Schuhbeck. Dabei seien Verbraucher und Hausbesitzer spätestens dann die Leidtragenden, wenn die Heizung einmal kaputt sei. Wochenlang kalte Heizungen seien mittelfristig kein unrealistisches Szenario warnt er.

Ein Plädoyer
für die Holzheizung

„Wir bauen seit 30 Jahren Wärmepumpen ein“, so Pflügl. „Aber ich kann heute nicht mehr reinen Gewissens in Richtung des Einbaues von Wärmepumpen beraten.“ Nicht zuletzt, weil die Stromkosten in den kommenden Jahren nur eine steigende Tendenz zu kennen scheinen und sich die Frage stelle, ob für die Zukunft Energiesicherheit bestehe. Viele Verbraucher könnten sich dazu die Kosten für den Erwerb, Einbau und langfristigen Betrieb der Wärmepumpe nicht mehr leisten. Dabei stehe man eigentlich „zu 100 Prozent hinter der Technik“. Aber Fachbetriebe oder Berater würden sich zunehmend fragen, ob man bei einem Strompreis, der in Richtung 45 Cent pro Kilowattstunde geht, Wärmepumpen im Sinne einer guten und passgenauen Kunden- und Verbraucherberatung noch anbieten könne.

Was die drei Fachleute aber auf die viel zitierte Palme bringt, ist die vielerorts „schöngerechnete“ Klimaneutralität der Energieträger. So sei für die Energiesicherheit bei den Energiekonzernen gerade an kalten Tagen ein massiver Einsatz fossiler Energieträger erforderlich. Die „Heizung des kleinen Mannes“, die Holzheizung, werde als umweltschädlich gebrandmarkt. Dabei sei für die heimischen Heizungsfachleute eine Holzheizung unverzichtbarer Teil der Energiewende. „Wir haben mittlerweile weltweit die sauberste Technik bei Holzheizungen. Diese werden jedes Jahr vom Kaminkehrer überprüft“, sagt Hardrath.

Kritik an großen Energiekonzernen

Das Trio verweist auf den Einsatz von fossilen Energieträgern, die bei einer großen Zahl von Energieversorgern zum Einsatz kämen. „Solange beispielsweise die in München fast monopolartig agierenden Stadtwerke Münchner Haushalte mit Fernwärme versorgen, die zu einem hohen Teil aus der Verfeuerung von Steinkohle aus Australien kommt, ist die gesamte Diskussion über das Holzheizen auf dem Land lächerlich. Jeder der Anfang Dezember bei dem flächendeckenden Stromausfall in Bayern einen Holzofen besessen hat, konnte sich glücklich schätzen“, betont Pflügl, der den großen Energiekonzernen vorwirft, Projekte zur Erzeugung von regenerativer Energie nur als „Prestige- und Vorzeigeprojekte“ zu betreiben oder diese als reines Finanzinvestment zu verfolgen.

Was es für das Gelingen der Energiewende braucht, ist für die drei SHK-Chefs klar: mehr Privatwirtschaft und weniger Staat. „Es wird Zeit, die Energiewende den Profis und Verbrauchern zu überlassen. Wir waren bereits auf einem richtig guten Weg und werden jetzt durch staatliche Maßnahmen komplett ein- und ausgebremst! Wir brauchen Heizungen, die passen und die für kostengünstige Energie stehen. Den Rest macht der vernünftige Bürger.“

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