Burghausen – Bereits Mitte Januar ging mit den ersten Kündigungsschreiben der Dyneon GmbH eine Sorgewelle durch die Region. Bis Ende 2025 sollen alle Arbeitsverträge mit den 680 Mitarbeitern des Chemie-Unternehmens beendet sein. Nun folgt ein weiterer Schlag: Die Siltronic AG teilte mit, dass am Standort Burghausen 400 Beschäftigte von der Beendigung der Produktion „kleiner Wafer“ betroffen seien.
Gewerkschaft will
Prozess eng begleiten
Zwar soll die Belegschaft „sozialverträglich“ abgebaut werden, doch was bedeutet das genau? In der Pressemitteilung der Siltronic heißt es, man wolle keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen: „Ziel ist, die Stammbelegschaft sozialverträglich über Demografie und Altersteilzeit abzubauen.“
Doch welche Mitarbeiter sind mit „Stammbelegschaft“ gemeint? Volker Stapfer, Betriebsratsvorsitzender der Siltronic in Burghausen, sagt, es handele sich dabei um festangestellte Mitarbeiter, die unbefristete Verträge hätten. Etwa die Hälfte der Belegschaft sei befristet oder über Zeitarbeitsverträge eingestellt. „Von dieser Belegschaft kann bis zum Ende des Produktionsabbaus noch ein Teil beschäftigt werden“, so Stapfer. Das genaue Vorgehen werde aber erst nach den Osterferien zwischen Belegschaftsvertretern und Arbeitgeber ausgehandelt.
Auch die Gewerkschaft will den Prozess eng begleiten: „Für die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) ist es wichtig, dass die Stellen sozialverträglich abgebaut werden und niemand ins Bergfreie fällt“, so eine Sprecherin. Zusammen mit dem Betriebsrat werde man sich dafür einsetzen, dass das Vorhaben für die Beschäftigten fair gestaltet werde.
Claudia Schmitt, CFO der Siltronic, sagte, der Schritt sei ein schwieriger, aber notwendig. Angesichts der strukturellen Änderungen am Markt erwarte man keine Erholung der Ergebnisbeiträge bei den Small-Diameter-Wafern, kleinen Scheiben – meist aus Silizium –, auf denen in der Halbleiterfertigung integrierte Schaltkreise, die Mikrochips, hergestellt werden.
Zwar galten die kleineren Wafer lange Zeit als Standard und repräsentierten die Spitze der Technologie in der Branche. Doch mit der Einführung von 300-Millimeter-Wafern ab den 2000er-Jahren hätten sich die bedeutendsten technologischen Entwicklungen auf Wafer mit größerem Durchmesser konzentriert. Die Nachfrage nach kleinen Wafern habe insbesondere in den letzten zehn Jahren enorm abgenommen.
Ein Technologieführer
in der Branche
„Trotz dieser Entscheidung bleibt der Standort Burghausen für Siltronic von entscheidender Bedeutung“, betont Michael Heckmeier, CEO der Siltronic AG. „Hier befindet sich unser weltweites Technologie- sowie Forschungs- und Entwicklungszentrum, die Produktion von 300-Millimeter-Wafern und 200-Millimeter-Reinstsiliziumstäben sowie ein großer Teil unserer administrativen Funktionen.“
Die Siltronic erwartet außerdem ein Volumenwachstum von sechs Prozent im Bereich der Wafer mit großem Durchmesser und plant „mindestens, mit dem Markt zu wachsen“. Man werde weiterhin den Vorsprung als einer der Technologieführer der Branche nutzen, heißt es vom Unternehmen. „Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, haben wir bereits unsere 300-Millimeter-Kapazitäten am Standort in Singapur erweitert und zudem größere Investitionen am sächsischen Produktionsstandort in Freiberg getätigt.“
Zusammenhänge mit anderen Veränderungen in der Chemiebranche sind laut dem Betriebsratsvorsitzenden Volker Stapfer nicht zu erkennen. Die IGBCE betont die diverse Lage in der chemischen Industrie: Aktuell habe gerade die energieintensive Grundstoffchemie Probleme, während die Geschäfte der vielen Pharma-Unternehmen und Markenhersteller glänzend liefen. „Aber auch für die von der Konjunkturschwäche getroffenen Bereiche in der Chemie zeigen sich erste Aufhellungen am Horizont“, erklärt die Gewerkschaftssprecherin.
Dass sich die aktuelle Geschäftslage der Branche leicht verbessert, teilte kürzlich auch das Münchener ifo-Institut mit. Erstmals seit fast zwei Jahren sei die Nachfrage nach Chemieerzeugnissen wieder gestiegen.