Aschau am Inn – Die Bayern-Chemie in Aschau profitiert jetzt von einem fünf Milliarden-Euro schweren Rüstungsauftrag. Ab 2028 produzieren die Aschauer in Lizenz die Antriebseinheiten für das US-amerikanische Luftabwehr-System Patriot – als erster und einziger Hersteller außerhalb der USA. Damit entstehen in Aschau bis zu 50 neue Arbeitsplätze, werden Millionen Euro in neue Gebäude und Anlagen investiert. Das gab die Bayern-Chemie in einer Pressekonferenz im Beisein von Bundestagsabgeordnetem Stephan Mayer, Mühldorfs Landrat Max Heimerl und Aschaus Bürgermeister Christian Weyrich (alle CSU) bekannt.
Der Bedarf an Luftabwehr-Raketen steigt. Unter anderem hat der Ukraine-Krieg dazu geführt, dass der Patriot-Hersteller Raytheon seine Raketen künftig auch außerhalb der USA bei Comlog in Schrobenhausen produzieren wird. Comlog ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Rüstungskonzerne Raytheon und MBDA, dem die MBDA-Tochter Bayern-Chemie künftig die Antriebseinheiten zuliefert.
„Wir dürfen jetzt
keine Zeit verlieren“
In Aschau werden in den nächsten Jahren dafür vier neue Produktions- und Lagergebäude samt Anlagen sowie zunächst 20, im Endausbau bis zu 50 neue Arbeitsplätze entstehen. „On top, während der normale Betrieb weiter läuft“, betonte Standortleiter Andreas Ziehlke. „Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren.“ Denn 2028 muss die Serienproduktion anlaufen. Dafür investiert Bayern-Chemie „eine mittlere zweistellige Millionen-Summe“.
Sowohl Aschaus Bürgermeister Christian Weyrich wie auch Mühldorfs Landrat Max Heimerl (beide CSU) sicherten zu, bei den Genehmigungen werde es „die volle Unterstützung geben“.
Die Vertreter der Bayern-Chemie versicherten wiederholt, für Planung, Bau und Betrieb der Anlagen sowie für die Produktion möglichst „Betriebe aus der Region“ einzubinden. Dr. Wolfgang Rieck, Geschäftsführer der Bayern-Chemie: „Über zwei Drittel der Wertschöpfung sollen in Bayern stattfinden.“
Das sei auch ein industriepolitisches Signal, so der Abgeordnete Mayer: „Jeder dritte Arbeitsplatz der Rüstungsindustrie befindet sich in Bayern.“
Am 13. Dezember hatte der Haushaltsausschuss im Deutschen Bundestag die Mittel für den Kauf neuer Patriot-Raketen für die Bundeswehr freigegeben. „Ein Musterbeispiel“ der Zusammenarbeit der Bundesregierung und der Unions-Fraktionen beim Sondervermögen Bundeswehr, so Mayer.
Am 15. Dezember hat dann die NATO Support und Produrement Agency (NSPA) bei der Comlog für Deutschland, Niederlande, Rumänien und Spanen einen Kaufvertrag für neue Patriot-Raketen geschlossen: 100 Raketen für die Ukraine, 400 für die Bundeswehr und 400 für die restlichen Partner. Insgesamt können es bis zu 1.000 Raketen für 5,1 Milliarden Euro werden.
Die Patriot-Luftabwehrrakete GEM-T wird von acht europäischen Staaten sowie der Ukraine gegen Marschflugkörper, Raketen, Drohnen und Flugzeuge eingesetzt. Sie fliegt bis zu 70 Kilometer, erreicht bis zu 4,5 Mach und soll auch schon erfolgreich gegen russische Hyperschall-Raketen gewesen sein. „Das ist ein reines Verteidigungssystem zum Schutz der Bevölkerung“, betonte Rieck. Landrat Heimerl erinnerte daher, dass man in einer Welt lebe, „in der wir diese Systeme zum Schutz von Menschenleben dringend brauchen. Man muss sich verteidigen können, um sich dann möglichst nicht verteidigen zu müssen.“ „Es ist so weit alles in trockenen Tüchern“, versicherte Bayern-Chemie-Chef Rieck. Dies werde die einzige Patriot-Produktion außerhalb der USA sein. „Das zeigt, wie ernst die Weltlage ist. Auch die USA sind am Anschlag. Zugleich könnte es, so Rieck, der Einstieg in den Weltmarkt sein. Wenn Comlog alle amerikanischen Vorgaben erfüllt, dann könnte das Unternehmen auch direkt an die Raytheon verkaufen – und damit auch für den Weltmarkt produzieren.
Für Aschaus Bürgermeister Weyrich festigt dieser Auftrag die „wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität der Gemeinde“: Die Bayern-Chemie sei einer der größten Arbeitgeber und auch einer der größten Gewerbesteuerzahler am Ort und damit „für uns ein wesentlicher Garant für unseren Wohlstand und die wirtschaftliche Stabilität. Wir können uns selbstbewusst den Herausforderungen der Zukunft stellen.“ Mühldorfs Landrat Heimerl sah darin auch ein positives Zeichen für die unternehmens- und familienfreundliche Politik im Landkreis: „Wir sind ein Aufsteiger-Landkreis. Wir sind hochattraktiv auch, weil es hier hochattraktive Arbeitsplätze gibt.”
„Die Amerikaner
wären verrückt“
Der Auftrag sichere, so Rieck, die Produktion für die nächsten zehn Jahre. Auch dann, falls Donald Trump im November erneut US-Präsident werden sollte, betonten Mayer und Rieck. Laut Rieck halte der US-Konzern 50 Prozent an Comlog. Die Amerikaner wären „verrückt“, wenn sie ihr eigenes Unternehmen gefährden würden. „Die amerikanische Industrie verdient damit viel Geld. Da kann eigentlich keiner was dagegen haben.“