Habersam/Landkreis Mühldorf – Die landwirtschaftlichen Betriebe, die ihre Kälber, Färsen, Kühe, Bullen, Ochsen, Ferkel und Schweine über die Viehvermarktungsgenossenschaft VVG Bayern eG vermarkten, konnten 2023 und im ersten Halbjahr 2024 mit stabilen, auskömmlichen Preisen rechnen. Deshalb ärgern sie sich derzeit auch nicht über die Preise. Stattdessen stoßen ihnen immer neue Auflagen der Politik sauer auf. Das wurde kürzlich auf der Vertreterversammlung der VVG Bayern im Landkreis Mühldorf deutlich. Es war die erste ordentliche Vertreterversammlung nach der Fusion mit der Erzeugergemeinschaft für Schlachtvieh Oberpfalz (ESO) im November 2023.
Zur Zukunft des Vion-Schlachthofs in Waldkraiburg wurde auf der Versammlung, zu der rund 120 Teilnehmer aus ganz Bayern gekommen waren, derweil nichts Neues bekannt. Wie berichtet, möchte der niederländische Großschlachter Vion den Standort verkaufen.
Rund 370 Millionen
Euro Jahresumsatz
Vorstandsvorsitzender Sebastian Brandmaier berichtete, dass die in Waldkraiburg angesiedelte Viehvermarktungsgenossenschaft mit 16649 Mitgliedern und einem stabil gebliebenen Jahresumsatz von rund 370 Millionen Euro eine ordentliche Größe für die Vermarktung habe. Die VVG Bayern habe es mit immer mehr Nischenprogrammen für mehr Tierwohl zu tun. Für deren Erzeugung brauche es aber nur rund fünf Prozent der angeschlossenen Bauern. Als Beispiel nannte Brandmaier das Programm „Bayerischer Ochse“, das mit dem Schlachtkonzern Vion und REWE aufgelegt worden sei. Hierfür produzieren 44 Betriebe rund 3200 Ochsen im Jahr.
Weil die VVG aber auch für den Absatz der anderen 95 Prozent der Landwirte sorgen muss, ist sie laut Brandmaier auch auf Auslandsmärkten unterwegs, in denen einerseits – wie in Italien – eher fettes und andererseits – wie in Skandinavien – fettarmes Fleisch gefragt ist.
„Der Bulle ist so teuer wie noch nie, bei den Färsen ist die Nachfrage gut und Kühe sind extrem gefragt und für uns am wichtigsten“, bilanzierte Brandmaier nach dem ersten Halbjahr 2024. Die VVG wolle die Kälbermast in Bayern wieder aufbauen und dafür Vermarkter finden. Denn, so Brandmaier: „Wir werden es uns als Gesellschaft und als Bauern nicht mehr leisten können, Kälber europaweit oder gar in Drittländer zu transportieren.“ Gesucht seien Tiere der Haltungsform 3 der Initiative Tierwohl, die Zugang zu Außenbereichen haben. Dies kombiniert mit regionaler Herkunft sei vielversprechend. Sie als „Grünlandkuh“ zu vermarkten, biete ganz neue Chancen, weil der Begriff „Grünland“ bei den Verbrauchern „extrem positive Reaktionen“ erzeuge.
„Vermitteln, dass
unsere Arbeit gut ist“
Franz Mitterberger, Fachmann für die Schweine-Vermarktung der VVG, berichtete ebenfalls über relativ stabile, gute Schweine- und Ferkelpreise 2023 und 2024. „Nach dem starken Rückgang der letzten Jahre bei der Schweineschlachtung lautet die Prognose, dass die Zahlen 2024 wohl vergleichbar mit denen des Jahres 2023 sein werden.“ Schweine der Haltungsform 3 seien gesucht, berichtete der Vermarktungsspezialist.
„Die Landwirtschaft stand letztes Jahr unter Druck, aber nicht unbedingt vom Preis her“, erklärte schließlich Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV). „Es war keine gute Position, sich immer verteidigen zu müssen, denn so kann man keine Menschen begeistern und überzeugen. Wir müssen deshalb selbstbewusst vermitteln, dass unsere eigene Arbeit gut ist.“ Die Landwirte müssten darstellen, dass sie Ernährung in Europa, Deutschland und Bayern sichern und gleichzeitig die Energieversorgung regenerativ umbauen. Landwirtschaftliche Flächen für die Energieerzeugung und damit als Einkommensquelle zu nutzen, sollten sich die Landwirte nicht nehmen lassen. „Wir können künftig auf unseren Flächen vier Ernten im Jahr einfahren“, formulierte Felßner plakativ. „Wir ernten Lebensmittel, erzeugen Energie, tragen zur Dekarbonisierung bei und fördern die Artenvielfalt sowie den Gewässerschutz.“ Den Klimawandel könne man nicht „mit Naturschutzgedanken aus dem letzten Jahrhundert“ begegnen, sondern nur mit „nachhaltiger Intensivierung“. „Die Bauernproteste haben einen Bewusstseinswandel in Politik und Gesellschaft gebracht“, schloss Felßner. „Aber nicht die Politik in Berlin kann unsere Marktposition stärken, das müssen wir selbst tun.“
Gerüchte: Zwei Bieter
für den Schlachthof
Für den Landkreis Mühldorf ist es eine wichtige Frage, was nach dem vom Schlachtkonzern Vion angekündigten Verkauf seiner deutschen Standorte mit dem Schlachthof in Waldkraiburg passiert. „Keiner möchte sich zu den Zukunftsaussichten äußern, nichts ist spruchreif, wir müssen das in der Schwebe lassen“, hatte dazu Sebastian Brandmaier erklärt.
Einer von vier anwesenden Vion-Mitarbeitern, der nicht namentlich zitiert werden wollte, kritisierte, auch die Mitarbeiter würden nicht informiert. Es gäbe Gerüchte, dass es bereits zwei Bieterrunden gegeben habe. Sebastian Brandmaier sagte ebenfalls auf Nachfrage, dass es angeblich Gespräche mit zwei Bietern geben solle.
Seines Erachtens ist der Schlachthof in Waldkraiburg „gesetzt für die nächsten zehn bis 20 Jahre“. Dass die Erzeuger-Gemeinschaft Südbayern eG aus Pocking auch für Waldkraiburg biete, habe sich „verflüchtigt“. Sie würde stattdessen gerne die Schweine-Schlachthöfe Vilsbiburg und Landshut übernehmen.