Traunstein – Knapp 500 Jahre ist sie alt, die Figur des steinernen Lindl auf dem Brunnen am Traunsteiner Stadtplatz. Der Ritter aus rotem Ruhpoldinger Marmor ist ein Wahrzeichen der Stadt. Nach einem halben Jahrtausend ist der steinerne Zeuge jetzt höchst lebendig geworden. Zumindest in Film-Animationen der Studenten am Campus Chiemgau der Technischen Hochschule Rosenheim (TH).
Bei der Abschlusspräsentation aktueller Projekte des Studiengangs „Advanced Industrial Engineering“ in Traunstein konnten Besucher miterleben, wie der Avatar des Lindls, also eine animierte Nachbildung im Computer, zu Gästen spricht und gestikuliert: vor Info-Tafeln im Salinenpark, in der dortigen Ausstellung oder am Stadtbrunnen.
Viel Einsatz und
Know-how
Für Tourismus-Leiter Josef Späth, der das Projekt für die Stadt Traunstein betreut hat, ist die Entwicklung eines virtuellen Lindls ein wichtiger Schritt nach vorne. „Das Projekt bietet die Chance, mithilfe von Smartphone oder I-Pad neue attraktive Akzente im Rahmen der Salinen-Ausstellung im Ferdinandistock anzubieten.“ Aktuell werde noch daran gefeilt, „dass der Lindl-Avatar auch Deutsch sprechen kann“. Erstaunt zeigte sich Späth darüber, mit welch großem Einsatz, Know-how und in welcher Geschwindigkeit die Studentengruppe um Vinay Tummala neu auftauchende Probleme beim Einscannen, dem Modulieren des Erscheinungsbilds und der Bewegungsanimation des Lindls immer gelöst hat. Künftig soll der Avatar an acht Stationen der Salinenausstellung Höhepunkte setzen.
Studiengang-Leiter Professor Dr.-Ing. Andreas Straube erläuterte die Hintergründe der neun Projekte, die die Master-Studenten zusammen mit Unternehmen aus der Region realisiert haben: „Nach dem Kennenlernen neuer Technologien in Theorie und Praxis im ersten Semester ging es im zweiten Studienabschnitt darum, das Gelernte in konkreten Projekten umzusetzen. Die Firmen profitieren vom Technologietransfer aus unserem Innovationslabor in die Unternehmen.“
In Kurzpräsentationen stellten die Studierenden die Ergebnisse vor. Für die Firma Rosenberger aus Fridolfing führte das Studententeam eine Marktstudie mit Praxistest durch über Brillen und Softwarelösungen im Bereich Augmented Reality (computergestützte erweiterte Realität).
Einbettung
künstlicher Intelligenz
Für das Unternehmen Brückner-Maschinenbau aus Siegsdorf testeten die Studenten Starlink-Verbindungen via Satellit zur Anbindung der digitalen Maschinenwartung in Regionen mit schwacher Infrastruktur. Sehr eng arbeiteten die Studierenden auch mit der IT-Abteilung bei den Adelholzener Alpenquellen in Siegsdorf zusammen. Dort wird aktuell ein neues ERP-Softwaresystem zur Steuerung und Vernetzung der Bereiche Produktion, Finanzen, Einkauf, Vertrieb und Personal installiert. Durch die Einbettung von künstlicher Intelligenz gelang es, die Arbeit und Kommunikation mit dem System auf eine neue Stufe zu heben.
„Die wollen echt was bewegen und haben sich voller Wissbegier mächtig reingehängt“, fasst Dr. Uwe Gretscher, Vorstandsvorsitzender der Kliniken Südostbayern AG, seine Erfahrungen zusammen. Im Zuge der aktuellen Digitalisierungsstrategie testeten die Studenten dort im Rahmen eines Projekts, inwieweit roboterassistierte Automatisierungsprozesse dabei helfen können, Mitarbeiter im zentralen Einkauf von regelbasierten Routineaufgaben zu entlasten. „Da gab es gute Gedanken und tolle Fortschritte“, resümierte Gretscher.
„Classic meets Future“ lautete der Projekttitel bei Tom Fischer Classic Cars in Brannenburg, einem Betrieb, der klassische Oldtimer restauriert. Dort wurde die Entwicklung eines digitalen Zwillings am Beispiel eines Ferrari 340 Vignale Coupé erprobt. Bei der Präsentation in Traunstein konnten Besucher mit einer Virtual-Reality-Brille den Motorblock begreifen und das Innenleben im 360-Grad-Modus erkunden. „Damit können wir junge Leute für den Beruf begeistern, der noch komplett analog funktioniert und praktische Lösungskompetenz erfordert“, erläuterte Inhaber Tom Fischer.
Roboter zum
Weißbiereinschenken
Durch die Bank schildern die Firmenvertreter die Studententeams aus Deutschland, Indien, Pakistan, Mexiko oder Osteuropa als „sehr engagiert, findig und willensstark, sich auch in komplexe neue Bereiche einzuarbeiten“.
Maximilian Sailer, Bräu des Hofbräuhauses Traunstein, das einen Scanner für die Weiterentwicklung eines Roboters zum Weißbiereinschenken gesponsert hat, sagt: „Wir haben gegenseitig sehr voneinander profitiert. Die Studenten haben traditionelle Brauprozesse kennengelernt und wir als Brauerei gute Impulse von den Studenten bekommen, etwa wie sich durch intelligente Datenanalyse frühzeitig Prozessfehler erkennen lassen.“