Der Mittelstand als „Schatz der Region“

von Redaktion

Sind die Region und Europa wirtschaftlich für die nahe Zukunft gerüstet? Dieser Frage ging man beim diesjährigen Sommerempfang der Chiemgau GmbH nach. Experten erklärten, warum die heimische Region trotz wirtschaftlicher und politischer Krisen positiv nach vorne blicken kann.

Ising – „Wir wollen über den Tellerrand hinausblicken“, sagte Traunsteins Landrat Siegfried Walch zu zahlreichen Unternehmern aus der Region, die kürzlich zum Sommerempfang der Chiemgau GmbH auf Gut Ising gekommen waren. Der Empfang soll eine Gelegenheit für Unternehmer sein, in den Austausch untereinander zu treten.

„Wirtschaft wird
als Waffe eingesetzt“

Walch verwies auf die aktuellen internationalen Krisen und die Bedeutung der Europawahl sowie des Wahlkampfs in den USA. Er nutzte die Gelegenheit, ein klares Plädoyer für Europa zu halten: „Der europäische Binnenmarkt, das Wirtschaftsleben in Europa, ist die Grundlage unseres Wohlstands.“ Er betonte, dass die Region Chiemgau einen höheren Exportanteil habe als der bayerische Durchschnitt. Das unterstreiche die Bedeutung der internationalen Verflechtung.

Dass der Landrat die Wichtigkeit eines europäischen Marktes betonte, hatte einen guten Grund. Die Chiemgau GmbH hatte Dr. Josef Braml eingeladen, einen Vortrag zum Thema „Globaler Wettstreit der Riesen – wo liegen Europas Chancen?“ zu halten. Braml ist deutscher Politikwissenschaftler und ein USA-Experte. Er machte deutlich, dass die USA aufgrund ihrer inneren Probleme nicht mehr in der Lage seien, die bisherigen globalen Sicherheitsgarantien zu gewährleisten.

„Amerika wird künftig nicht mehr die liebgewonnenen Leistungen bringen können“, erklärte er. Damit meinte er nicht nur die militärischen Schutzfunktionen, sondern auch die Förderung des Freihandels. Stattdessen erwartet Braml einen zunehmenden Protektionismus. Die Rolle des US-Dollars als Leitwährung stellte er für die Zukunft infrage.

Ein zentrales Thema der Rede des Experten war die wachsende Herausforderung durch China. Amerika fühle sich durch China bedroht und habe die wirtschaftliche Rivalität zu einem geostrategischen Zweck umfunktioniert. „Wirtschaft wird als Waffe eingesetzt, um China einzudämmen“, erläuterte Braml. Dies habe weitreichende Auswirkungen auf den globalen Handel – und insbesondere auf exportorientierte Nationen wie Deutschland.

Braml plädierte eindringlich für eine stärkere europäische Einigung, um den Herausforderungen gewachsen zu sein. „Nur Europa bietet die Chance, als geschlossenes Gebilde in der neuen Weltordnung zu bestehen“, betonte er. Der Druck von außen, insbesondere durch die Politik von Wladimir Putin, Xi Jinping und möglicherweise erneut Donald Trump, könne als Katalysator für die europäische Integration wirken.

Standortfaktoren
weiter verbessern

Angesichts der düsteren Prognosen von Josef Braml äußerte sich auch Landrat Siegfried Walch zur wirtschaftlichen Zukunft der Region: „Dr. Braml hat die Herausforderungen der nächsten Jahre klar aufgezeigt. Es ist wichtig, dass wir uns an die veränderte Welt anpassen und uns auch mit neuen Gegebenheiten auseinandersetzen. Eine exportabhängige Region wie unsere steht dabei vor besonderen Herausforderungen.“ Deswegen werde auch weiterhin in den Landkreis Traunstein investiert. „Wir arbeiten sehr konsequent daran, die Standortfaktoren hier in der Region immer weiter zu verbessern“, erklärte Walch.

Ein wichtiger Aspekt sei hier die Digitalisierung der Verwaltung, um Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Außerdem investiere der Landkreis massiv in den Bildungsbereich, mit mehr als einer Viertelmilliarde Euro in den kommenden Jahren. Ein weiterer Schwerpunkt sei der Energiebereich. „Wir wollen nicht nur auf Investitionen von außen hoffen, sondern selbst aktiv werden“, so Walch. Dazu wurde eine eigene EnergieHolding-Struktur geschaffen, um verschiedene Energieprojekte eigenständig finanzieren und umsetzen zu können. Diese Struktur ermögliche es, sowohl Standortgemeinden als auch private Investoren und Bürger einzubinden. Das Ziel soll sein, regionale Energieprojekte in kommunaler und regionaler Hand zu halten.

Zentrales Problem:
der Fachkräftemangel

Auch der Tourismus spielt in der Region nach wie vor eine wichtige und tragende Rolle. Franz Bauer, Geschäftsführer der Sparte Tourismus in der Chiemgau GmbH, setzt auf eine positive Entwicklung für den Tourismus in der Region. „Natürlich ist es wichtig, sich möglicher Szenarien bewusst zu sein und sich auf unsere Stärken zu besinnen. So können wir diese als Katalysator nutzen“, sagte Bauer. Aktuell profitiere der Chiemgau von einer ausgezeichneten Buchungslage. Das lege den Grundstein für eine erfolgreiche Saison.

Gleichzeitig bleibt der Fachkräftemangel eine zentrale Herausforderung. Dank der Chiemgau GmbH, die Tourismus, Wirtschaftsförderung und Regionalmanagement unter einem Dach vereint, können diese Themen laut Bauer jedoch vernetzt und effektiv angegangen werden. „Das hilft uns sehr“, sagte er. 

Optimistischer
Blick auf die Zukunft

Bauer betonte zudem die Bedeutung der Lebensqualität in der Region. Ein attraktives Freizeitangebot sei nicht nur für Touristen von Interesse, sondern spiele auch eine entscheidende Rolle bei der Ansiedlung und Bindung von Fachkräften. „Wenn ich als Region touristisch interessant oder attraktiv bin, dann bin ich auch als Region für zukünftige oder aktuelle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer interessant. Das ist entscheidend im Wettbewerb darum, wo Arbeitskräfte hingehen.“ 

Trotz der globalen Unsicherheiten zeigte sich auch Landrat Siegfried Walch optimistisch. „Ich sehe positiv in die Zukunft, wenn wir die richtigen Schlüsse ziehen.“ Der große Vorteil sei der starke Mittelstand in der Region, der geprägt sei von Familienunternehmen, die fest am Standort verwurzelt sind. „Das ist ein unglaublicher Schatz und bietet Chancen, die es so nicht überall gibt. Wenn wir die Zukunft aktiv gestalten, haben wir eine große Chance“, so Walch.

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