KI: Heilsbringer oder überbewertet?

von Redaktion

Exklusiv-Interview Experten sprechen über die Technologie der Zukunft

Rosenheim – Egal ob Datenanalyse, komplexe Entscheidungsprozesse oder nur die vorgefertigte Geburtstagskarte. Künstliche Intelligenz (KI) ist im Alltag angekommen. Doch was für Chancen bietet die neue Technologie und wohin geht die Entwicklung in der Region Rosenheim? Florian Schiller, Geschäftsführer von OVB Media, Stefan Andorfer, Mitglied der Geschäftsleitung der Münchner Marketing Akademie, und Florian Wiesböck, Geschäftsführer des Stellwerk18 Rosenheim, sprechen exklusiv über die Technik der Zukunft.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit künstlicher Intelligenz beschäftigt und war Ihnen von Anfang an klar, wie wichtig das Thema werden würde?

Florian Wiesböck: Das erste Mal damit zu tun hatte vermutlich jeder, der Videospiele spielt und bei der Fußballsimulation Fifa gegen den Computer verloren hat. Auch das war schon eine Art von künstlicher Intelligenz. Nur hat da niemand darüber geredet. Bisher war es eher ein Thema für die Forschung. Was es jetzt so spannend macht, ist, dass es nicht mehr in geschlossenen Laboren bleibt, sondern Sie, ich und jeder andere es im Alltag nutzen kann. 

Florian Schiller: Beschäftigt hat es uns schon bei der Personalisierung von Online-News im Jahr 2015. Das bedeutet, was bekomme ich, wenn ich auf die Startseite gehe? Was gibt es für Empfehlungen für unterschiedliche Nutzer? Das haben wir „intelligent“ eingebaut. Der Algorithmus sollte anhand des Nutzungsverhaltens verstehen, was auf der Seite angezeigt wird. Das begann vor einigen Jahren. Die große Explosion folgte durch „ChatGTP“.

Stefan Andorfer: Ich erinnere mich an ein Meeting im November 2022 mit meinem Geschäftspartner. Damals haben wir noch darüber gewitzelt, dass eine KI bald die ganze Arbeit für uns erledigen wird. Wie prophetisch sich unsere Worte letztlich erweisen sollten, war uns noch nicht bewusst. In den Wochen und Monaten danach wurde uns dann jedoch zunehmend die immense Tragweite dieser Entwicklung klar und wir haben damit begonnen, tief in die Materie einzutauchen.

Was bedeutet KI sowohl privat als auch für Unternehmen?

Schiller: Der Sprung in den vergangenen beiden Jahren war enorm und eröffnet ganz neue Möglichkeiten, auch für Unternehmen. Es ist ein Hype entstanden, der natürlich erst mal auf dem Boden der Tatsachen ankommen wird. Aber es steckt viel Substanz dahinter.

Wiesböck: Auch das hat mit der Massenakzeptanz zu tun. Solange KI eher etwas für Nerds war, die in einer Blackbox an Algorithmen gearbeitet haben, konnte sich keiner darunter etwas vorstellen. Jetzt ist die Akzeptanz da und niemand hat mehr Angst, damit zu herumzuprobieren, auch Firmen nicht.   

Andorfer: Besonders interessant ist der Punkt „Effizienz-Steigerung“. KI kann uns dabei helfen, in einem erheblichen Ausmaß Zeit zu sparen und Prozesse zu optimieren, da sie viele Aufgaben in Sekunden erledigen kann, für die ein Mensch viel Zeit benötigt. Das wiederum bedeutet, dass wir bessere Ergebnisse in viel schnellerer Zeit erzielen und diese in wichtigere Aufgaben investieren können.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Mehrwert?

Schiller: Es vereinfacht schon jetzt einige Prozesse in der redaktionellen Arbeit. Beim Redigieren, Transkribieren oder in der Datenanalyse ist die KI bereits präsent. Und das ist erst die erste Stufe.

Wiesböck: KI kann außerdem dafür genutzt werden, um Maschinen zu automatisieren. Sie kann analysieren, welche Probleme es gibt, wann welcher Schritt erfolgen muss oder wie viele Aufträge bearbeitet werden können. Zudem kann die KI Entscheidungen treffen, die zu einem hohen Grad auf Daten basieren. Da würde ich mir nicht zumuten, eine bessere Entscheidung zu treffen als die KI. 

Andorfer: Aber auch im Kundenservice ist KI interessant: Stichwort Chatbots. Die KI übernimmt dabei zum Beispiel repetitive Prozesse, sie kann große Datenmengen analysieren, Muster darin erkennen und zunehmend als Kundenberater fungieren. 

Was kann die KI (noch) nicht? Welche Risiken gibt es?

Andorfer: Sogenannte „Deep Fakes“ werden ein riesiges Problem darstellen. Man kann menschliche Stimmen und sogar Gesichter praktisch „kopieren“. Hier müssen schnellstens rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Was KI außerdem nicht kann, ist komplexes, menschliches, empathisches Empfinden und die Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Schiller: Es herrscht eine teilweise gefährliche Goldgräberstimmung. Ganz große Firmen investieren Milliardenbeträge in den Aufbau von Kapazitäten, Servern und Technik. Was dabei am Anfang herauskommt, ist für viele erst mal ein Minusgeschäft. Jeder hat Angst, etwas zu verpassen. Es wird viel spekuliert und das gehört dazu. Das gibt das Fundament für die tatsächliche Entwicklung. 

Fortsetzung auf Seite 42

Artikel 4 von 7