KI: Heilsbringer oder überbewertet?

von Redaktion

Exklusiv-Interview Experten über die Technologie der Zukunft – Fortsetzung

Fortsetzung von Seite 41

Eine Kritik von Informatikern: Sie bekommen zahlreiche Anfragen von Firmen, die KI „möglichst schnell irgendwie” umsetzen wollen. Wie nehmen Sie das wahr?

Wiesböck: Ich finde es faszinierend, wie die Nachfrage plötzlich explodiert ist. Ich teile auch die Angst, dass manche Firmen sich zu schnell auf etwas stürzen. Aber ich glaube, man kann nicht viel kaputt machen. Viele Unternehmen machen das nicht selbst, sondern über externe Anbieter, die sich darauf spezialisieren. Ich würde aber abraten, jetzt irgendwas zusammenzustricken, ohne das Fachwissen zu haben. Dafür gibt es zu viel Raum für Fehler. 

Schiller: Nichts zu tun, ist für viele keine Alternative. Man will schnell Erfolge vorweisen und hat Angst, etwas zu verpassen. Aber es braucht Geduld, es muss herumprobiert werden. Es wird Sackgassen geben. Das geht nicht in einem Hauruck-Verfahren.   

Andorfer: Es herrscht ein Aktionismus, wie wir ihn lange nicht mehr gesehen haben. Die Kehrseite davon und damit auch der Punkt, in dem wir den Informatik-Kollegen beipflichten. Tatsächlich herrscht in manchen Unternehmen eine vollkommen verkehrte Erwartungshaltung in Bezug auf KI. Insbesondere Anwendungen der sogenannten „Generativen KI“ werden als „magic button“ wahrgenommen, auf den man nur drücken muss und schon kommen hinten fertige Ergebnisse raus. Aber genau diese Komplexitäts-Reduktion und der damit verbundene „blinde Aktionismus“ ist der vollkommen falsche Weg.

Was wäre der richtige Weg, um KI sinnvoll zu nutzen?

Andorfer: Ich weiß nicht, ob es den einen richtigen Weg gibt. Das hängt am Ende sehr stark vom jeweiligen Unternehmen und den spezifischen Herausforderungen ab.

Grundsätzlich bin ich fest davon überzeugt, dass wir einen positiven Zugang zu dieser Innovation entwickeln sollten. KI wird als eine sogenannte „Sprung-Innovation“ gesehen und hat dadurch das Potenzial, die Welt in einem ähnlichen Umfang zu verändern, wie das Internet oder die industrielle Revolution. Wir sollten also mit einer großen Portion Neugier und Technologie-Offenheit – aber auch mit Hirn und Verstand an diese neuen Möglichkeiten herangehen.

Wiesböck: Es geht vor allem darum, die KI für das jeweilige Unternehmen zu nutzen. Was genau brauche ich eigentlich, was könnte ich optimieren, was sind vielleicht triviale Aufgaben, bei denen ich das austesten kann? 

Schiller: Der erste Schritt dafür ist, Standard- und Routineaufgaben zu erkennen. Das ist bei uns beispielsweise das Redigieren und Korrigieren von Texten. Das frisst viele Ressourcen und kann mithilfe von KI deutlich beschleunigt werden. 

Müssen Mitarbeiter Angst haben, von der KI langfristig ersetzt zu werden?

Wiesböck: Da kann ich noch weiter ausholen als Sie vorher mit dem Informatiker McCarthy. Die Diskussion, ob Technologie Arbeitsplätze zerstört oder erhält, gibt es seit der industriellen Revolution. Egal ob Fließband, Dampfmaschine oder Elektrizität. Danach wurden es eher immer mehr Plätze. Innovation führt dazu, dass Unternehmen sich zukunftsfähig aufstellen und Arbeitsplätze schaffen. 

Schiller: Es steht außer Frage, dass sich die Berufsbilder verändern werden. Ein Beispiel: Schauen Sie sich eine Buchhaltung vor der Erfindung von Excel an. Die Anforderungen waren riesengroß. Heute braucht es andere und so wird es auch mit der künstlichen Intelligenz sein. 

Andorfer: Ein Fachartikel mit 1000 Wörtern kann inzwischen in 20 Sekunden generiert werden. Man kann ganze Songs mit KI produzieren. Bilder und sogar Kunst können per Knopfdruck erzeugt werden. Es besteht durchaus die Gefahr, dass es in Zukunft an manchen Berufen weniger Bedarf geben wird. Dafür entstehen allerdings neue Berufe.

Außerdem geht nichts über das geübte Auge einer Fotografin, das Naturtalent einer Autorin oder das ästhetische Empfinden eines Grafikers. Das kann eine Maschine nicht ersetzen. 

Interview: Korbinian Sautter

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