Traunstein – Die Bilanz, die das heimische Handwerk kürzlich bei der Jahreshauptversammlung der Kreishandwerkerschaft Traunstein-Berchtesgadener Land in Traunstein zog, war durchaus zwiespältig: Einerseits zeigt sich das Handwerk als verlässlicher Garant, was die örtliche Präsenz, stabile Beschäftigungsverhältnisse und die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen angeht. Zudem machen aktuelle Themen, wie die Energiewende, das Handwerk zum unverzichtbaren Partner. Andererseits jedoch, das machte Kreishandwerksmeister Gerhard Kotter deutlich, kämpft das Handwerk neben wirtschaftlichen Problemen vor allem auch mit einer ausufernden Bürokratie und gesetzlichen Regeln und Verordnungen, die den Handwerkern das Leben schwer machen.
Handwerk droht ein
„Bürokratie-Burnout“
Zum Jahresende 2023 waren 900 Handwerksbetriebe (Vorjahr 910) Mitglied in einer der 13 Innungen in den beiden Landkreisen (und vereinzelt in den Landkreisen Altötting und Mühldorf). 1649 Ausbildungsverhältnisse (2022: 1729) bestanden Ende 2023.
Nach einer Schweigeminute für verstorbene Handwerkskollegen zeigte Kotter in einer Rede die großen Herausforderungen auf, vor denen das Handwerk aktuell steht. Hohe Energiekosten, eine abflauende Konjunktur, steigende Lohnzusatzkosten und die Gemengelage aus anhaltender Inflation und hohen Zinsen waren einige der von ihm genannten Schlagworte. Mit Kritik an der Politik wurde nicht gespart. „Etliche Entscheidungen der aktuellen Ampel-Regierung sind gegen das Handwerk gerichtet“, sagte Kotter. Er sprach von der Gefahr eines „Bürokratie-Burnout“ und nannte hier exemplarisch die Auflagen für die Baubranche.
Erfreut zeigte sich Kotter dagegen über die anhaltend hohen Investitionen in den beiden Landkreisen in die berufliche Bildung. Als Beispiel nannte er die Berufsschulen in Traunstein und Freilassing und den Campus Chiemgau. Mit dem Stellwerk 18 habe sich zudem eine gute Möglichkeit für Start-up-Firmen aufgetan.
Kotter erörterte Entwicklungen in den einzelnen Innungen. Von einer deutlichen Veränderung berichtete er bei der Friseur- und Kosmetiker-Innung Traunstein-Berchtesgadener Land, die sich zum Jahresende von ihrem Landesverband getrennt hatte und zusammen mit Rosenheim und Miesbach einen Friseurverband gründete.
Einen breiten Raum der Jahreshauptversammlung nahm der Dialog mit den beiden Landtagsabgeordneten Konrad Baur (CSU) und Martin Brunnhuber (Freie Wähler) ein. Diese wurden zu Themen befragt, die dem Handwerk derzeit besonders auf den Nägeln brennen. Beide Politiker betonten, dass ihnen die Förderung der beruflichen Bildung und des Handwerks ein Herzensanliegen sei. „Es ist dringend notwendig, dass wir ein stabiles Umfeld für unsere Betriebe haben“, sagte Baur. Deshalb sei es auch wichtig, sich an der Europawahl zu beteiligen.
Ruf nach mehr
öffentlichen Aufträgen
Baur beklagte das Misstrauen, das dem Handwerk durch Verordnungen und Gesetze entgegengebracht werde. Er unterstütze eine „mittelstandsfreundliche Ausschreibung“ durch die Kommunen. Steuererleichterungen für das Handwerk seien bundespolitisch derzeit allerdings kaum durchsetzbar.
Martin Brunnhuber betonte, dass die Politik wieder mehr auf Experten hören müsse. „Wir brauchen den Mut für einfache und pragmatische Lösungen, es braucht einen Prüfstand für neue Gesetze.“ Auch er machte deutlich, dass eine zu hohe Steuerlast investitionshemmend ist. Es brauche zur Stützung kriselnder Branchen – etwa der Baubranche – mehr öffentliche Aufträge.
Josef Pflügl, Obermeister der Sanitär-Heizung-Klima-Innung (SHK) Traunstein, kritisierte, dass die Bundesregierung die Mittel für die beruflichen Bildungszentren deutlich reduziert und im gleichen Atemzug diejenigen für die akademische Bildung deutlich erhöht habe: „Das ist die angebliche ‚Wertschätzung‘ des Handwerks!“ Die Politik habe das Vertrauen der Immobilienbesitzer und Investoren zerstört. „Wir haben fast keine Arbeit mehr!“, sagte er mit Blick auf die Folgen des Habeck’schen Heizungsgesetzes. Überbordende bürokratische und administrative Aufzeichnungen würden daneben das Gelingen der Energiewende behindern.
Kritik wurde auch von weiteren Innungen geäußert. Werner Scharf von der Schreiner-Innung BGL forderte, dass alle Behörden auf einer einheitlichen Plattform Aufträge ausschreiben sollten. Franz Pfeffer von der Metall-Innung monierte die Benachteiligung bayerischer Handwerksbetriebe im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Und Ehrenkreishandwerksmeister Peter Eicher beklagte die Benachteiligung kleiner Metzgereibetriebe gegenüber den industriellen Großbetrieben, deren Markt- und Preismacht wesentlich zum Betriebe-Schwund beitragen würde.
Haushaltsplan
genehmigt
Dagmar Sinzinger legte im Nachgang die Jahresrechnung 2023 vor, die mit einem gegenüber dem Vorjahr reduzierten positiven Ergebnis abschloss. Dem Votum der beiden Rechnungsprüfer Hermann Stadler und Franz Pfeffer folgend wurden Vorstand und Geschäftsführung der Kreishandwerkerschaft von den anwesenden Innungsvertretern entlastet. Der Haushaltsplan wurde bei weiter zurückgehenden Überschüssen bei in etwa gleichbleibendem Gesamtvolumen mit einigen Gegenstimmen ebenfalls genehmigt. Die beiden Rechnungsprüfer wurden für ein weiteres Jahr in ihrem Ehrenamt bestätigt.
Große Messe
für Schüler
Entschieden wurde auch, dass das Handwerk auch heuer wieder zentral mit einer Berufsinformationsmesse (BIM) im Bildungszentrum in Traunstein Werbung für eine Handwerksausbildung machen wird, wie Manuela Deneri, Geschäftsstellenleiterin der Kreishandwerkerschaft, ausführte. Die BIM wird vom 30. September bis 2. Oktober stattfinden. Im Gegensatz zu den Vorjahren, als man teilweise weit über 1000 Schüler und Interessierte durch die einzelnen Werkstätten „schleuste“, will man sich in diesem Jahr für die Schüler mehr Zeit in den Werkstätten nehmen. Dort können die jungen Leute „Handwerk live“ in Ruhe kennenlernen und so vielleicht ihren Traumberuf finden. „Jeder einzelne Lehrling, den wir dadurch bekommen, ist es wert, dass wir das machen“, sagte Kreishandwerksmeister Kotter.
Viel Applaus gab es für die kürzlich erfolgte Verleihung des Bundesehrenpreises durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft an die Bäckerei-Konditorei Kotter – der höchsten Qualitätsauszeichnung der deutschen Ernährungswirtschaft. Der Beifall ging in einen Applaus für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Kreishandwerkerschaft und deren engagiertes Arbeiten über.
Bernhard Daxenberger setzte den Schlusspunkt und beschwor den Zusammenhalt der anwesenden Handwerkergemeinschaft über die einen oder anderen fachlichen Differenzen hinweg. Das Handwerk müsse zusammenstehen – das habe sich gerade auch bei den Handwerker-Kundgebungen rund um die Bauernproteste gezeigt.